Washington. Senator Bernie Sanders sieht manche Politikfelder im US-Wahlkampf von Joe Biden nicht genug vertreten. Er empfiehlt Biden eine Allianz.
Mitte August schrieb das den US-Demokraten wenig zugetane Kommentariat des „Wall Street Journal” über den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, er habe keine „klar definierte Agenda” und kein Politikversprechen, dass „eindeutig seins” sei. Stattdessen werde der 77-Jährige im Falles eines Sieges gegen Donald Trump Erfüllungsgehilfe der progressiven Linken um deren Ikone Bernie Sanders. „Biden”, so das Blatt, „wird Bernies Träume umsetzen.”
Folgt man dem Denkmuster, das angesichts der zentristischen, moderaten Linie, die Biden seit Jahrzehnten auszeichnet, fragwürdig ist, gibt es für Sanders offenbar Anlass zur Sorge. Privat hat der Senator aus Vermont in den vergangenen Tagen massiv davor gewarnt, dass der in Umfragen national wie auch in entscheidenden Bundesstaaten beständig führende Biden im November einen Sieg gegen Trump verspielen könnte, wenn er seinen Wahlkampf nicht zielgenauer ausrichtet und damit Euphorie erzeugt.
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Darunter versteht Sanders vor allem ein klareres Politik-Angebot an junge Wählerinnen und Wähler (die in den Vorwahlen in überwältigender Zahl für Sanders gestimmt hatten), Latinos (die etwa in Florida laut Umfragen gerade ins Trump-Lager übersiedeln) und Progressive (die sich wünschen, dass Biden mehr über die Vorzüge eines solidarischen Gesundheitssystems und den ehrgeizigen Umwelt-Pakt „green new deal” spricht).
Bernie Sanders sieht Politikfelder nicht aggressiv genug vertreten
Sanders` Weckruf, über den „New York Times” und „Washington Post” unter Berufung auf Insider berichten, hat Aufsehen erregt. Bisher hatte sich Bidens hartnäckigster Konkurrent um die Kandidatur, der 2016 bereits gegen Hillary Clinton intern das Nachsehen hatte, den gesamten Sommer über zurückgehalten und sich hinter der Nr. 1 versammelt. Lesen Sie auch: Hillary Clinton über Bernie Sanders: „Niemand mag ihn“
Inzwischen sieht Sanders Politikfelder, die links der Mitte Wähler anziehen könnten, von Biden als nicht aggressiv genug vertreten an. Während Sanders für einen linken Wirtschafts-Populismus wirbt, der den Einfluss von Groß-Konzernen, Wall Street und Super-Reichen limitiert und Mittelschicht wie Arbeiterklasse aufwerten will, hat Biden bisher programmatische Festlegungen vermieden. Sein latent Anti-Globalisierungs-Aspekte aufweisender Plan sieht dagegen, ähnlich wie bei Trump, unter dem Motto „Buy American” Investitionen in Produktion und Jobs in den USA vor.
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Schwer verdaulich dürfte für Biden der Vorschlag Sanders` sein, gemeinsam mit Alexandria Ocasio-Cortez, kurz „AOC”, auf die Wahlkampf-Bühne zu gehen. Die aufstrebende Kongress-Abgeordnete aus New York, Wortführerin des linken Parteiflügels, könnte „Hunderttausende Stimmen gerade in jüngeren Wählerschichten binden”, würde Biden sie „aktiv mit ins Boot nehmen”, sagen demokratische Parteistrategen.
Alexandria Ocasio-Cortez könnte bei hispanisch-stämmigen Wählern punkten
Auch in der zahlenmäßig stetig wachsenden Gemeinde hispanisch-stämmiger Wähler, die in Bundesstaaten wie Florida, Arizona, North Carolina und Pennsylvania erhebliches Gewicht haben, könne eine Allianz mit der Latina Ocasio-Cortez Pluspunkte bringen.
Allerdings hat Biden bisher noch keine Anstalten gemacht, die 30-Jährige wirklich einzuspannen. Zwei Gründe: Die Meinungsunterschiede zwischen beiden sind erheblich. Nur ein Beispiel: „AOC” will die umstrittene Fracking-Methode bei der Gewinnung von Gas und Öl aus Umweltgründen verbieten lassen.
Biden glaubt sich das in Energie-Bundesstaaten wie Pennsylvania, die bei der Wahl am 3. November das Zünglein an der Waage spielen, nicht erlauben zu können. Abgesehen davon wartet das Trump-Lager nur darauf, Biden als „Trojanisches Pferd” für die Partei-Linke brandmarken zu können. Die Republikaner verbinden mit „AOC” Sozialismus und Staatshörigkeit. Hintergrund: US-Wahl – Das sind die wichtigsten Termine
Offiziell wiegelt Sanders ab, nennt die Medienberichte unzutreffend und betont, Biden sei in einer „starken Position”, die Wahl zu gewinnen. Zeitgleich geht der nach europäischen Standards dezidiert sozialdemokratische Politik vertretende Sanders ins US-Fernsehen und sagt, es reiche nicht aus, wenn Bidens Kampagne vorwiegend Trump angreife und sich so vom Amtsinhaber die Agenda diktieren lasse.
Der Alt-Vizepräsident müsse mehr über soziale Schlüsselthemen wie die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde, preisgünstigere Medikamente und einfacheren Zugang zum Krankenversicherungssystem reden, um Wähler links der Mitte anzusprechen, sagte Sanders und nannte die aus seiner Sicht größte Gefahr für den 3. November: Dass potenziell für die Demokraten erreichbare Wähler aus Gleichgültigkeit zuhause bleiben.
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