Chemnitz. Nach der Festnahme der mutmaßlichen Rechtsterroristen wird weiter ermittelt. Gegründet wurde „Revolution Chemnitz“ offenbar im Chat.

Fortgeschrittene Pläne: In Gruppenchats hat sich die „Revolution Chemnitz“ zusammengetan und ausgetauscht – das berichten die ARD und die „Zeit“. Dabei wird umfangreich aus den Gesprächen zitiert. Unter anderem hatte Gruppengründer Christian K. laut der Berichte vor, „die Geschichte Deutschlands zu ändern.“ Das solle „nicht gewaltfrei“ geschehen – es sei auch davon die Rede gewesen, dass es „Opfer fordern“ würde.

Im Chat – genutzt wurde die App Telegram – sei es laut „Zeit“ auch um die Waffenbeschaffung gegangen: „Man sprach über Feuerwaffen, die man für den politischen Kampf beschaffen wolle, selbst die Marke hatten die Neonazis schon ausgewählt: entweder eine Heckler & Koch oder eine Walther. 800 Euro sollte die Waffe kosten“, schreibt die Wochenzeitung. Und zitiert Chat-Teilnehmer Tom. W.: „Preis mache ich nicht, gebe ich nur so weiter.“ Geordert würde, wenn das Geld von jedem da sei.

Der zitierte Tom W. ist einer von acht in Untersuchungshaft sitzenden Männern, die die „Revolution Chemnitz“ – offenbar in eben jenen Chats – gegründet haben sollen.

„Revolution Chemnitz“ in Chat-App gegründet

Nach der Enttarnung der Gruppe der mutmaßlichen Rechtsterroristen in Sachsen sind sieben von ihnen am Montag und Dienstag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt worden. Dieser erwirkte gegen alle Haftbefehle. Christian K. hatte bereits in Untersuchungshaft gesessen – er sei laut „Zeit“ auch derjenige, der den Chat eröffnet hat und gilt als Rädelsführer.

Die Bundesanwaltschaft hatte zuvor am Montag in Sachsen und Bayern die sieben freien Männer festnehmen lassen. Die Gruppe namens „Revolution Chemnitz“ habe am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, zur Tat schreiten wollen, teilte die Bundesanwaltschaft mit – dass belegen laut „Zeit“ auch die Chat-Protokolle.

Beschuldigte haben Vorgeschichten in rechter Szene

Fünf der acht Männer sollen am 14. September bewaffnet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroimpulsgerät mit weiteren gewaltbereiten Rechtsextremen auf der Schlossteichinsel in Chemnitz mehrere Ausländer angegriffen und verletzt haben.

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Der Übergriff sollte den Ermittlungen zufolge ein „Probelauf“ für den 3. Oktober 2018 sein – was genau geschehen sollte, ist unklar.

Wer steckt hinter der „Bürgerwehr“ von Chemnitz?

Dem 28-jährigen Sten E., dem 20-jährigen Martin H., dem 30-jährigen Marcel W., dem 27-jährigen Sven W., dem 28-jährigen Hardy Christopher W., dem 30-jährigen Tom W. und Maximilian V. (28) wird vorgeworfen, zusammen mit Christian K. die „Revolution Chemnitz“ gegründet zu haben. Das geschah demnach spätestens am 11. September 2018.

Die Verdächtigen gehören der Hooligan- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz an.
Die Verdächtigen gehören der Hooligan- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz an. © dpa | Christoph Schmidt

Die Verdächtigen sollen der Hooligan- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz angehören und sich als führende Personen in der rechtsextremistischen Szene Sachsens verstanden haben. Die Gruppierung war der Bundesanwaltschaft zufolge darauf ausgerichtet, den demokratischen Rechtsstaat zu überwinden.

Rädelsführer Christian K. wurde laut Bericht bereits Mitte September wegen besonders schweren Landfriedensbruchs festgenommen und befindet sich seither in Untersuchungshaft.

Wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte, wurden zudem mehrere Wohnungen sowie weitere Räumlichkeiten in Sachsen durchsucht. An dem Einsatz waren insgesamt über 100 Beamte der sächsischen Polizei beteiligt.

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    Das sind Reaktionen auf die Verhaftung

    • Bundesjustizministerin Katarina Barley sieht in der Festnahme einen Beleg für die Bedrohung von rechts. „Von rechtem Terror geht reale und große Gefahr aus. Hooligans, Skinheads und Neonazis schließen sich zu gefährlichen Gruppen zusammen, um mit schweren Gewalttaten Angst und Hass zu verbreiten“, sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion.

    Das Netzwerk „Revolution Chemnitz“ stehe nicht allein. „Die sogenannte Gruppe Freital war ein weiteres Beispiel für eine rechtsterroristische Vereinigung, die Anschläge auf Flüchtlinge und politische Gegner begangen hat.“

    • Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) bezeichnete das Vorgehen gegen die mutmaßliche Terrorvereinigung als entscheidenden Schlag im Kampf gegen Rechtsextremismus.

    „Wer aus niederen Motiven Anschläge auf Ausländer, Amtsträger, Politiker oder andere Menschen plant, dem begegnet das Gesetz zu Recht mit ganzer Härte. Wir setzen mit den Festnahmen und Durchsuchungen ein klares Zeichen, dass wir solche rechtsterroristischen Strukturen bereits frühzeitig erkennen und zerschlagen“, erklärte der Minister am Montag in Dresden.

    Horst Seehofer (CSU).
    Horst Seehofer (CSU). © dpa | Bernd von Jutrczenka

    • Bundesinnenminister Horst Seehofer warnte vor einer generell unverändert hohen Terrorgefahr. „Die Terrorgefahr ist anhaltend hoch in Deutschland. Und das heißt übersetzt, dass mit einem Anschlag jederzeit gerechnet werden muss“, sagte der CSU-Chef am Montag am Rande einer Parteivorstandssitzung in München.

    So erfreulich der Rückgang der allgemeinen Kriminalität sei, so besorgniserregend sei die terroristische Gefahr im Land. „Seit Monaten sage ich, dass eine hohe Gefährdungsstufe von Terrorismus besteht in Deutschland, und zwar jeder Schattierung“, betonte er.

    • Grünen-Fraktionschef Konstantin von Notz, stellvertretender Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, nannte es erschreckend, wie hoch die Bedrohung durch rechtsterroristische Gruppierungen auch Jahre nach dem Auffliegen der

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    noch sei.

    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow warnt im Zuge der Festnahmen mutmaßlicher Rechtsterroristen aus der Chemnitzer Szene vor Relativierungen rechter Gewalt. Er wolle zwar zum jetzigen Zeitpunkt den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft nicht vorgreifen. „Aber die Festnahmen geben uns einen deutlichen Hinweis darauf, dass es sich um eine ernste Bedrohung handelt und Verharmlosungen oder Relativierungen rechter Gewalt gänzlich fehl am Platze sind, sagte er unserer Redaktion.

    „Zugleich bewahrheitet sich, dass die semantischen Diskussionen nach den offen rechtsextremen und antisemitischen Ausschreitungen von Chemnitz den Blick auf das eigentliche Problem versperrt haben – die hohe Mobilisierungskraft, die gute Vernetzung und die sehr reale Gefahr, die von rechtsextremen Gruppen ausgeht“, erklärte er.

    FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser forderte von Sicherheitsbehörden und Bundesregierung ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Rechtsterrorismus. „So ist beispielsweise bekannt, dass Konzerte von Rechtsrockbands nicht nur der Finanzierung der Szene dienen, sondern auch ein elementarer Bestandteil der Radikalisierung sind“, sagte Strasser der Deutschen Presse-Agentur. Auch das Umfeld rechtsterroristischer Zellen müsse genauer beobachtet werden.

    Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) warnte davor, Rechtsextremismus auf den Osten zu reduzieren.

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      (ses/jha/bekö/fmg/dpa)