Berlin/Abuja. EU-Kommissionspräsident Juncker hat angekündigt, die Zeitumstellung zu kippen. Auch Kanzlerin Merkel hält das für eine gute Idee.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortet eine Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung in der Europäischen Union. „Ich persönlich hätte jedenfalls dafür eine sehr hohe Priorität“, sagte sie am Freitag zum Abschluss ihrer dreitägigen Westafrikareise nach einem Treffen mit dem nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari in der Hauptstadt Abuja.

Zuvor hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigt, die Zeitumstellung in der EU zwischen Winter- und Sommerzeit zu kippen. „Die Menschen wollen das, wir machen das“, sagte Juncker am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Nachdem sich die große Mehrheit der Bürger in der Union dafür ausgesprochen habe, die Umstellung wieder abzuschaffen, werde das nun auch gemacht, kündigte Juncker an.

Bundestag stimmte gegen Abschaffung der Zeitumstellung

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die erfolgreichste Online-Befragung in der Geschichte der EU. Die Mehrheit derjenigen, die abgestimmt hatten, sprach sich für die Abschaffung der Zeitumstellung aus.

Bisher lag der Spitzenwert bei 550.000, als es um das Thema Natur- und Umweltschutz ging. Einer repräsentativen Umfrage zufolge sind 73 Prozent der Deutschen gegen die Zeitumstellung. Das nächste Mal wird die Uhr am 28. Oktober von 3 auf 2 Uhr zurückgestellt.

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Der Bundestag stimmte jedoch im vergangenen März mit der Mehrheit von Union und SPD gegen eine Abschaffung.

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Juncker werde in der Kommission für die Abschaffung werben, kündigte er an. Ihm zufolge soll die „ewige Sommerzeit“ kommen. „Das werden wir heute beschließen“, sagte er mit Blick auf die laufende Kommissionsklausur. Es wäre sinnlos, die Menschen erst zu einem Thema zu befragen, und dann, wenn es einem nicht passe, dem nicht zu folgen.

Jean-Claude Juncker, Kommissionspräsident der EU, schaut am Ende einer Pressekonferenz skeptisch auf seine Uhr.
Jean-Claude Juncker, Kommissionspräsident der EU, schaut am Ende einer Pressekonferenz skeptisch auf seine Uhr. © dpa | Virginia Mayo

Damit scheint das Ende der Zeitumstellung absehbar. Die Ankündigung wirft dennoch Fragen auf:

Wird die Zeitumstellung nun wirklich abgeschafft?

Wahrscheinlich schon, aber noch nicht sofort. Die EU-Kommission hat zunächst einmal nur ein Vorschlagsrecht. Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen noch zustimmen. Wenn das noch vor Ende der Legislaturperiode im Mai 2019 passieren soll, müssen sie sich beeilen.

Der Rückhalt des Parlaments gilt als sicher. Unter den EU-Staaten sei die Lage nicht ganz so eindeutig, sagte der CDU-Abgeordnete Peter Liese diese Woche. Aber: „Ich sehe auch da keine Mehrheit gegen die Abschaffung.“

Einige EU-Länder haben sich ohnehin schon positioniert. Litauen, Estland und Lettland sprachen sich ebenso für eine Abschaffung der Zeitumstellung aus wie Finnland. Von Deutschland ist bislang keine Position bekannt.

Wollen die Bürger die Abschaffung wirklich?

Das wollte die EU-Kommission mit der Online-Umfrage herausfinden und das Ergebnis war sehr eindeutig: Nach offiziellen Angaben von Freitag wollten 84 Prozent der EU-Bürger ein Ende des Hin und Her zweimal im Jahr. Zuvor war bereits das inoffizielle Ergebnis 80 Prozent durchgesickert.

In der gesamten Europäischen Union hatten sich nach Angaben der Kommission 4,6 Millionen Menschen an der Online-Umfrage beteiligt. Das entspricht 0,89 Prozent der EU-Bevölkerung.

In Deutschland lag der Anteil mit 3,79 Prozent weit darüber. Auch in Österreich, Luxemburg, Finnland und Estland beteiligten sich überdurchschnittlich viele Menschen. Die geringsten Teilnehmerquote hatten Italien und Rumänien (jeweils 0,04 Prozent der Bevölkerung) sowie Großbritannien (0,02 Prozent).

Die Ablehnung der Zeitumstellung war unter den Teilnehmern in fast allen Ländern überwältigend: In Finnland und Polen erreichten die Gegner des Hin und Her Quoten von jeweils 95 Prozent, in Spanien 93, in Litauen 91 und in Ungarn und Kroatien jeweils 90 Prozent der Abstimmenden. Nur in Griechenland und Zypern waren die Befürworter der Zeitumstellung unter den Teilnehmern in der Mehrheit, mit einem Anteil von 56 Prozent beziehungsweise 53 Prozent.

