Washington/Bangkok. Die USA versuchen, Südkorea und Japan vor Nordkorea zu beschützen. Dabei hat Pjöngjang im Vergleich zu Washington sehr wenige Waffen.
Ein gezielter Militärschlag der USA gegen Nordkorea dürfte sofort einen Gegenschlag auslösen – mit verheerenden Folgen besonders für Südkorea und die dort stationierten 28.500 US-Soldaten, aber auch für die gesamte Region. Nur 50 Kilometer südlich der Grenze zwischen Nord- und Südkorea leben rund 25 Millionen Menschen im Großraum Seoul. Auch ohne den Einsatz von Atomwaffen wären die Menschen in Gefahr.
Nordkorea hat bis zu 15.000 Artilleriegeschütze an den Berghängen entlang der Demarkationslinie stationiert. Das amerikanische Nautilus-Institut schätzt, dass davon immerhin 700 Kanonen und Raketenwerfer die südkoreanische Hauptstadt unter Beschuss nehmen könnten. Ein Krieg würde dort eine Massenpanik auslösen. Seoul ist schwer zu evakuieren: In der Mitte wird die Stadt durch den Han-Fluss geteilt, im Süden von Bergen eingekesselt. Nordkorea könnte auch Raketen auf den US-Verbündeten Japan abschießen.
In Nordkorea 20 bis 60 Atombomben
Über das militärische Arsenal Nordkoreas gibt es keine verlässlichen Angaben. Nach Schätzungen des Sipri-Instituts in Stockholm besitzt das Land genug spaltbares Material, um zehn bis 20 Nuklearsprengköpfe zu bauen. Aber Sipri schränkt ein: „Es gibt bislang keine Beweise, dass Nordkorea Sprengköpfe gebaut hat, die auf ballistische Raketen passen.“ Das US-Korea Institute der Johns Hopkins University in Washington geht davon aus, dass Pjöngjang kurz vor dem Durchbruch bei der Entwicklung von Atomsprengköpfen für ballistische Raketen steht: „Nordkorea verfügt über einige wenige Langstreckenraketen, die eine ‚limitierte Kapazität‘ besitzen, aber dennoch die USA bedrohen können.“
Nordkorea: Raketen für den Führer
Mit einer Gesamtzahl von geschätzt 20 bis 60 Atombomben gehört Nordkorea angesichts der weltweit vorhandenen fast 15.000 Atomwaffen zu den Zwergmächten – neben den Atomstaaten USA, Russland, Frankreich, China, Indien, Pakistan und Israel.
Die Vereinigten Staaten verfügen nach aktuellen Zahlen des Pentagon über rund 4000 Atomsprengköpfe. 1400 davon sind derzeit einsatzbereit auf rund 700 Interkontinentalraketen, U-Booten und Kampfbombern installiert. Um sich gegen auswärtige Atomangriffe zu schützen, insbesondere durch Langstreckenraketen, halten die USA auf den Armeestützpunkten Vandenberg (Kalifornien) und Fort Greely (Alaska) rund 40 GMD-Abfangsysteme vor, die feindliche Geschosse bereits im Weltraum neutralisieren sollen. Gegen feindliche Kurz- und Mittelstreckenraketen erprobt das US-Militär seit über zehn Jahren das Abwehrsystem Thaad (Terminal High Altitude Area Defense).
Pazifikinsel Guam ist seit 100 Jahren US-Staatsgebiet
Das System besteht aus sechs Raketenwerfern mit je acht lenkbaren Abfangraketen. Sie besitzen keine Sprengköpfe, sondern nutzen in einer Abfanghöhe von maximal 150 Kilometern die Wucht des Zusammenpralls, um den gegnerischen Flugkörper zu vernichten. In diesem Fall, so das Pentagon, könne die Gefahr von Strahlenschäden durch Atomsprengköpfe auf der Erde minimiert werden. Das System wurde erst vor wenigen Tagen in Alaska ausprobiert und kann auf Lastwagen installiert werden. Laut Pentagon sind bisher 15 Thaad-Tests erfolgreich verlaufen.
Die amerikanische Wissenschaftlervereinigung „Union of Concerned Scientists (UCS)“ hält das für Augenwischerei und spricht von „Verschwendung von Ressourcen“. Die US-Regierung vermittle der Bevölkerung ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Es sei völlig unklar, ob Thaad einem ganzen Schwarm von Raketen gewachsen wäre.
Thaad-Batterien sind bereits in Südkorea und auf der Pazifikinsel Guam stationiert. Sie gehört seit mehr als 100 Jahren zum US-Staatsgebiet und liegt nur 3200 Kilometer von Nordkorea entfernt. Mit 5000 Soldaten ist Guam wichtiger Standort für die US-Luftwaffe.