Berlin. Der Wehrbeauftragte Bartels stellt in seinem Jahresbericht der Bundeswehr ein schlechtes Zeugnis aus. Das sind die größten Baustellen.

Es sind unmissverständliche Worte: Die Personallage der Bundeswehr? „Angespannt.“ Die materielle Lage? „Mangelhaft.“ Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) legt am Dienstag in der Bundespressekonferenz seinen Jahresbericht vor – und stellt der Bundeswehr auf 126 Seiten ein schlechtes Zeugnis aus.

Bartels spricht mit vielen Soldaten, reist ins Ausland, um sich die Einsätze vor Ort anzuschauen.

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In diesem Jahr kritisiert der Anwalt der Soldaten, wie der Wehrbeauftragte auch genannt wird, auch die oft ineffiziente Verwaltung – das „Bürokratiemonster Bundeswehr“. Bartels: „Mir sagen viele Soldaten: ,Wir verwalten uns zu Tode.’“ Er fragt sich: „Wieso sind alle Probleme bekannt, aber lassen sich so schwer lösen?“

Das Fazit des Wehrbeauftragten: „Ich würde gern berichten: Es ist Frühling, alles wird neu. Aber die Wahrheit lautet: Es ist immer noch Winter.“ Das ist auch ein schlechtes Zeugnis für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die seit 2013 im Amt ist. Bartels fordert: „Ein Sofortprogramm wäre gut, man kann auch Befreiungsschlag sagen.“ Am Geld kann es aktuell kaum liegen: „Der Verteidigungshaushalt für 2019 ist gut – mit 43,2 Milliarden Euro fast fünf Milliarden mehr als 2018.“

Das sind laut Jahresbericht die größten Baustellen der Bundeswehr:

• Zu wenig Ausrüstung und kaputte Waffen: Die Mangelliste ist lang. „Die Einsatzbereitschaft von Großgerät“ sei „überwiegend unbefriedigend“. Teilweise seien deutlich unter 50 Prozent der Panzer, Schiffe und Flugzeuge einsatzbereit. Ein Beispiel:

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, heißt es im Bericht. Hubschrauber seien immer noch Mangelware.

• Eine „prekäre Lage“ sieht Bartels immer noch bei der Marine. „Ganze Besatzungen saßen sprichwörtlich auf dem Trockenen.“ Dies habe unmittelbare Auswirkungen auf Motivation und Attraktivität des Berufsbildes. So gab es im zweiten Halbjahr 2018 keinen Tanker – beide Transporter waren wegen Motorschäden nicht einsatzbereit. Auch ein großer Teil der U-Boote fiel 2018 aus. „Vollständig einsatzbereit scheint immer noch keines zu sein.“

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Mangel herrscht auch bei Bekleidung und Ausrüstung. Es gibt zu wenig Nachtsichtgeräte. Und auch bei den Schutzwesten gibt es Engpässe. Ein Beispiel: Sanitätsärzte, die „innerhalb kürzerer Zeiträume immer wieder in den Einsatz kommandiert werden“, müssen ihre Schutzwesten jedes Mal zurückgeben. „Sie haben bei jedem erneuten Einsatz erhebliche Schwierigkeiten, eine Weste in der passenden Größe zu bekommen.“

Besser sieht es mittlerweile bei den Kampfstiefeln aus. Es gibt neue, und sie scheinen den „modernen funktionellen Anforderungen“ gerecht zu werden.

Die größten Pannen bei der Bundeswehr

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    Kaputte Gebäude: „Vom Duschkopf bis zum Hallendach, der Zustand vieler Gebäude ist nach wie vor beklagenswert“, schreibt Bartels in seinem Bericht. Darin ist unter anderem die Rede von Schimmelbefall, Pilzwuchs, kaputten Heizungen und verrostete Wasserhähnen. Zwar ist seit 2015 mehr Geld für Infrastruktur da. Doch zum einen könne „was über Jahrzehnte vernachlässigt wurde“, nicht in drei Jahren aufgeholt werden, so Bartels. Zum anderen sei Bauherr oft nicht die Bundeswehr, sondern der Bund – und auch in den Landesbauverwaltungen fehle es oft an Personal.

    Bartels fasst zusammen: „Sanierung, Umbau, Neubau – alles dauert nach wie vor zu lange.“ Und nennt auch mehrere Negativbeispiele in Sachen Effizienz, etwa: „Beim Panzergrenadierbataillon 411 in Viereck wurden Ende 2017 TV-Geräte, Kühlschränke und Leselampen für die Soldatenstuben angeliefert. Um diese dann in die Stuben zu stellen, brauchte man vor Ort bis April 2018.“ Im April wurden weitere Milliardenverschwendungen bei Bundeswehr entdeckt.

