Berlin. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer wird für Aussagen übers Rezo-Youtube-Video heftig kritisiert. Und das auch heftig aus den Union-Reihen.

Nach der heftigen Kritik an ihren Äußerungen zur „Meinungsmache“ im Internet hat die CDU- Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihr Vorgehen als Debattenanstoß verteidigt und sich über die Härte der Angriffe gegen sie beklagt.

Beim Karlspreis-Forum in Aachen sagte Kramp-Karrenbauer am Mittwoch, man könne nicht der CDU über Jahre vorwerfen, sie sei „zu lahm und bequem geworden“ und stoße keine Kontroversen an – „und dann stoßen wir mal Kontroversen an und dann heißt es, oh Gott, jetzt wird alles verraten und verkauft.“

Es gehe um Fragen neuer Kommunikation und Meinungsbildung, über die auch ihre Partei diskutieren müsse. Jetzt werde die Diskussion in einer Art und Weise geführt, „wo man schon fast Angst hat, gewisse Wortkombinationen in den Mund zu nehmen, weil daraus immer eine große Empörung entsteht, die es verhindert, dass man um den Kern der Sache debattiert.“

Kramp-Karrenbauer bekräftigte, die Unterstellung, sie wolle die Meinungsfreiheit einschränken, sei „absurd“. Es gehe auch nicht um rechtliche Regulierungen.

AKK nach Wahl-Verlust und Rezo-Video: Schwächen beim Klimaschutz eingeräumt

Die CDU-Chefin räumte zugleich in überraschender Deutlichkeit inhaltliche Schwächen ihrer Partei beim Klimaschutz ein – jenem Punkt, den der Youtuber Rezo in seinem umstrittenen und von Kramp-Karrenbauer kritisierten Video besonders für Angriffe gegen die CDU benutzt hatte.

Die CDU habe im Europa-Wahlkampf „noch nicht konkrete Antworten geben“ können, sagte Kramp-Karrenbauer. „Wir waren an dieser Stelle im Wahlkampf nicht wirklich sprechfähig“. Die CDU habe das Thema Klimaschutz in den letzten Monaten und Jahren „nicht so vorangetrieben, dass wir zu dieser Debatte schon verlässliche Antworten haben“. Daran werde jetzt mit erhöhtem Druck gearbeitet.

Die Parteichefin fügte hinzu: „Ohne wirklich überzeugende Vorschläge können sie keinen proaktiven Wahlkampf machen. Da sind sie immer in der Defensive. Das hat man gespürt.“ In einer Volkspartei wie der CDU gehe es darum, die unterschiedlichen Interessen und die sozialen Folgen beim Klimaschutz zu berücksichtigen.

AKK nach dem Rezo-Video: Horst Seehofer ruft zu Gelassenheit auf

In der Debatte um das Youtube-Video von Rezo nach den Aussagen von „AKK“ zu Regeln für Meinungsvideo hat sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geäußert – und sie zu Gelassenheit aufgerufen.

„Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt werden wir alle in der CDU immer verteidigen“, sagte Kramp-Karrenbauer am Dienstag in Berlin. Sie fügte hinzu: „Gerade in kontroversen Zeiten, etwa im Wahlkampf, tragen wir alle dafür eine Verantwortung, wie wir miteinander diskutieren und wie sich politische Meinung bildet.“

Auf das Video von Rezo, in dem es um die CDU ging – und warum man sie nicht wählen – hatte Kramp-Karrenbauer unter anderem damit reagiert, dass sie sagte, man müsse eine öffentliche Diskussion über politische Meinungsmache führen.

AKK: Seehofer findet Youtuber gut – und findet einige Reaktionen hilflos

Dass AKK über ihr Ziel hinausschießt, empfindet offenbar auch Horst Seehofer (CSU) so: „Nicht jeder Beitrag eines Youtubers sollte gleich den Weltuntergang bedeuten“, viel wichtiger sei, „dass man in dem zentralen Thema Klimaschutz handelt, als sich mit einem Video pausenlos auseinanderzusetzen“, sagt er dem „ARD-Hauptstadtstudio“.

AKK und Rezo: Horst Seehofer findet Meinungen bei Youtube gut.
AKK und Rezo: Horst Seehofer findet Meinungen bei Youtube gut. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Der Bundesinnenminister billigte den Youtubern zu, zur Bewussteins- und Meinungsbildung beizutragen. Und appellierte: „Lasst doch das Leben dort gedeihen von den Youtubern.“ Man habe jahrelang darüber diskutiert, dass die Leute sich zu wenig an der Politik beteiligten und zu wenig interessierten, so Seehofer: „Und jetzt, wo das etwas dynamisch läuft, sind alle gleich wieder erschrocken. Zum Teil sogar hilflos.

Nach der Äußerung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer haben bereits mehrere Zehntausend Bürger eine Petition für Meinungsfreiheit unterzeichnet. Online übrigens.

