Berlin. Impfungen gelten als ein wirksames Mittel zur Eindämmung von Infektionskrankheiten - nicht nur in der Corona-Epidemie. Ein Überblick.

Wer in diesen Tagen das Wort Impfung hört, denkt vermutlich zuerst an das Coronavirus und die Impfstoffe, die derzeit zugelassen sind, auf dem Weg zur Zulassung oder in der Entwicklung stecken. Auch die Diskussion einer Corona-Impfpflicht für Pflegekräfte, die Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) jüngst angestoßen hat, treibt viele Menschen um. Lesen Sie dazu: Corona-Impfpflicht: Söders Vorstoß sorgt für heftigen Streit

Doch auch wenn alle Hoffnung auf ein Ende der Pandemie derzeit auf den passenden Vakzinen liegen - viele andere Impfstoffe sind mindestens genauso wichtig. Denn Impfungen gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen, um sich vor einer ansteckenden Krankheit zu schützen. Lesen Sie auch: Corona-Podcast mit Ciesek: Schluss mit den Impfstoff-Mythen

Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen, die sich nicht impfen lassen können. Die Verbreitung von Infektionskrankheiten wird verringert oder im besten Fall gestoppt. Auch interessant: Diese Rolle spielt die Corona-Impfung am Arbeitsplatz

Impfungen gelten als die wirksamste Maßnahme zur Eindämmung von Infektionskrankheiten - nicht nur in der Corona-Epidemie.
Impfungen gelten als die wirksamste Maßnahme zur Eindämmung von Infektionskrankheiten - nicht nur in der Corona-Epidemie. © dpa

Doch welche Impfungen sind in Deutschland überhaupt verpflichtend? Welche Schutzimpfungen werden empfohlen? Was müssen Reisende beachten? Und wie läuft die Debatte über eine Corona-Impfpflicht? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Für welche Impfungen gilt in Deutschland eine Impfpflicht?

In Deutschland gilt seit dem 1. März 2020 eine Masern-Impfpflicht für Kinder, bestimmte Berufsgruppen und Asylbewerber. Das Masernschutzgesetz sieht vor, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bei Eintritt in Kindergarten oder Schule oder bei Betreuung durch eine Kindertagespflegeperson eine Masern-Impfung vorweisen müssen, heißt es dazu auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums.

Eine Impfpflicht besteht bislang nur bei Masern

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    Auch wer in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig ist - etwa Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal - muss sich gegen Masern impfen lassen. Zudem müssen Asylbewerber spätestens vier Wochen nach der Aufnahme in einer Gemeinschaftsunterkunft den Impfschutz nachweisen. Auch interessant: Forscher entschlüsseln die gefährlichen Folgen von Masern

    Nicht geimpfte Kinder werden von der Betreuung ausgeschlossen. Für Kinder, die zwar nicht geimpft sind, sich aber schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in Betreuung befanden, gilt eine Nachholfrist bis zum 31. Juli 2021.

    Wer sich als Erwachsener der oben genannten Berufsgruppen weigert, sich impfen zu lassen, und nicht nachweisen kann, die Krankheit bereits überstanden zu haben, darf keine Tätigkeit in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen aufnehmen.

    Eine weitere Besonderheit stellt in Deutschland die Gruppe der Berufsoldaten dar. Im Soldatengesetz fällt der Begriff "Impfpflicht" zwar nicht, de facto müssen sich Soldaten aber bestimmten Impfungen unterziehen.

    "Das bedeutet, dass jeder in der Truppe, die für die jeweils bestehende Einsatzoption vorgeschriebenen Impfungen dulden muss, um die geforderte Einsatzbereitschaft auch ständig sicher zu stellen", heißt es dazu etwa auf der Internetseite der Bundeswehr.

    Was passiert, wenn man die Masern-Impfpflicht missachtet?

    Wer sein Kind nicht impfen, aber in Kindergärten oder von Tagespflegepersonen betreuen lässt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Das Vergehen wird mit einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro geahndet. Auch die Kita-Leitung, die die Betreuung eines ungeimpften Kindes zulässt, kann belangt werden.

    Ein Bußgeld droht zudem Personen der oben genannten Berufsgruppen sowie Asylbewerbern, die sich der Masern-Impfpflicht widersetzen.

    Corona: Impfpflicht für Pflegekräfte - Wie läuft die aktuelle Debatte?

    Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat eine Impfpflicht im Kampf gegen das Coronavirus mehrfach ausgeschlossen. "Die Bundesregierung hat klar gesagt, dass es keine Pflicht zur Impfung gegen Corona geben wird. Das Wort der Bundesregierung gilt", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post".

    CSU-Chef Markus Söder hatte eine Debatte zur Impfpflicht für Pflegekräfte losgetreten. Wenn man höre und lese, dass sich wenige Pflegekräfte impfen lassen wollten, müsse der Ethikrat über ein solches Vorgehen zumindest diskutieren, hatte der bayerische Ministerpräsident argumentiert.

    Der Deutsche Ethikrat hatte bereits im November in einem Positionspapier eine allgemeine Impfpflicht aus ethischen Gründen abgelehnt. Das Gremium habe aber auch erklärt, dass unter bestimmten Umständen über eine "bereichsbezogene Impfpflicht" nachzudenken sei, erläuterte die Ethikrats-Vorsitzende Alena Buyx in den ARD-"Tagesthemen".

    In die Front von Kritikern des Söder-Vorstoßes reihte sich auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ein. Die Zahlen zur Impfbereitschaft der Pflegekräfte seien nicht repräsentativ, "vor Ort" bekomme man mit, "dass die Impfbereitschaft da ist", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

    Einer für die "Bild"-Zeitung geführten Umfrage des Insa-Instituts zufolge ist eine knappe Mehrheit der Deutschen für eine Impfpflicht für das Pflegepersonal. 51 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, 31 Prozent dagegen.

    Welche Impfungen empfiehlt die Stiko im Allgemeinen?

    In Deutschland gibt die vom Gesundheitministerium berufene Ständige Impfkommission (Stiko) Empfehlungen über Impfungen heraus. Bei der Stiko handelt es sich um ein unabhängiges Expertengremium. Auch interessant: Stiko-Chef: Corona-Impfung der Bevölkerung dauert bis 2022

    Die Kosten für die von der Stiko empfohlenen Impfungen tragen die Krankenkassen. Gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch darauf.

    Im Impfpass werden alle Impfungen eines Patienten eingetragen.
    Im Impfpass werden alle Impfungen eines Patienten eingetragen. © dpa

    Für Säuglinge, Kinder und Jugendliche empfiehlt die Stiko folgende Impfungen:

    • Rotaviren
    • Hepatitis B
    • Diphtherie
    • Tetanus (Wundstarrkrampf)
    • Poliomyelitis (Polio, Kinderlähmung)
    • Haemophilus influenzae Typ b (Hib)
    • Pertussis (Keuchhusten)
    • Masern
    • Mumps (Ziegenpeter)
    • Röteln
    • Varizellen (Windpocken)
    • Pneumokokken (Bakterien, die Gehirnhaut- und Lungenentzündungen auslösen können)
    • Meningokokken C (Bakterien, die Gehirnhautentzündungen auslösen können)

    Mädchen und Jungen zwischen 9 und 14 Jahren sollten sich laut Stiko zudem gegen humane Papillomviren (HPV, Auslöser von HPV-bedingten Krebsarten) impfen lassen.

    Auch für Erwachsene empfiehlt die Stiko eine Reihe von Impfungen:

    • Poliomyelitis (Polio, Kinderlähmung), Regelimpfung bei nicht grundimmunisierten Erwachsenen und Personen ohne einmalige Auffrischimpfung)
    • Masernimpfung für alle Erwachsenen, die nach 1970 geboren sind und nicht bzw. in der Kindheit nur einmal gegen Masern geimpft wurden

    Zudem sind für einige Impfungen laut Stiko regelmäßige Auffrischungen (alle zehn Jahre empfohlen) nötig und sinnvoll:

    • Diphtherie
    • Tetanus (Wundstarrkrampf)
    • Pertussis (Keuchhusten)
      (bei der nächsten fälligen Impfung gegen Diphtherie und Tetanus)

    Zusätzlich nimmt die Stiko ältere Menschen in den Blick und empfiehlt allen Personen über 60 Jahren folgende Schutzimpfungen:

    • Influenza (Grippe)
    • Pneumokokken (Bakterien, die Lungenentzündungen auslösen können)
    • Herpes zoster (Gürtelrose)

    Coronavirus und Grippe im Vergleich

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      Eine Besonderheit bilden darüber hinaus Menschen, die etwa aufgrund ihres Alters, bestimmter Erkrankungen oder wegen ihres Berufs zu Risikogruppen gehören. Ihnen und ihren Angehörigen empfiehlt die Stiko, sich gegen folgende Erreger impfen zu lassen:

      • Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
      • Haemophilus influenza Typ b (Hib)
      • Hepatitis A und B
      • Herpes zoster (Gürtelrose)
      • Influenza (Grippe)
      • Meningokokken
      • Pneumokokken (Bakterien, die Lungenentzündungen auslösen können)
      • Röteln
      • Tollwut
      • Varizellen (Windpocken)
      • Mumps
      • Pertussis (Keuchhusten)
      • Poliomyelitis (Polio, Kinderlähmung)

      Wie gehen andere Länder mit der Impfpflicht um?