    Personalmangel: Aktuell verfügt die Bundeswehr über 181.000 aktive Soldaten. Aus den unterschiedlichsten Gründen sind laut Bericht 21.500 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren nicht besetzt. „Andere müssen deren Aufgaben miterledigen“, sagt Bartels. Dieses „verbreitete Lückenbüßertum“ belaste das Personal.

    Zu viel Bürokratie: Die Bundeswehr hat die eigene Ineffizienz erkannt – und Reformen angestoßen. Doch viel hat sich aus Sicht der Soldaten noch nicht getan. So gibt es immer noch 1500 verschiedene Formulare bei der Truppe – 2013 waren es noch 2000.

    Im Bericht ist die Rede von einem „Bürokratielabyrinth“, es gebe „sinnlose Arbeitsschritte“. Unnötige Arbeitsaufträge seien „zeitraubend und demotivierend“. Zudem gebe es Ungenauigkeiten, Verkomplizierungen und ein „Verantwortungsmikado“. Der Jagdbomber Tornado ist ein besonders auffälliges Beispiel: Zwölf Dienststellen sind mit dem Flieger befasst. Bartels empfiehlt dringend die „Reduzierung von Bürokratie“.

    • Ein weiteres Problem: Es kommen immer weniger neue Soldaten zur Truppe, nur noch 20.000 im Jahr 2018. Das ist der niedrigste Stand in der Geschichte der Bundeswehr. Bartels mahnt: „Für den lebendigen Austausch mit der Gesellschaft ist das nicht ideal.“ Gleichzeitig wächst die Bundeswehr, weil mehr Soldaten länger dienen, also ihre Zeitverträge verlängern. Somit wird die Bundeswehr immer älter.

    Die festgelegte Quote von 15 Prozent Frauen wird mit 8,3 Prozent weit verfehlt.
    Die festgelegte Quote von 15 Prozent Frauen wird mit 8,3 Prozent weit verfehlt. © imago/photothek | Florian Gaertner/photothek.net

    • Zu wenig Frauen in der Bundeswehr: Die Zahl der Frauen in der Truppe ist ein bisschen gestiegen: 21.931 im Vergleich zu 21.213 im Jahr 2017. Doch die festgelegte Quote von 15 Prozent wird mit aktuell 8,3 Prozent nicht mal annähernd erreicht. In Armeen anderer Länder gibt es laut Bericht einen deutlich höheren Frauenanteil. Hinzu kommt: Spitzenpositionen sind noch weitgehend männlich besetzt. Der Wehrbeauftragte ermuntert Frauen in Uniform, Führungspositionen aktiv anzustreben. Gleichzeitig sollten Vorgesetzte geeignete Soldatinnen von sich aus aktiv fördern. Bartels mahnt, dass eine frauenfreundliche Unternehmenskultur zum Arbeitsalltag gehören müsse.

    • Beim Thema Familienfreundlichkeit, was nicht nur für Frauen wichtig sei, „hat die Bundeswehr inzwischen einiges vorzuweisen und arbeitet daran, noch besser zu werden“, wie es im Bericht heißt. Bartels schlägt unter anderem vor, eine Bundeswehrkaserne nach einer Frau zu benennen. „Dies wäre ein schönes Symbol für die Wertschätzung der Leistungen von Soldatinnen.“

    Mehr sexuelle Belästigung: Im Jahr 2018 wurden 288 Fälle von sexueller Belästigung in der Truppe gemeldet, 2017 waren es 235. Die Erhöhung könnte laut Bericht auch mit einem gestiegenen Bewusstsein für das Thema durch die MeToo-Debatte zu tun haben. Häufig gehe es „um unsittliche Berührung zum Beispiel des Gesäßes oder der Brüste“.

    Der Bericht listet auch konkrete Fälle auf. So heißt es: „Fristlos entlassen wurde ein Gefreiter, der sich zu einer betrunkenen, schlafenden Soldatin ins Bett gelegt und sein Glied an ihrer Vagina gerieben hatte.“ Ein anderer Fall: Ein Stabsgefreiter forderte „als Gegenleistung für eine Mitfahrgelegenheit von einer minderjährigen Soldatin Oralsex“.

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