Berlin. Wegen Corona unterbrechen 220.000 Zuwanderer und Flüchtlinge den regulären Unterricht. Experten warnen vor Folgen für Integration.

Kitas laufen im Notbetrieb, die Schulen sind geöffnet, aber der normale Unterricht fällt flach. Die Pandemie hat das Bildungssystem fest in der Hand. Das gilt auch für Kurse für Zuwanderer und Geflüchtete. Derzeit unterbrechen nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rund 220.000 Zuwanderer in Deutschland ihre Kurse zur Integration. 140.000 davon belegen einen allgemeinen Integrationskurs, 80.000 einen speziellen Berufssprachkurs.

Viele dieser Sprachkurse finden in Volkshochschulen oder Räumen von privaten Trägern von Kursen statt. Doch die Länder erlauben in den meisten Fällen noch keinen Unterricht in den Klassenzimmern. Viele Volkshochschulen bleiben geschlossen.

Davon seien auch Flüchtlinge betroffen, von denen viele „hoch motiviert“ seien, bald einen Beruf aufzunehmen, um ihren eigenen Unterhalt zu sichern, sagte Uta Saumweber-Meyer, Bamf-Abteilungsleiterin „Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt“, unserer Redaktion. „Wenn wir nicht personell und finanziell die Integrationsbemühungen auch in Zeiten der Pandemie aufrechterhalten, droht eine große Gruppe von Zuwanderern, vor allem Flüchtlinge, beim Ankommen in Deutschland zu scheitern.“

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Experten warnen: Flüchtlinge bleiben Monate ohne Unterricht in Klassenzimmern

Bei einem längeren Stopp von Integrationsmaßnahmen würden die Flüchtlinge laut Bamf weniger schnell Anschluss an die deutsche Gesellschaft und an den Arbeitsmarkt finden. „Dies würde sowohl den Menschen selbst als auch Deutschland schaden“, sagte Saumweber-Meyer.

Ähnliches erwartet auch der Verband der Volkshochschulen (DVV). Manche Zugewanderte oder Geflüchtete könnten bald schon vier oder fünf Monate kein Klassenzimmer gesehen haben, sagt Kay Sulk, Sprecher des Bundesarbeitskreises Sprachen und Integration beim DVV. „Das wird Spuren hinterlassen bei diesen Menschen. Da sind Lernfortschritte schnell verpufft.“

Unklar ist, wann der reguläre Unterricht in Klassenzimmern aufgrund der Pandemie fortgesetzt werden kann. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zur Förderung der Integrationskurse auch in Zeiten der Pandemie nach eigenen Angaben rund 40 Millionen Euro aus dem aktuellen Haushalt investiert, damit die Zeit der Unterbrechungen der Integrationskurse durch digitale Angebote überbrückt werden kann.

7000 Online-Tutorials und Unterricht per Videokonferenz

Demnach sind bereits rund 7.000 Online-Tutorien und sogenannte „Virtuelle Klassenzimmer“ mit Unterricht über Videokonferenzen genehmigt worden. „Aktuell lernen so fast 83.000 Zuwanderer digital“, sagte Abteilungsleiterin Uta Saumweber-Meyer. Zudem hätten bereits rund 1000 Träger von Integrations- und Sprachkursen Hilfe aus dem Sozialschutzpaket der Bundesregierung beantragt.

Allerdings: Bisher hat keiner der Träger wie etwa die Volkshochschulen in den Bundesländern das Geld erhalten. Die Lehrkräfte sind voll auf das Überbrückungs-Budget des Bamf angewiesen. Im Bundesamt rechnet man jedoch damit, dass bis Pfingsten die ersten Träger von den staatlichen Hilfen profitieren.

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    In den Tutorien arbeiten die Flüchtlinge an den gleichen Aufgaben wie in den Kursen in den Klassen – Grammatikübungen, Lückentexte, Sprechtraining. Die „virtuellen Klassenzimmer“ der Berufssprachkurse sollen wie der Unterricht in einem gewöhnlichen Kurs vor Corona-Zeiten funktionieren – nur eben per Videokonferenz.

    „Bei allen gravierenden Einschnitten durch die Coronakrise wollen wir eines in dieser Zeit erreichen: einen Schub für das digitale Lernen auch im Bereich der Integration“, so das Bundesamt. Es zahlt nach eigenen Angaben ein Budget an die Träger, sodass sich eine Lehrkraft täglich zwei Stunden die Schülerinnen und Schüler bei den digitalen Lernangeboten betreuen kann.

    Volkshochschulen warnen: Kosten für Integrationskurse können sich verdoppeln

    Bisher zahlt das Bamf die Kosten der Krise aus aktuellen Mitteln, die ohnehin im Haushalt eingeplant waren. Aus Sicht von Kay Sulk von den Deutschen Volkshochschulen wird das nicht ausreichen. „Wir werden nicht daran vorbeikommen, die Kurse neu und möglichst rasch unter den derzeitigen Rahmenbedingungen aufzustellen“, sagte Sulk.

    Wie in den Schulen müssten die Klassen für die Zuwanderer und Flüchtlinge geteilt werden – etwa um Abstandsgebote einzuhalten. „Das bedeutet aber auch: eine drastische Erhöhung, vielleicht Verdopplung der Kosten“, sagte Sulk. Hier sei die Politik gefordert, den Etat des Bundesamtes entsprechend aufzustocken. Nur so könne der Auftrag des Staates zur Integration von Geflüchteten umgesetzt werden.

    Die digitale Offensive durch das Bamf begrüßt der Volkshochschulverband. Zugleich sieht Sprecher Sulk Grenzen. „Ein virtuelles Klassenzimmer funktioniert für manche passabel, für viele aber nicht, und schon gar nicht auf Dauer.“ Gerade Menschen mit niedrigem Sprachniveau oder Alphabetisierungsbedarf könnten über diese digitalen Lernmethoden nicht erreicht werden.

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