      Deutschland geht mit verpflichtenden Impfungen sehr zurückhaltend um. Begründet wird dies häufig mit dem im Grundgesetz verankerten Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dieses Recht ist in Artikel 2 der Verfassung verankert.

      Andere europäische Länder halten es dagegen sehr viel rigoroser mit der Impfpflicht. Während in Deutschland Impfungen bis auf die Masern-Impfung völlig freiwillig sind, müssen beispielsweise Kinder in Frankreich einen umfangreichen Impfschutz vorweisen, bevor sie Kita oder Schule besuchen dürfen. Impfpflicht besteht dort für folgende Erreger:

      • Masern
      • Keuchhusten
      • Röteln
      • Mumps
      • Hepatitis B
      • Tetanus
      • Diphtherie
      • HIP (Haemophilus Influenzae)
      • Pneumokokken
      • Meningokokken
      • Polio

      Ähnliche Regelungen gibt es laut einer Informationsseite der deutschen Bundeswehr in 13 europäischen Staaten.

      Pflichtimpfungen für Reisende: Welcher Impfschutz ist nötig?

      Wer reist und vor allem tropische Länder besucht, weiß, dass es für die Einreise in bestimmte Länder verpflichtende Impfungen gibt. Die bekannteste vorgeschriebene Impfung ist die Gelbfieberimpfung. Zu ihr gibt es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine ständig aktualisierte Liste von Ländern, die einen Impfschutz vorschreiben – ohne ist eine Einreise dort nicht möglich.

      Auch andere Impfungen können gesetzlich vorgeschrieben sein. In den vergangenen Jahren war das vor allem die gegen Kinderlähmung (Polio). "Diese Impfempfehlung soll verhindern, dass die Krankheit in andere Länder exportiert wird", erklärt Michael Ramharter, Leiter der Klinischen Forschung am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

      Eine andere Pflichtimpfung ist die Meningokokken-Impfung bei Pilgerreisen zum Hadsch oder zur Umra nach Saudi-Arabien.

      Ende letzten Jahres sorgte die australische Fluggesellschaft Qantas für Schlagzeilen, weil sie eine Corona-Impfpflicht für Passagiere ankündigte: Ohne Impfung kein Ticket. Sollte das Beispiel Schule machen, werden Fernreisen praktisch nur mit Impfung möglich sein.

      Was sind die wichtigsten empfohlenen Impfungen für Reisen?

      „Zunächst einmal sollte die Grundimmunisierung mit all den Impfungen, die auch in Europa wichtig sind, geprüft und dann gegebenenfalls aufgefrischt werden“, rät Michael Ramharter.

      Für die unterschiedlichen Länder gibt es spezifische Empfehlungen. Bei fast allen Fernreisen notwendig ist der Schutz gegen Hepatitis A. Diese Leberentzündung kommt vor allem in Ländern mit schlechten hygienischen Bedingungen vor. „Hepatitis B ist vor allem bei Risiko- und Langzeitaufenthalten empfohlen“, sagt Ramharter.

      Eine Typhusimpfung zu haben, ist vor allem in Süd- und Südostasien sowie bei längeren Aufenthalten in Afrika und Südamerika ratsam. Die Impfung gegen Meningokokken ist wichtig für Menschen, die in die Sahelzone Afrikas reisen – aufgrund des häufigen Auftretens der Bakterien dort wird die Region auch Meningokokken-Gürtel genannt.

      Die Tollwutimpfung ist eine Impfung, die sich je nach Land besonders bei Menschen empfiehlt, die lange oder häufig unterwegs sind. Die Grippeimpfung ist in der Grippesaison sinnvoll.

      Für Teile Deutschlands sowie europäische und manche asiatischen Reiseziele ist eine Impfung gegen die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) eine wichtige Reiseimpfung. Die Impfung gegen Japanische Enzephalitis ist in Südostasien für Langzeitaufenthalte oder Personen, die häufig dorthin fliegen, nützlich. (mit dpa)