Berlin. 30 Sprechstunden für gesetzlich Versicherte pro Woche – das fordern Krankenkassen von Ärzten. Die Honorar-Angleichung ist umstritten.

Der größte Brocken, den Union und SPD auf dem Weg zu einer großen Koalition beiseiteräumen müssen, ist das Thema Gesundheit. Die SPD will erreichen, dass sich gesetzliche und private Versicherungen noch weiter angleichen. CDU und CSU wollen den aktuellen Stand erhalten – und wissen, dass das wohl nicht zu halten sein wird.

Die gesetzlichen Krankenkassen verfolgen die Verhandlungen aufmerksam. Den Vorschlag der SPD, den Ärzten mehr Honorar für die Behandlung von Kassenpatienten zu zahlen, lehnen sie ab: Sie befürchten höhere Kosten. Der Vizechef des obersten Krankenkassenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, macht nun einen Vorschlag, der keine Extra-Ausgaben verursacht.

Sanktionen gegen Bevorzugung von Privatversicherten

„Ein Arzt, der eine volle Zulassung für die gesetzliche Krankenversicherung hat, sollte zukünftig mindestens 30 Sprechstunden wöchentlich für gesetzlich Krankenversicherte anbieten müssen“, sagte von Stackelberg dieser Redaktion. Seine Begründung: Die gesetzlich Versicherten – und damit 90 Prozent der Bevölkerung – finanzierten die Infrastruktur unseres Gesundheitswesens. Nur durch die Beiträge der 72 Millionen Kassenpatienten sei auch für Privatversicherte eine flächendeckende Versorgung möglich.

Wer sich als Arzt niederlasse, entscheide sich bewusst dafür, gesetzlich Versicherte behandeln zu dürfen, begründete der Verbands-Vize seine Position: „Wir wollen, dass die

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künftig als Verstoß gegen die Pflichten eines Kassenarztes gilt und von den Kassenärztlichen Vereinigungen sanktioniert werden muss.“

Arzthonorare sind zuletzt deutlich gestiegen

Hinter der Forderung steht die Sorge, dass es mehrere Milliarden Euro kosten würde, wenn die Honorare, die Ärzte für die Behandlung von Privat- und für Kassenpatienten bekommen, angeglichen werden. Weil es politisch nahezu unmöglich ist, das Honorar für Privatbehandlungen zu kürzen, müsste die Vergütung für die Versorgung der Kassenpatienten steigen. Experten gehen davon aus, dass durch eine einheitliche Gebührenordnung der Beitragssatz zur Krankenversicherung um bis zu 0,6 Prozentpunkte auf dann 16 bis 16,2 Prozent vom Brutto steigen könnte.

Kassenverbands-Vorstand von Stackelberg lehnt das auch aus einem anderen Grund ab: „Von 2011 bis 2015 sind die Arzthonorare um 21 Prozent gestiegen“, rechnet er vor, das habe auch nicht zu einer gerechteren Terminvergabe geführt. Wenn das Honorar steigen solle, dann halte man es „für selbstverständlich, dass eine zusätzliche Honorarerhöhung nicht ohne bessere Leistungen geht.“

Aus den Portemonnaies der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung seien im Jahr 2016 im Durchschnitt an jede Arztpraxis 380.000 Euro geflossen. „Dafür kann man doch wohl erwarten, sich bei der Terminvergabe nicht hintanstellen zu müssen, wie es offensichtlich bei zahlreichen Arztpraxen der Fall ist!“, empört sich von Stackelberg.

Einheitliche Ärztehonorare womöglich rechtswidrig

Die Arbeitsgruppe von Union und SPD, die sich um das Thema Gesundheit kümmert, war am Montag erstmals zu Beratungen zusammengekommen. Dabei stellten die Fachpolitiker beider Seiten große Übereinstimmungen bei der Pflege fest. Die

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etwa bei den Arzthonoraren dürften eher gegen Ende der Beratungen am kommenden Sonntag auf die Tagesordnung kommen.

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    Gegen eine Vereinheitlichung der Arzthonorare für Kassen- und Privatpatienten bestehen nach Einschätzung von Experten erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Eine einheitliche Gebührenordnung könnte zudem mit Europarecht kollidieren. Das geht aus einem Gutachten im Auftrag des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) und der Bundesärztekammer (BÄK) hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

    Zudem würden die beabsichtigten Effekte einer einheitlichen Gebührenordnung keinesfalls erreicht. Weder die „Zwei-Klassen-Medizin“ oder der Ärztemangel auf dem Land ließen sich so beseitigen, heißt es in dem Gutachten von fünf Gesundheitsökonomen. Einer Umfrage des Kassenverbands VDEK zufolge haben 85 Prozent der Deutschen nichts an der medizinischen Versorgung auszusetzen.

    Anmerkung der Redakion: In einer früheren Version dieses Textes wurde der Eindruck erweckt, dass der GKV-Spitzenverband ein Minimum an zu behandelnden Kassenpatienten für Ärzten mit Kassenzulassung vorschlage. Dies ist nicht der Fall. Tatsächlich wird ein Minimun an Sprechstundenzeiten vorgeschlagen.