Paris. Frankreichs Gewerkschaften haben sich mit einem Streik gegen Macrons Rentenreform gewehrt. Auch andere machen ihrem Ärger nun Luft.

„Rien ne va plus“ (Nichts geht mehr) hieß es am Donnerstag in Frankreich. Mit einem Generalstreik gelang es den Gewerkschaften, das Land weitestgehend zum Stillstand zu bringen.

Während teilweise bis zu 90 Prozent des Zug-, Metro- und Busverkehrs ausfiel und ein Drittel aller Flüge gestrichen werden mussten, blieben gleichzeitig zahlreiche Schulen, Behörden sowie Krankenhäuser geschlossen, weil ein großer Teil der Beamten und Angestellten der öffentlichen Dienste an dem Ausstand teilnahm. In mehr als 120 Städten fanden zudem ab dem Mittag Protestkundgebungen statt, an denen sich Zehntausende Menschen beteiligten.

Zumindest im öffentlichen Nah- und Fernverkehr soll auch Freitag sowie am Wochenende weitergestreikt werden. Die Gewerkschaften drohen sogar, das Land „notfalls bis Weihnachten“ zu lähmen, falls Präsident Emmanuel Macron eine von ihm geplante Rentenreform nicht zurückzieht.

Generalstreik in Frankreich: Reform noch nicht beschlossen

Protestkundgebungen finden unter anderem in Paris statt.
Protestkundgebungen finden unter anderem in Paris statt. © Reuters | GONZALO FUENTES

Eine Reform wohlgemerkt, die noch gar nicht auf dem Tisch liegt, da die Details nach wie vor Gegenstand von Verhandlungen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern sind. Doch das, was bislang bekannt wurde, reicht allemal, um die Reformverweigerer auf die Palme zu bringen.

Kern der Pläne ist die schrittweise Anhebung der Beitragszahlungen auf 43 Jahre sowie die Einführung eines Punktekontos, das für jeden in die Rentenkasse eingezahlten Euro den gleichen Rentenanspruch garantiert. Dieses neue und einheitliche Punktesystem läuft auf die Abschaffung der derzeit rund 42 bestehenden Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen im öffentlichen Dienst hinaus.

So profitieren Eisenbahner, die Angestellten der Pariser Verkehrsbetriebe, Polizisten, Soldaten, Lehrer oder die Schauspieler der National-Theater von individuellen Regelungen, die ihnen höhere Pensionen und ein frühes Renteneintrittsalter zwischen 52 und 57 Jahren bescheren.

Franzosen wollen nicht die Verlierer sein

Dass sich so gut wie keines dieser „privilegierten“ Rentensysteme selbst finanziert (bei der Staatsbahn etwa decken die Beiträge nur ein Drittel der Ausgaben für die Rentenempfänger) und dass sie jährlich vom Steuerzahler mit acht Milliarden Euro bezuschusst werden müssen, macht ihre Abschaffung sogar recht populär. Jedenfalls in den Augen von jenen 78 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, die von der „normalen“ und keineswegs defizitären Rentenkasse abhängt.

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Frankreich geht auf die Straße.
Frankreich geht auf die Straße. © Reuters | Benoit Tessier

Auf der anderen Seite gilt jedoch, dass Frankreichs Gewerkschaften allein in den öffentlichen Diensten stärker vertreten sind und sich schon deswegen als deren Interessenvertreter verstehen. Wobei freilich alle Franzosen die von jedem Blick über die Landesgrenzen angeheizte Befürchtung umtreibt, dass sie bei einer Rentenreform nur verlieren können. Schließlich beziehen sie nicht nur vergleichsweise hohe Renten (durchschnittlich mehr als 1600 Euro), sondern können mit 62 Jahren auch früher als andere in den Ruhestand gehen.

Vier verschiedene Protestbewegungen machen Macron zu schaffen

Zusammen mit ihrer überdurchschnittlichen Lebenserwartung führt das trotz einer günstigen demografischen Entwicklung dazu, dass Frankreich mit 14 Prozent seiner Wirtschaftsleistung weitaus mehr für die Finanzierung der Renten aufwenden muss als die meisten anderen OECD-Länder.

Tränengas zum einjährigen Jubiläum der Gelbwesten

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    Macron hatte zwar schon während des Präsidentschaftswahlkampfs angekündigt, dass er dem heißen Thema Rentenreform nicht aus dem Weg gehen werde. Aber er bekommt es in diesen Tagen gleich mit vier verschiedenen Protestbewegungen zu tun.

    Neben den Gegnern der Rentenreform nämlich wollen auch die Studenten (jeder fünfte Studierende lebt in Frankreich unter der Armutsgrenze) und das Krankenhauspersonal (wegen ständiger Mittelkürzungen trotz stetig steigender Patientenzahlen) ihrem Unmut Luft machen, während gleichzeitig der harte Kern der Gelbwesten hofft, das sozial angespannte Klima für ein Comeback nutzen zu können.

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