Berlin. Wegen der Hitze haben viele Bauern Ertragsausfälle. Sie fordern nun eine Millarde Euro, um das auszugleichen. Kritik kommt aus der SPD.

Sonne ohne Ende und kein Tropfen Regen in Sicht: Was großartig ist für Schulkinder in den Ferien und für alle, die eine Solaranlage auf dem Dach haben, ist ein Problem für viele Bauern. Es staubt auf Deutschlands Feldern.

Seit Monaten gibt es kaum Niederschlag, die Böden sind ausgetrocknet. Der Deutsche Wetterdienst verzeichnete im Juni bundesweit nur durchschnittlich 50 Liter Regen pro Quadratmeter, das sind gerade einmal 57 Prozent dessen, was üblich ist. Und stellenweise war es noch deutlich weniger: Im thüringischen Etzleben fielen 1,8 Liter pro Quadratmeter – im gesamten Monat.

Das Ergebnis: Weizen und Gerste stehen nicht so hoch, wie sie sollten, die Ähren sind viel zu klein, viele Pflanzen sind ganz vertrocknet. Unter den ungewöhnlich warmen Temperaturen war das Getreide schneller gereift, doch die Früchte sind zu klein. Wo Maispflanzen noch Kolben ausbilden, bleiben sie mickrig, auch der Raps stirbt. Und selbst Früchte wie Kartoffeln und Zuckerrüben finden im ausgetrockneten Boden kein Wasser mehr.

Vor allem der Osten und Norden sind betroffen

Nicht nur Landwirte, die Feldfrüchte anbauen, sind betroffen: Auch die Heuernte fällt mager aus. Das trifft zum Beispiel Milchbauern, die auf Gras und Heu als Futter für ihre Tiere angewiesen sind. An vielen Orten wird deshalb jetzt schon das Futter für den Winter verfüttert. Und manchmal reicht nicht einmal das aus: In Sachsen-Anhalt und Brandenburg schickten Landwirte ihre Tiere zum Teil schon zur Notschlachtung, weil sie sie nicht mehr versorgen konnten.

Die Trockenheit trifft vor allem den Norden und den Osten Deutschlands. Auf der Dürre-Karte des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) leuchten große Teile von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen feuerrot.

„Die Lage ist besorgniserregend“, sagt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands. Der Verband rechnet nach derzeitigen Prognosen mit etwa 20 Prozent weniger Getreideerträgen als im Schnitt der Vorjahre, bei Raps sogar mit 30 Prozent weniger. „In Einzelfällen ist die Lage aber deutlich dramatischer“, sagt Rukwied. „Da liegen die Erträge 50, 60, 70 Prozent unter dem, was üblich ist.“

Manche Felder hätten seit April keinen richtigen Regen gesehen. „Da geht es für einen Teil der Betriebe um die Existenz.“ Rukwied sieht daher die Politik am Zug. Deutschland brauche „stabile ländliche Räume“ mit „stabilen Betrieben“. Für diese Stabilität sollen nach Ansicht des Bauernpräsidenten Bund und Länder sorgen, und zwar mit Geld: „Eine Milliarde Euro wäre wünschenswert, um die Ausfälle auszugleichen“, sagt Rukwied.

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    FDP unterstützt Forderung der Bauern

    Das Geld solle an jene Landwirte gehen, deren Erträge mehr als 30 Prozent unter dem Schnitt des vergangenen Jahres liegen. Der Bauernverband nutzt die Gelegenheit zudem, um eine alte Forderung zu wiederholen: Die Landwirte wünschen sich steuerfreie „Risikoausgleichsrücklagen“. Aus dem Geld, das in guten Jahren eingenommen wird, soll jeder Betrieb einen Puffer für Sommer wie diesen bilden können.

    In der Politik lösen die Forderungen der Landwirte ein geteiltes Echo aus. Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, hält ein Eingreifen ebenso wie Rukwied für geboten. „Gerade viele der kleinen und mittleren Betriebe haben sich von den Krisen der letzten Jahre kaum erholt“, sagt sie. „Den Betrieben geht die Luft aus. Sie haben keine Rücklagen mehr. Ihnen fehlt Liquidität.“

    Bund und Länder müssten deshalb nun schnell entscheiden, ob die Dürre dieses Sommers ein „Schadenereignis nationalen Ausmaßes“ darstellt, sagt Connemann dieser Redaktion. Nur dann könnten Betroffene Hilfe auch vom Bund erhalten.

    Die FDP unterstützt die Forderung der Bauern nach steuerfreien Rücklagen. Die Bundesregierung dürfe die Landwirte jetzt nicht im Stich lassen, erklärte Gero Hocker, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion.

    Grünen wollen Landwirte nicht aus Verantwortung lassen

    Ganz anders sieht es die SPD: Rainer Spiering, agrarpolitischer Sprecher ihrer Bundestagsfraktion, warnt vor einem wirtschaftspolitischen Präzedenzfall. Man könne den Bauern natürlich kurzfristig helfen, so Spiering. Aber: „Wenn man der Landwirtschaft die Förderkulisse zur Verfügung stellt, müssen wir in Zukunft auch anderen kleinen und mittelständischen Betrieben, die als Grundpfeiler unserer Wirtschaft gelten, genauso helfen.“ Landwirte als Unternehmer seien „wie jeder Betrieb“ auch unternehmerischen Risiken ausgesetzt.

    Auch die Grünen wollen die Landwirte nicht einfach aus der Verantwortung entlassen. Die industrielle Agrarwirtschaft sei mitverantwortlich für die Klimakrise, sagte Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt dieser Redaktion. Sie fordert deshalb einen Ausstieg aus der industriellen Massentierhaltung in den nächsten 20 Jahren.

    Zudem müsse die Regierung mehr in die Erforschung robuster Pflanzenarten investieren, die Klimakrisen besser standhalten. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung beim Bund-Länder-Treffen am Dienstag einen effektiven Klimaschutzplan vorlegt“, erklärte Göring-Eckardt.

    Abteilungsleiter der Agrarministerien von Bund und Ländern wollen am Dienstag in Berlin zusammenkommen, um über die Lage der Bauern zu beraten. Die Ergebnisse dieses Treffens will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) dann am Mittwoch im Kabinett vorstellen. Klöckner bremste am Wochenende Hoffnungen auf eine schnelle Entscheidung: Erst nach der Erntebilanz Ende August gebe es ein „klares, aussagekräftiges Bild“ über das tatsächliche Ausmaß der Schäden. Auf dieser Grundlage könne dann über Hilfen entschieden werden. Dass das Pro­blem sich bis dahin von selbst erledigt hat, ist nicht zu erwarten: Die Wetterberichte sagen Sonne voraus.