Berlin. Zwischen CDU und CSU ist der Streit um die Flüchtlingspolitik wieder aufgeflammt – und er wird ähnlich unerbittlich geführt wie 2015.

Sie sitzen nebeneinander, stecken die Köpfe zusammen: Kanzlerin

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(CDU) und ihr Bundesinnenminister treffen am Dienstag im Sitzungssaal der Unionsfraktion aufeinander – erstmals öffentlich seit der neuen harten

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in der Union.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) kommt als Vermittler hinzu. Seehofer war zuvor an den Kameras vorbei in den Saal geschlendert: „Das ist etwas anderes als beim letzten Mal“, sagt er und mahnt zur Geduld. Es seien „verschiedene Sachverhalte“.

Nun, die Diskussion ist jedenfalls zurück auf dem Stand von 2015 – hitzig und gefährlich für die Union. CDU und CSU haben sich wie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 längst wieder in die ideologischen Schützengräben begeben. Seehofer kritisierte damals Merkels Entscheidung, an der Grenze keine Flüchtlinge zurückzuweisen heftig, nannte ihr Vorgehen eine „Herrschaft des Unrechts“ und drohte mit einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht.

Es folgte ein Streit über eine Obergrenze für Flüchtlinge. Diesmal ist Seehofer jedoch nicht mehr Ministerpräsident aus Bayern, sondern er sitzt als Bundesinnenminister im Kabinett Merkel. Sie ist qua Richtlinienkompetenz jetzt seine Chefin.

Dobrindt zu Migrations-Masterplan: Zurückweisung an der Grenze muss durchgesetzt werden

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    Seehofer steht unter erheblichem Druck

    Was war passiert? Seehofer wurde aus dem Kanzleramt zurückgepfiffen. Eigentlich wollte er am Dienstag seinen Asyl-Masterplan vorstellen. Doch über einen Punkt stritten sich Merkel und Seehofer so heftig, dass es nichts wurde mit der Präsentation. Sein Plan sieht vor, Migranten zurückzuweisen, die bereits in einem anderen europäischen Land als Asylsuchende aufgetreten und deshalb in der Fingerabdruckdatei Eurodac registriert sind. Nach CSU-Lesart ist genau die Zurückweisung die geltende Rechtslage in Europa.

    Denn das – nicht funktionierende – Dublin-System sieht vor, dass Asylverfahren in den EU-Ländern stattfinden sollen, in denen die Flüchtlinge zuerst registriert wurden. Die CSU argumentiert, dass Härte an der Grenze dafür sorge, dass sich weniger Menschen auf den Weg machten. Merkel dringt hingegen auf gemeinsame europäische Lösungen. Ein EU-Gipfel Ende Juni soll über eine gemeinsame europäische Asylpolitik konkret entscheiden. Merkel hatte noch am Sonntag gesagt, dass sie keinen nationalen Alleingang wolle.

    Seehofer wiederum steht unter erheblichem Druck. Bayern befindet sich im Landtagswahlkampf. Und die CSU kämpft darum, ihre absolute Mehrheit zu verteidigen – was nach Umfragen alles andere als sicher scheint. Die führenden Männer der CSU stehen allesamt in Konkurrenz, was sie wenig kompromissbereit macht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will nicht die Schlappe einfahren, nach der Wahl eine Koalition bilden zu müssen, und sucht deshalb eine harte Auseinandersetzung, die klar auch auf die Stimmen von AfD-Sympathisanten abzielt.

    Dobrindt: „Wir setzen den Punkt durch“

    „Das halbe Jahr vor einer bayerischen Landtagswahl ist immer das gefährlichste“, seufzt ein CDU-Präsidiumsmitglied. Seehofer wird in der CDU als Getriebener von Hardlinern wie Söder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gesehen. Letzterer hatte am Montag betont, dass die Zurückweisung von Flüchtlingen auf jeden Fall Teil des Masterplans sein müsse. Seehofer muss also liefern.

    Dobrindt sitzt am Dienstag in der CSU-Landesgruppe und lächelt. Er hat die Diskussion vor einer Woche öffentlich gemacht und auf die Zurückweisung der Flüchtlinge an der Grenzen bestanden. „Wir setzen den Punkt durch“, sagt er nun. Und fügt hinzu: „Sie kennen uns doch.“ Er weist Merkels Vorschlag zurück, bis zum EU-Gipfel Ende Juni zu warten, um auf eine europäische Lösung zu setzen. „Ich habe keine Erwartungshaltung, dass dieser Gipfel substanzielle Einigungen eröffnen wird.“

    Und Dobrindt fährt fort: Es gehe darum, die Funktionsfähigkeit des deutschen Asylrechts wiederherzustellen. Das wiederum müsse schnell erfolgen, die Zahlen der in Europa ankommenden Flüchtlinge stiege wieder an. Dobrindt betont auch, dass Deutschland damit keinen Alleingang unternehme. Allein Frankreich habe im vergangenen Jahr 85.000 Personen vor allem an der französisch-italienischen Grenze zurückgewiesen.

    Konflikt zwischen Schwesterparteien schwelt

    Die Zahl von 85.000 Zurückweisungen Frankreichs im vergangenen Jahr stammt aus offiziellen Pariser Regierungsangaben. Demnach sind 2017 mehr als 100.000 Asylanträge registriert worden, zugleich wurden 85.000 Menschen an den Grenzen abgewiesen. Nach Angaben des Innenministeriums in Paris erfolgte etwa die Hälfte der Zurückweisungen an der französisch-italienischen Grenze. Frankreich weist seit 2015 Migranten an der Grenze zu Italien zurück. Die EU-Kommission hat das nie beanstandet.

    Der Konflikt zwischen den Schwesterparteien schwelt. CDU-Präsidium und -Bundesvorstand hatten sich am Montag hinter die Position Merkels gestellt. In der Fraktionssitzung am Dienstag gibt es nach Angaben von Teilnehmern 13 Wortmeldungen. Elf Bundestagsabgeordnete sprechen sich für Seehofers Position aus. Es solle in den nächsten Tagen einen Einigungsversuch zwischen den beiden Parteichefs geben.

    Seehofer sagt Integrationsgipfel aus

    Danach könnte die Unionsfraktion zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um erneut zu beraten, heißt es weiter. Seehofer und Merkel sollen an einer Beruhigung der Lage interessiert gewesen sein, doch beide machen ihre Position auch deutlich. Merkel sagt, sie stehe grundsätzlich voll und ganz hinter Seehofers Masterplan. Aber in der Frage der Zurückweisung sei sie nicht nur der Partei und Deutschland, sondern auch Europa verpflichtet. „Wir dürfen den europäischen Aspekt nicht ausklammern“, erklärt sie.

    Seehofer macht wiederum deutlich, dass es lieber keinen als einen schrägen Kompromiss geben dürfe. Die Stimmung ist jedenfalls schlecht: Seehofer sagt obendrein noch seine Teilnahme beim Integrationsgipfel am Mittwoch im Kanzleramt ab. Er ist genervt von einem Bericht der Kolumnistin Ferda Ataman, die ebenfalls geladen ist. Diese habe ihn in einem Bericht in eine derart rechte Ecke gerückt, da könne er nicht drüber hinwegsehen. Die Absage habe nichts mit der Kanzlerin selbst zu tun, sagt er noch.