Washington. Im Verfahren gegen Ex-Präsident Donald Trump kommen jetzt Videoaufnahmen vom Sturm auf das Kapitol ins Spiel. Was werden sie bewirken?

Man darf Mitt Romney abnehmen, dass ihm die Lebensgefahr erst richtig bewusst wurde, als er sich im Impeachment-Prozess gegen Donald Trump in einem bis dahin unveröffentlichten Video einer Überwachungskamera im Kongress erkannte.

Dort sieht man, wie der Senator aus Utah, der 2012 US-Präsident werden wollte, aber Barack Obama unterlag, am 6. Januar einen Gang entlang geht. Bis ihn der schwarze Polizist Eugene Goodman aufgeregt umdirigiert und ihn so vor der Meute rettet, die an jenem eiskalten Januartag das Kapitol in Washington stürmte. Ohne Goodman, so Experten der Bundespolizei FBI, könnte Romney heute tot sein.

Impeachment: Wollte Trump die Beglaubigung von Bidens Sieg sabotieren?

Denn der von Trump zur Sabotage der offiziellen Beglaubigung des Wahlsieges von Joe Biden „herbeigerufene“ und „aufgehetzte“ Mob, so legte die demokratische Anklägerin Stacey Plaskett aus Vernehmungs-Protokollen dar, machte gezielt Jagd auf Top-Vertreter – beider Parteien.

Eine Angreiferin wollte der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, „in den verdammten Kopf schießen“. Die 80-Jährige Pelosi wurde wie ihr Gegenüber im Senat, Chuck Schumer, in letzter Minute in Sicherheit gebracht. Mike Pence, Trumps republikanischer Vize-Präsident, sollte ausweislich martialischer Sprech-Chöre „gehängt“ werden. Weil er sich der verfassungswidrigen Forderung von Trump widersetzte, die Zertifizierung des Biden-Sieges zu stoppen. Auch er entkam nur knapp durch einen Geheimgang.

Der republikanische US-Senator Mitt Romney.
Der republikanische US-Senator Mitt Romney. © dpa

Während andere Politiker bedroht wurden, guckte Trump fern

Einiger dieser Facetten waren durch Recherchen von US-Medien bekannt. Sie durch neue Video-Aufnahmen beglaubigt zu sehen, sagte Romney stellvertretend für viele seiner erkennbar erschütterten Kollegen, „treibt einem Tränen in die Augen“.

Messerscharf arbeiteten die von Jamie Raskin geführten demokratischen Ankläger das aus ihrer Sicht noch Niederträchtigere an Trumps Verhalten heraus: Als im Kongress bereits Blut floss, als Polizisten mit Fahnenstangen traktiert wurden und über Funk verzweifelt um Verstärkung bettelten, als Terroristen wie Kopfgeldjäger durch die Gänge des Kapitols streiften, saß Trump im Weißen Haus und sah fern.

Er delektierte sich wie bei einer „Reality-Show“ an den Horror-Bildern, sagte der Abgeordnete Joaquín Castro, anstatt Polizei oder Armee in Marsch zu setzen. Kann es einen krasseren Fall von unterlassener Hilfeleistung eines Mannes geben? Das fragten sich Analysten im US-Fernsehen zu Trump, der einen Eid darauf geschworen hat, Amerika zu schützen.

Erstürmung des Kapitols: Welche Schuld trägt Donald Trump?

Man stelle sich vor, sagte der Abgeordnete Joe Neguse, wenn Trump nach der ersten Eskalation live ins Fernsehen gegangen wäre oder auf Twitter das unmissverständliche Signal gegeben hätte: „Stoppt die Attacken!“. Aber das Gegenteil war der Fall.

Noch Stunden nach der Erstürmung des Kapitols bescheinigte Trump seinen marodierenden Unterstützern Solidarität. Tenor: So etwas passiere halt, wenn „ein heiliger Erdrutsch-Wahlsieg bösartig großen Patrioten genommen wird“. Kurz vor dem Eindringen ins Kapitol hatte Trump vor Tausenden bei einer Kundgebung am Weißen Haus dezidiert dazu aufgerufen, gen Kongress zu ziehen und Stärke zu zeigen: „Wenn ihr nicht kämpft wie der Teufel, werdet ihr kein Land mehr haben.“

Anklage zeigt erdrückende Videoaufnahmen – ab Freitag Verteidigung

Für Bruce Castro und David Schoen bedeutet die bis Donnerstag chronologisch aufgebaute Anklage der Demokraten einen Ritt auf dem Hochseil. Die beiden Verteidiger Trumps sind erst ins Spiel gekommen, als renommiertere Juristen abgewunken hatten. Sie haben sich bereits zum Auftakt der Verhandlung den Zorn ihres im Florida-Domizil Mar-a-Lago weilenden Mandanten zugezogen. Vor allem Castro erntete für seinen verkorksten Auftritt am Dienstag Kopfschütteln und Häme. Insider steckten der New York Times, Trump habe geschäumt; auf einer Skala von eins bis zehn „bei acht“.

Das Anwälte-Duo wird ab Freitag den Versuch unternehmen, Trump vom Image des „Ober-Anstifters“ zu befreien, der nach Überzeugung der Demokraten den Coup-Versuch „vorbereitet“ und „orchestriert“ hat. Für ihre Gegenrede haben sie 16 Stunden auf zwei Tage verteilt Zeit.

Dabei wird ein Wort eine Schlüsselrolle spielen: „peacefully“ - friedlich. Trump hat es ein einziges Mal in seiner 11.000 Wörter langen Rede benutzt, die als Ouvertüre für den Terror im Kapitol gewertet wird. Eine „Schandtat“, für die aus Sicht des notorisch Trump-freundlichen „Wall Street Journal", er „die Verantwortung trägt".

Noch ist nicht erkennbar, ob die erdrückende Macht der Bilder in der republikanischen Senatorenschaft genügend Dynamik auslöst, um Trump tatsächlich zu verurteilen. Maximal acht von 50 Konservativen, darunter Mitt Romney, wird im Moment zugetraut, den programmierten Hass vieler Trump-Wähler in Kauf zu nehmen, und gegen Trump zu votieren. 17 plus 50 Demokraten werden benötigt. Bereits Anfang der Woche wird voraussichtlich abgestimmt.

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