Medien-Debatte zum Tag der Pressefreiheit – Funke-Aufsichtsratschefin Becker warnt vor Diffamierungen und Tech-Giganten aus den USA.

Die wirtschaftliche Macht der amerikanischen Tech-Giganten wie Google und Facebook bedroht die wirtschaftliche Basis der Verlage in Deutschland und damit auch die Pressefreiheit. Darauf hat die Vorsitzende des Aufsichtsrates der Funke Mediengruppe, Julia Becker, hingewiesen. Sie hielt am Montagabend das Impulsreferat für eine Podiumsdiskussion des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger zum Tag der Pressefreiheit im Allianz Forum in Berlin-Mitte.

Eine wirklich unabhängige Presse müsse auch wirtschaftlich unabhängig sein, sagte Becker. Wenn sich die wirtschaftlichen Grundlagen weiter verschlechterten, sei „eine freie Presse und damit auch die Pressefreiheit in ihrem Bestand gefährdet“.

Becker: 70 Prozent des Werbemarktes in Händen der Megakonzerne

Julia Becker zielte mit ihrer Bemerkung vor allem auf die digitale Infrastruktur, die sich in den Händen von wenigen US-amerikanischen Mega-Konzernen befinde. „Das sind marktbeherrschende Player, deren Marktmacht, Umsatz und Gewinne auch in Corona-Zeiten unaufhörlich weiterwachsen”, warnte Becker. Über 70 Prozent des digitalen Werbemarktes lägen heute in den Händen von drei US-amerikanischen Technologieplattformen.

Fast ein Drittel der gesamten Werbeausgaben in Deutschland fließe zu Google, Facebook und Amazon. Diese Digitalplattformen entschieden zunehmend darüber, wer Zugang zum Lesermarkt erhalte und wer seine Veröffentlichungen durch Werbung, Vertrieb und Transaktionen finanzieren könne, so die Funke-Aufsichtsratsvorsitzende.

Appell an seriösen Journalismus

Die Europäische Union müsse deshalb den mehr als 20 Jahre alten Rechtsrahmen mit einem Digital Market Act anpassen. Dieser müsse den „diskriminierungsfreien und fairen Zugang aller Publikationen zu Google, Facebook und Co.“ sicherstellen. „Auch das Suchmonopol und das soziale Netzwerkmonopol müssen aufgebrochen werden“, forderte Julia Becker. „Wenn wir unabhängige Medien und damit die Pressefreiheit auch künftig verankert wissen wollen, müssen die kartellierten Märkte geöffnet und deren Freiheit gesichert werden.“

An den Journalismus formulierte die Verlegerin den Anspruch, weiter seriös zu arbeiten, um das in der Corona-Pandemie trotz aller Kritik wieder gestiegene Vertrauen der Leserschaft vor allem in Regionalmedien zu erhalten. Es gehe darum, „weiter und in immer besserer Qualität unseren Job zu machen“, sagte Becker. Die Presse müsse weiter über Missstände berichten, „mehr denn je durch gute, präzise journalistische Arbeit überzeugen“ und ein breites Meinungsspektrum abbilden.

Becker: Debatte um #allesdichtmachen „erfreulich bunt“

Die Pressefreiheit wird nach Ansicht der Funke-Aufsichtsvorsitzenden aber nicht nur durch Google & Co. bedroht. In autokratisch regierten Staaten werde unabhängige Berichterstattung eingeschränkt. In Deutschland würden Journalisten unter anderem von Corona-Leugnern attackiert und als „Lügenpresse“ diffamiert.

In der innerdeutschen Debatte über „Cancel Culture“ und die Kampagne #allesdichtmachen unter anderem mit dem Schauspieler Jan Josef Liefers sprach sich Becker für Toleranz und offenen Diskus aus, wie er in den deutschen Medien auch wiedergegeben worden sei.

Die Berichterstattung sei „erfreulich bunt“ gewesen und von der Überzeugung geprägt, solche Meinungsäußerungen von Künstlerinnen und Künstlern seien notwendig und müssten in einer pluralistischen Demokratie möglich sein. Dass für Schauspieler nun ein Auftrittsverbot gefordert werde, sei unakzeptabel. In Deutschland dürfe eine auf politische Korrektheit getrimmte Kultur nicht die Oberhand gewinnen.

Journalisten kritisieren Einschränkungen der Pressefreiheit

In der für das Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg aufgezeichneten Diskussionsrunde warnte die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal vor Einschränkungen der journalistischen Freiheit. „Ich spüre die Angst von Kollegen, die sich fragen, was sie noch berichten dürfen“, sagte Tekkal.

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    Phillip Welte aus dem Vorstand von Burda Media verwies auf den „brutalen, grausamen Druck“, der sich aus sozialen Netzwerken gegen Journalisten oder ihre Gesprächspartner ergieße. Das sei eine ganz andere Art des Angriffs auf die Meinungsfreiheit.

    Die Medienwissenschaftlerin Alexandra Borchardt sprach die Mechanismen der sozialen Medien an, die in der „Aufmerksamkeitsökonomie“ seriöse Informationen verdrängten. „Die Algorithmen belohnen, was besonders krass und radikal ist“, sagte Borchardt. Zwar seien nur zehn Prozent der Deutschen empfänglich für die Schlagworte von der „Lügenpresse“. Aber diese Minderheit organisiere zunehmend, um „Kritiker und Abweichler mundtot zu machen“.

    Roland Jahn kritisiert Journalismus als Verfolgung einer Agenda

    Der Ex-Journalist und Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, nannte als Problem, dass viele Akteure in den Medien keinen Journalismus machten, sondern eine Agenda verfolgten. „Die Vermengung von Meinung und Tatsachenberichterstattung sehe ich als großes Problem“, sagte Jahn.

    Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle, beklagte eine schwindende Wertschätzung für die Kontroverse in Deutschland. Die gehe „Stück für Stück“ verloren. Er werbe für einen entspannteren Umgang mit öffentlichen Debatten, so Kuhle.