Brüssel. Emmanuel Macron stilisiert die kommende Europawahl als Kampf zwischen EU-Anhängern und Nationalisten. Die Parteien positionieren sich.

FDP-Chef Christian Lindner erkannte die Chance früh. Die Europawahl schien noch ganz weit weg, als Lindner im Sommer die besondere Nähe der deutschen Liberalen zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte. Es gebe Gespräche über eine Zusammenarbeit bei der Europawahl im Mai 2019,

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. Kurz zuvor war er mit Macron in Paris zusammengetroffen. Jetzt nimmt das Projekt in einem größeren Format überraschend schnell Fahrt auf.

Der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, geht mit stürmischen Schritten auf Macron zu und kündigt ein Bündnis mit dem französischen Reformpräsidenten an – im Wahlkampf und dann in einer Fraktion im EU-Parlament. „Wir müssen zusammenkommen“, sagt Verhofstadt. Gemeinsam mit Macron wollten die Liberalen eine „proeuropäische Alternative zu den Nationalisten“ bilden, erklärt der Oberliberale, dessen Fraktion auch die deutschen FDP-Abgeordneten im EU-Parlament angehören. Über den Namen werde noch gesprochen, sagte er der französischen Zeitung „Ouest-France“. „Aber das wird etwas Neues sein, eine Bewegung.“

Ganz so schnell, wie es sich der glühende Verfechter der „Vereinigten Staaten von Europa“ vorstellt, geht es wohl nicht. Die neue „Bewegung“ wird frühestens im Oktober, wahrscheinlich erst zum Jahresende stehen. Macrons Partei LaREM („La République en Marche“) begrüßte am Montag die Unterstützung durch Verhofstadt, stellte aber klar, dass es sich bei dem angepeilten Projekt nicht um eine exklusive Allianz mit den Liberalen handelt. LaREM-Chef Christophe Castaner sagte, seine Partei sei „nicht in einer Bündnislogik“, auch wenn „unsere Übereinstimmungen groß sind“.

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    Für Emmanuel Macron hat die Europawahl große Bedeutung

    Gleichwohl, mit dem Vorstoß der Liberalen nimmt Macrons Projekt für die Europawahl Gestalt an – zum Verdruss der großen Volksparteien der Konservativen (EVP) und der Sozialisten (S&D). Für Macron ist die Europawahl von zentraler Bedeutung, sowohl für seine europapolitischen Ziele als auch für seine innenpolitische Machtsicherung. Nur in Frankreich selbst wird Macrons Partei antreten, für die EU will er eine locker zusammenhängende, proeuropäische Kampagne mit gleichgesinnten Progressiven bilden. Sie soll die Machtverhältnisse im EU-Parlament verändern.

    Es geht um eine Plattform, die quer zu den großen Parteifamilien steht. Die Liberalen sind willkommen, doch will Macron auch Kräfte aus der christdemokratischen EVP gewinnen. Seine Emissäre haben ausgewählte Sozialisten aus Italien, aber auch aus Deutschland angesprochen, und bei den Grünen gab es sogar den Versuch, die gesamte Fraktion für Macron abzuwerben. Für den Präsidenten sondierte die französische Grünen-Ikone Daniel Cohn-Bendit – allerdings ohne Erfolg. Verhofstadt skizziert die Formation so: „Jede Partei wird ihre Symbole behalten, aber es wird eine breitere Bewegung geschaffen.“ So müsse jede teilnehmende Partei auch Kandidaten mit anderer Nationalität antreten lassen.

    Im Parlament solle auf diese Weise eine „entscheidende Gruppe“ gebildet werden, um die „nationalistische Welle zu brechen“. Die deutschen FDP-Abgeordneten wären Teil der Gruppe. Doch noch reagieren die Liberalen in Berlin zurückhaltend, auch mit Rücksicht auf die französischen Gesprächspartner. Die Gespräche seien nicht abgeschlossen, heißt es. Parteichef Lindner weiß bei aller Sympathie für Macron auch, dass es bei Themen wie der Eurozonen-Reform auch große Unterschiede gibt.

    Wird auch eine Liberale Kommissionspräsidentin?

    Macrons Schlachtplan hat indes andere Schwerpunkte: Für ihn ist die Europawahl ein Kampf zwischen den „nationalistischen Kräften“ um Viktor Orbán und Matteo Salvini und den proeuropäischen Kräften, an deren Spitze er sich selber sieht. Strategisches Ziel ist es offenbar, im EU-Parlament die entscheidende dritte Kraft zu werden – da EVP und Sozialdemokraten zum ersten Mal zusammen keine Mehrheit mehr haben dürften. Macron dürfte versuchen, die populäre EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zur Kommissionspräsidentin zu machen.

    Die liberale Dänin könnte die Hoffnungen von CSU-Vize Manfred Weber auf diesen Posten zunichtemachen. Schon jetzt wird ihm Macron unbequem. Der französische Präsident fordert Webers EVP heraus, weil die auch die Fidesz-Partei des ungarischen Premiers Orbán in ihren Reihen duldet. „Man kann nicht gleichzeitig Merkel und Orbán unterstützen“, sagt Macron und fordert die EVP auf, ihre Position zu klären. Am Mittwoch muss das EU-Parlament entscheiden, ob gegen Orbán ein EU-Strafverfahren eingeleitet werden soll. Weber hat bislang immer zu Orbán gehalten, in der EVP gehen die Meinungen aber auseinander. Macron legt den Finger in diese Wunde.