Die Umfrage war allerdings nicht repräsentativ – es konnte jeder mitmachen, und die Vermutung liegt nahe, dass sich vor allem Menschen mit einer sehr klaren Meinung beteiligten. Allein drei Millionen der 4,6 Millionen Antworten kamen aus Deutschland, wo offensichtlich besonders viele Gegner der Umstellung sitzen: In einer repräsentativen Forsa-Umfrage vom März sprachen sich in Deutschland 73 Prozent der Befragten für die Abschaffung der Zeitumstellung aus.

Den Auftrag zur Prüfung der Sommerzeit hatte das Europaparlament im Frühjahr erteilt. Die Kommission hatte stets betont, dass das Votum in ihrer Online-Umfrage nicht bindend sei. Nun will sie ihm aber nach Junckers Angaben trotzdem folgen.

Warum gibt es den Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit überhaupt?

Eigentlich soll das Tageslicht besser genutzt werden. In Deutschland gab es die Sommerzeit schon mehrfach. Zuletzt wurde sie 1980 wieder eingeführt. Unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 hatte man die Hoffnung, auf diese Weise Energie zu sparen.

Ein weiterer Grund war die Anpassung an die Nachbarländer, die diese Regelung schon hatten. Seit 1996 gibt es eine einheitliche EU-weite Regelung. Seitdem beginnt die Sommerzeit Ende März und hört Ende Oktober auf. In dieser Zeit ist es abends eine Stunde länger hell.

Warum wollen das die Kritiker der Zeitumstellung nicht mehr?

Sie argumentieren, dass tatsächlich keine Energie gespart wird. Laut Umweltbundesamt schalten die Deutschen im Sommer zwar wegen der Zeitumstellung abends seltener das Licht an – im Frühjahr und Herbst wird morgens allerdings mehr geheizt.

Mediziner sehen zudem Risiken für die Gesundheit. In einer repräsentativen Studie des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit gab im Frühjahr rund ein Viertel der Befragten an, schon einmal gesundheitliche Probleme gehabt wegen der Zeitumstellung zu haben. Als Beschwerden wurden vor allem Müdigkeit, Schwierigkeiten beim Einschlafen und Konzentrationsprobleme genannt.

Was passiert, wenn der Gesetzesvorschlag wirklich beschlossen wird?

Sollte das Hin und Her tatsächlich abgeschafft werden, könnte jedes Land für sich entscheiden, ob es dauerhaft die Standardzeit – also Winterzeit – oder die Sommerzeit einführen möchte. Diese Entscheidung, welche von beiden Zeiten dauerhaft gilt, ist eine nationale Angelegenheit und würde von einer Abschaffung der Zeitumstellung nicht berührt.

Würde das nicht zu einem Flickenteppich der Zeit in der EU führen?

Gut möglich, dass es noch mehr zeitliche Unterschiede geben würde. Spanien etwa würde wohl kaum die Sommerzeit beibehalten – denn dann würde die Sonne in Madrid im Winter erst gegen 9.30 Uhr aufgehen. In der von Deutschland dominierten Online-Umfrage wollte hingegen eine Mehrheit die dauerhafte Sommerzeit.

Schon jetzt gibt es drei Zeitzonen in der EU. In Deutschland und 16 weiteren Staaten herrscht die gleiche Uhrzeit: die Mitteleuropäische Zeit, genannt MEZ. Darunter sind die Niederlande, Belgien, Österreich, Dänemark, Frankreich, Italien, Kroatien, Polen und Spanien. Acht Länder – Bulgarien, Estland, Finnland, Griechenland, Lettland, Litauen, Rumänien und Zypern – sind eine Stunde voraus: Dort gilt die Osteuropäische Zeit oder OEZ. Drei Staaten sind eine Stunde zurück, nämlich Irland, Portugal und Großbritannien, wo die Westeuropäische Zeit gilt, die WEZ.

„Portugal hat eine andere Zeit als Spanien, und Finnland hat eine andere Zeit als Schweden“, sagte der CDU-Politiker Peter Liese, ein langjähriger Gegner der Zeitumstellung. „Daher wäre es kein Problem, wenn sich einige Mitgliedstaaten für die ständige Winterzeit und andere für die ständige Sommerzeit aussprechen.“ Nur eines soll EU-weit wegen des Binnenmarkts einheitlich sein: Zeitumstellung oder nicht.

Wie merke ich mir noch mal, ob die Zeit eine Stunde vor oder zurück gestellt werden muss?

Dazu gibt es zahlreiche Eselsbrücken. Eine davon lautet: „Im Frühjahr stellt man die Gartenmöbel vor die Tür. Im Herbst stellt man sie zurück in den Schuppen.“ Im März wird die Uhr also eine Stunde vorgestellt, im Oktober eine Stunde zurück. Auf Englisch geht es noch einfacher: „Spring forward, fall back.“ (rtr/dpa/jkali)