Istanbul. Aktivist Peter Steudtner ist in der Türkei als Terror-Unterstützer angeklagt. Der Staatsanwalt spricht von Entlassung aus der U-Haft.
- 100 Tage sitzt der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner in der Türkei schon in U-Haft
- Die türkische Regierung wirft ihm Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung vor
- Nun startet der Prozess. Steudtner drohen bis zu 15 Jahre Haft
Der in der Türkei inhaftierte deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner hat vor Gericht die gegen ihn erhobenen Terrorvorwürfe zurückgewiesen und seine Entlassung aus der Untersuchungshaft gefordert. „Ich plädiere in allen Anklagepunkten auf nicht schuldig und bitte um meine sofortige und bedingungslose Freilassung“, sagte er am Mittwoch in seiner rund 40-minütigen Verteidigung beim ersten Verhandlungstag vor dem Istanbuler Gericht. „Ich habe nie in meinem Leben irgendeine militante oder terroristische Organisation unterstützt.“
Die von der Anklage präsentierten Beweise „haben in keiner Weise Verbindungen zu den Anklagepunkten oder den erwähnten Terrororganisationen“, sagte er. Steudtner verteidigte sich auf Englisch, eine Übersetzerin übertrug die Aussagen ins Türkische. Er machte einen gefassten Eindruck.
Staatsanwalt fordert Aufhebung von U-Haft für Steudtner
Am Mittwochabend hat die türkische Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Untersuchungshaft für Steudtner gefordert. Der Staatsanwalt in Istanbul forderte am Mittwochabend, Steudtner, seinen schwedischen Kollegen Ali Gharavi und mehrere türkische Menschenrechtler unter Auflagen auf freien Fuß zu setzen.
Steudtner und zehn weiteren angeklagten Menschenrechtlern wird „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ beziehungsweise „Unterstützung von bewaffneten Terrororganisationen“ vorgeworfen, worauf bis zu 15 Jahren Haft stehen.
Diese Deutschen waren in türkischer Haft
Steudtner: Habe nie mit türkischen Organisationen gearbeitet
Steudtner hatte am ersten Prozesstag betont, seine Arbeit als Menschenrechtstrainer sei in den vergangenen 20 Jahren stets auf Menschenrechte, Gewaltfreiheit und Friedensbildung ausgerichtet gewesen. Sein Fokus habe zudem auf afrikanischen Ländern gelegen. „Ich habe mich nie auf türkische Organisationen konzentriert oder mit ihnen gearbeitet“, sagte er. Steudtner bedankte sich zudem beim Gericht, dass er die Möglichkeit dazu habe, sich zu verteidigen. Er betonte seine Bereitschaft zur Mitarbeit bei dem juristischen Prozess, wie er es bisher getan habe.
Zu den elf Angeklagten gehören auch der schwedische Menschenrechtler Ali Gharavi, der Vorsitzende von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, sowie Amnesty-Landesdirektorin Idil Eser.
Bundesregierung appelliert an Rechtsstaatlichkeit der Türkei
Zum Prozessbeginn appellierte die Bundesregierung an die Rechtsstaatlichkeit der türkischen Justiz. „Die Türkei verweist stets auf die Unabhängigkeit ihrer Justiz. Das respektieren wir“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. „Vor diesem Hintergrund hoffen wir, dass das heutige Verfahren in Istanbul ein ermutigendes Zeichen für Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz auch im Falle von Peter Steudtner setzen wird.“ Auch der zuständige Generalkonsul verfolge den Prozess. Man erwarte für den ersten Prozesstag zunächst eine Entscheidung über die Untersuchungshaft.
Steudtner, sein schwedischer Kollege Gharavi und acht türkische Menschenrechtler waren am 5. Juli bei einem Workshop auf einer Insel bei Istanbul unter Terrorverdacht festgenommen worden. Die beiden Ausländer waren als Referenten zu dem Seminar eingeladen gewesen, bei dem es laut Amnesty International um digitale Sicherheit und die Bewältigung von Stresssituationen ging. Am 18. Juli verhängte ein Gericht in Istanbul daraufhin Untersuchungshaft gegen Steudtner und Gharavi und mehrere andere Beschuldigte. Kilic war bereits im Juni im westtürkischen Izmir in U-Haft genommen worden, sein Fall wurde der Anklageschrift überraschend hinzugefügt. (dpa)