Meseberg/Berlin. Emmanuel Macron kam für Angela Merkel gerade gelegen. Der französische Präsident unterstütz die Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik.

Manchmal sind politische Treffen durch Zufall perfekt terminiert. Mitten in der deutschen Regierungskrise, ausgelöst durch das Zerwürfnis von

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mit seinem Kabinett nach Deutschland.

Für Kanzlerin Angela Merkel könnte der lang geplante Besuch nicht besser in die Agenda passen: Der wichtigste Verbündete in Europa reist an, sieben Stunden will man über Europa verhandeln, über eine Reform der EU, aber auch über die Migration. Jenes Thema, das Deutschland gerade umtreibt.

Entsprechend gut gelaunt wirkte Merkel am Dienstag, als sie das französische Kabinett etwas verspätet im Gästehaus der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg begrüßte. Die Franzosen hatten Probleme mit ihrem Regierungsflieger, ein technischer Defekt. Doch als Macron dann etwas gehetzt ankam, gab es Küsschen rechts und Küsschen links. Freundschaftsgesten in der ländlichen Idylle.

In Meseberg ging es vor allem um die Flüchtlingspolitik

Seit 2007 ist Schloss Meseberg das Gästehaus der Bundesregierung und mit Macrons Eintreffen schließt sich ein Kreis: der erste Staatsgast, der hier von Merkel empfangen wurde, war Frankreichs damaliger Staatspräsident Jacques Chirac. Macron ist schon Nummer vier, Merkel ist immer noch da. Doch eine Auszeit für die CDU-Vorsitzende, die um ihre Kanzlerschaft kämpft, ist die Landpartie nicht. Ihre eigene politische Lage war noch nie so ernst.

Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer will Zurückweisungen für bereits woanders registrierte Asylbewerber an der deutschen Grenze vornehmen – gegen den Willen der Kanzlerin. Merkel ist plötzlich in großer Zeitnot. Die Dublin-Vereinbarungen, nach denen Asylverfahren in den Ländern durchgeführt werden, in denen Flüchtlinge zuerst registriert wurden, funktionieren nicht mehr, Länder wie Italien mit der neuen nationalistischen Regierung machen die Schotten dicht.

Macron kommt Merkel entscheidend entgegen

„Unser Ziel bleibt eine europäische Antwort auf diese Herausforderung“, sagte Merkel nach den Beratungen mit Macron. Sie will bis zum EU-Gipfel Ende Juni Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten treffen und nationale deutsche Alleingänge vermeiden. Doch der Graben ist tief in Europa: So sperren sich auch Länder wie Ungarn gegen eine Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb Europas. So muss die Kanzlerin in Europa auf Werbetour gehen.

Am Montag traf sie dazu den italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte, ohne eine konkrete Vereinbarung. Doch Macron tat ihr nun den Gefallen: Er sagte zu, bereits in Frankreich registrierte Flüchtlinge aus Deutschland so schnelle wie möglich wieder zurückzunehmen. „Da sind wir uns einig“, sagte er auf eine Frage, ob Frankreich Flüchtlinge zurücknehme, die dort registriert sind, aber nach Deutschland kommen.

Somit erfüllte Macron einen großen Wunsch Merkels im Unionsstreit. Es ist ein Punkt für sie. Beide Länder wollen außerdem die Grenzschutzbehörde Frontex zu einer „europäischen Grenzpolizei“ ausbauen, mit viel mehr Personal. Paris und Berlin setzen sich außerdem für eine europäische Flüchtlingsbehörde ein – zu oft weiß ein Land nicht, was das andere schon über den Flüchtling weiß.

Angela Merkel kam Emmanuel Macron entgegen

Doch auch für Emmanuel Macron wurde Meseberg ein Erfolg, die deutsche Kanzlerin kam ihm ebenfalls entgegen: Deutschland und Frankreich planen eine milliardenschwere Investitionsoffensive in Europa. Dazu soll ein Eurozonen-Budget im Rahmen der bisherigen Haushaltstrukturen geschaffen werden. Macron hatte auf ein spezielles Euro-Budget gedrungen – aber Berlin bremste bisher. Die Bundesregierung wollte keine neuen komplizierten Strukturen schaffen. Das neue Budget soll nun in die Haushaltsplanungen ab 2021 eingebaut werden.

„Wir schlagen in der ganzen Breite ein neues Kapitel auf“, betonte Merkel mit Blick auf die in einer „Meseberger Erklärung“ festgehaltenen Ergebnisse. Der bisherige Euro-Rettungsschirm ESM soll zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden, um den Euro dauerhaft besser gegen neue Finanzkrisen zu schützen. Zudem sind einheitlichere Bankenregeln geplant – der ESM soll künftig als letztes Auffangnetz bei Bankenpleiten einspringen. Kriselnde Banken könnten also mit öffentlichem Geld gerettet werden. In der Unionsfraktion sieht man das kritisch.

Macron springt Merkel im Streit mit CSU zur Seite

„Der Gipfel war lange erwartet und wir haben auch nicht enttäuscht“, betonte Macron nach den Gesprächen. Rund 50 Stunden haben die Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bruno le Maire zuvor verhandelt. Seit September 2017, als Macron seine Reformrede in der Sorbonne hielt, ist viel Zeit vergangen. Berlin blieb lange Antworten schuldig. Doch: „Wir beginnen nun eine zweite Etappe im Leben unserer gemeinsamen Währung“, verkündete Macron in Meseberg stolz.

Und noch etwas lässt Merkel hoffen, den Streit mit der CSU zu lösen. Parallel zum Treffen in Meseberg wurde der Entwurf der Gipfelerklärung der EU-Staats- und Regierungschefs am 28. und 29. Juni versandt. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlägt darin einen drastischen Kurswechsel vor. Aus Seenot gerettete Flüchtlinge sollen künftig zu zentralen Sammelpunkten außerhalb der Europäischen Union gebracht werden, wo direkt über ihre Schutzbedürftigkeit entschieden würde. Zur Finanzierung der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern soll nach 2021 ein eigener Finanztopf geschaffen werden.

Europa will Asylpolitik stark verschärfen

Lange kamen die Innenminister bei der Vorbereitung des Gipfels beim Thema Migration keinen Schritt voran. Doch in den jüngsten Tagen kam eine ungeahnte Dynamik in die Debatte: Hintergrund ist sowohl der Koalitionsstreit in Deutschland, als auch das Drama um das Rettungsschiff „Aquarius“, das mehr als 600 Gerettete nicht nach Italien bringen durfte und bis nach Spanien weiterfahren musste.

Merkel hofft nun auf weitere Fortschritte in den nächsten Tagen. Der französische Präsident half ihr zunächst und stellte sich beim traditionellen „Familienfoto“ auf der Meseberger Treppe zwischen Merkel und Seehofer. Als französischer Puffer zwischen München und Berlin sozusagen.

CSU kritisiert Einigung zwischen Merkel und Macron

Die CSU-Spitze sei verärgert über die Ergebnisse des Treffens von Merkel mit Präsident Emmanuel Macron am Dienstag in Meseberg bei Berlin, berichtet die „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Die Christsozialen verlangten die Einberufung des Koalitionsausschusses.

Besonders die Vereinbarung zur Schaffung eines begrenzten gemeinsamen Budgets für die Euro-Zone stoße auf Kritik. (mit dpa-Material)