AKK und Rezo-Video: Digitalministerin mahnt, nicht aus Erstaunen zu übersteuern

Digital-Staatsministerin Dorothee Bär sah sich im Zuge der Diskussion veranlasst, die Meinungsfreiheit im Netz zu betonen. „Youtube-Videos stellen keine Bedrohung dar, wenn dann Fake News oder gezielte Manipulation aus dem Ausland“, sagte die CSU-Politikerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Wir müssen aber aufpassen, dass wir aus Erstaunen darüber, welche Wucht Diskussionen im Netz entfalten, nicht meinen, übersteuern zu müssen“, erläuterte Bär – nicht offiziell in Richtung AKK, aber doch offensichtlich ihre Äußerungen betreffend. „Die Meinungsfreiheit ist auch im Netz ein hohes Gut.“

Zum Umgang von AKK und ihrem Führungszirkel mit dem Rezo-Video äußerte sich auch CDU-Vize Armin Laschet: „Da kann man schlauer werden als wir das in den vergangenen Tagen waren.“ Er bekannte sich zur Meinungsfreiheit. Möglicherweise ist sein Konter berechnet: Laschet habe auch eigene Interessen, ist in der CDU zu hören, eigentlich halte er sich für den besseren Parteichef – und womöglich auch für den besseren Kanzlerkandidaten.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat mit Spott auf Bemerkungen der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer über politische „Meinungsmache“ im Netz reagiert. „Du lieber Himmel, Politik steht doch nicht unter Naturschutz“, sagte der SPD-Politiker unseren Zeitungen. „Die Meinungsfreiheit gilt auch im Netz. Mit der SPD ist so etwas sicher nicht zu machen.“ Weil rief zu einer Politik auf, die berechtigte Kritik an der Klimaschutzpolitik widerlege.

Kritik von Parteikollege Oettinger: Antwort hätte schneller kommen müssen

EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat den Umgang der CDU mit dem 55-Minuten-Clip kritisiert und fordert eine Verjüngung seiner Partei. „Cool und jung ist keine schlechte Kombination“, sagte Oettinger (65) der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Die langatmige Abwehrreaktion der CDU sei ein Fehler gewesen. „Es geht um Schnelligkeit.“ Die Partei müsse nun alles tun, um auch junge Köpfe in politische Funktionen zu bekommen. „Die 14- bis 30-Jährigen interessieren sich für andere Inhalte und beherrschen die neuen Kommunikationstechniken besser als die über 60-Jährigen“, sagte Oettinger.

AKK, Rezo und die Meinungsfreiheit – was will die Parteichefin?

Am Montag hatte CDU-Chefin Annegret Kamp-Karrenbauer einen Shitstorm ausgelöst. Sie sprach über das Video von Rezo, Youtuber, der kurz vor der Abstimmung ein Video veröffentlicht hatte, in dem er mit der CDU abrechnet. Welche Fehler die Partei mache, welche wissenschaftlichen Fakten die CDU ignoriere.

Die Parteichefin reagierte nach der Wahl mit Sätzen, die schnell Wellen schlugen. Sie bezog sich dabei auch auf ein zweites Rezo-Video, in dem auch 70 weitere Youtuber ihre Fans dazu aufriefen, nicht für die CDU oder SPD (und erst recht nicht die AfD) zu stimmen.

Rezo und die CDU: Wohl vorerst weiter keine Freunde.
Rezo und die CDU: Wohl vorerst weiter keine Freunde. © dpa | -

Die Parteichefin erklärte, sie würde gern mal sehen, was los wäre, wenn 70 Redaktionen dazu aufriefen, bestimmte Parteien nicht zu wählen. Und ergänzte, man müsse darüber reden, „was sind Regeln aus dem analogen Bereich, und welche Regeln gelten auch für den digitalen Bereich?“.

Das wurde Annegret Kramp-Karrenbauer von vielen bei Twitter und Facebook schnell als Aufruf zum Maulkorb vorgeworfen. AKK wolle die Meinungsfreiheit beschränken, schimpften viele. Einige sahen in ihren Äußerungen den versteckten Willen, die Demokratie abzuschaffen. Viele wunderten sich auch, wie sie Redaktionen mit Youtubern gleichsetzen könne.

Virales Video- So rechnet der YouTuber Rezo mit der CDU ab

weitere Videos

    AKK twittert – und irritiert viele Leser noch weitaus mehr

    Die Kommentare kamen auch bei der Parteichefin an. Am Abend twitterte sie, es sei „absurd, mir zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen“. Weiter erklärt sie, „Meinungsfreiheit ist hohes Gut in der Demokratie. Worüber wir aber sprechen müssen, sind Regeln, die im Wahlkampf gelten.“

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Genau daran stören sich allerdings auch in den Kommentaren unter dem Post viele. Denn: Warum sollte ein Youtuber vor einer Wahl nicht seine Meinung kundtun dürfen?, fragen sie.

    „Wenn einflussreiche Journalisten oder #Youtuber zum Nichtwählen oder gar zur Zerstörung demokratischer Parteien der Mitte aufrufen, ist das eine Frage der politischen Kultur“, erläuterte AKK weiter in einem zweiten Tweet. „Es sind gerade die Parteien der Mitte, die demokratische Werte jeden Tag verteidigen.“ Beide Posts sind mit dem Hashtag #Rezo versehen.

    Nutzer fragen, ob AKK Rezos Intention verstanden hat

    Viele Nutzer wiesen in den Kommentaren auch umgehend darauf hin, dass AKK den Sinn des Videos nicht begriffen habe. Es gehe nicht um einen Aufruf zur Zerstörung der CDU: „Der Titel soll implizieren, dass das Video Inhalte enthält, die geeignet sind, die Union (-argumentativ-) zu zerstören, was ja auch ganz gut gelungen ist“, schrieb @TheJeed.

    Tatsächlich geht es Rezo in seinen Aussagen vor allem auch darum, aufzuzeigen, dass die Partei sich selbst zerstöre. Zudem stellt sich die Frage:

    Auch interessant

    Mehrheitlich wird AKK aber in den Kommentaren auf das Recht zur freien Meinungsäußerung hingewiesen. Inwiefern dieses vor Wahlen in Regeln gegossen werden soll, erklärte Kramp-Karrenbauer vorerst nicht. Und

    Auch interessant

    Auch interessant