Rom/Berlin. In Italien hält das Gezerre um eine Regierung an. Mit Giuseppe Conte ist es nicht die übliche politische Krise. Die wichtigsten Punkte.

Als am Sonntagabend zu bester Sendezeit in Italien Sergio Mattarella vor die TV-Kameras trat, war klar: Der Staatspräsident hatte sein Veto eingelegt – der designierte Regierungschef Giuseppe Conte trat den Rückzug an. Alles wieder auf Anfang also, drei Monate nach der Parlamentswahl in Italien?

Klar ist: Diesmal sind es nicht die sonst üblichen römischen Machtspielchen, die einer Regierungsbildung im Wege stehen. Das Eingreifen Mattarellas hat eine Verfassungskrise in Italien ausgelöst. Der drittgrößten Volkswirtschaft des Euroraums droht nun die politische Lähmung. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

• Warum kam keine Regierung Conte zustande?

Präsident Mattarella lehnte den Euro-Kritiker Paolo Savona als Wirtschaftsminister der einer Koalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und der Lega ab. Die Lega wollte Savona jedoch um jeden Preis im Kabinett haben. „Ich habe alle Ernennungen akzeptiert außer den Vorschlag für den Posten des Wirtschaftsministers“, sagte Mattarella.

Der Präsident betonte, er müsse im Interesse des Landes handeln. Unternehmen, Investoren und Sparer seien gleichermaßen verunsichert über den sich abzeichnenden Anti-Euro-Kurs der Regierung. Es gehe um die Stabilität Italiens, bei einem Anti-Euro-Kurs drohe dem Land eine tiefe Krise. Deshalb könne er der Nominierung Savonas nicht zustimmen.

Conte will "Verteidiger der Italiener" sein

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    • Wer ist dieser Paolo Savona?

    Savona, der über Erfahrungen im Finanzsektor, in der Wissenschaft aber auch als Minister verfügt, hatte die Finanzmärkte wiederholt mit euroskeptischen Ansichten verschreckt. So bezeichnete er den Beitritt Italiens zum Euro als historischen Irrtum. Er forderte einen Plan B, um die Währungsunion notfalls wieder verlassen zu können.

    In seinem letzten Buch schrieb er, Deutschland versuche nach dem militärischen Scheitern im Zweiten Weltkrieg jetzt, Europa wirtschaftlich zu dominieren. Der frühere Wirtschaftsminister Vincenzo Visco bezeichnete Savonas Ansichten als „radikal und selbstmörderisch anti-deutsch“.

    • Kann der Präsident einfach einen Minister ablehnen?

    Staatspräsident Sergio Mattarella.
    Staatspräsident Sergio Mattarella. © dpa | Fabio Frustaci

    Rechtlich ja. Der Staatspräsident hat bei Ministerernennungen das letzte Wort in Italien. Politisch ist die Ablehnung Savonas brisant. Sowohl die populistische M5S unter ihrem Frontmann Luigi Di Maio als auch die Lega mit Matteo Salvini an der Spitze haben aus ihrem eurokritischen Kurs im Wahlkampf keinen Hehl gemacht. Beide werfen Mattarella nun politische Einflussnahme vor, die ihm nicht zustehe – ein Vorwurf, der nicht ganz aus der Luft gegriffen ist.

    • Wie reagieren die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega?

    Wütend. Lega-Chef Salvini hält Neuwahlen für unumgänglich. „Das Wort geht wieder an Euch“, schrieb er per Twitter an die Wähler. Die Italiener dürften nicht länger „Sklaven“ sein, Italien sei keine Kolonie. „Wir sind nicht die Sklaven der Deutschen oder Franzosen.“ Auch die M5S wollen baldige Neuwahlen. Di Maio kritisierte Mattarella scharf: „Dies ist keine freie Demokratie.“

    Di Maio brachte sogar ein Amtsenthebungsverfahren ins Gespräch, Mattarella repräsentiere „die Interessen der anderen Länder“. Gemeint sind Deutschland und Frankreich. Eine anti-europäische und anti-deutsche Haltung sind in Italien derzeit ziemlich populär. Lega-Chef Salvini tönte am Wochenende: Je mehr Brüssel und Berlin gegen seinen Minister-Kandidaten Savona seien, desto klarer werde, dass Savona der richtige Mann auf dem Posten sei.

    • Steht Italien also vor Neuwahlen?

    Vieles deutet darauf hin. Der Ball liegt bei Präsident Mattarella. Neuwahlen wären aber wohl erst im Oktober möglich. Dem Land droht also eine politische Lähmung. Mattarella bestellte für den heutige Montag den Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli zu Gesprächen ein. Cottarelli könnte an der Spitze einer Übergangsregierung das Land zu Neuwahlen führen.

    Viele rechnen damit, dass neue Wahlen die Europa-Skeptiker von M5S und Lega weiter stärken würden. Ein Ende des Konflikts scheint also noch lange nicht in Sicht. (mit dpa)