Berlin. Wohin will die SPD mit Kanzlerkandidat Schulz? Was bedeutet das für eine mögliche Koalition? Andere Parteien sehen kein Bündnis-Signal.

Linke und Grüne sehen die Entscheidung für Martin Schulz als Kanzlerkandidat der SPD skeptisch und keine Signalwirkung für oder gegen eine rot-rot-grünes Bündnis. Auch die CDU kann nicht erkennen, wohin die Reise der SPD gehen soll. Martin Schulz stellt sich am Mittag in der SPD-Bundestagsfraktion als Herausforderer von Angela Merkel für die Bundestagswahl vor.

Die Linke, größte Oppositionspartei im Bundestag, attestiert Schulz fehlende Glaubwürdigkeit. „Ich glaube nicht, dass das einen großen Unterschied macht“, sagte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. „Mit Blick auf seine politische Biographie steht Martin Schulz nicht für einen sozialen Aufbruch, er ist leider kein glaubwürdiger Vertreter einer Neuorientierung zurück zu echter sozialdemokratischer Politik.“ Wagenknecht sieht Sigmar Gabriel, der lange als Kanzlerkandidat im Gespräch war, und Schulz politisch auf einer Linie. „Schulz hat Gabriels Kurs, die Beteiligung der SPD an der Zerstörung des Sozialstaats, nie kritisiert. Beide stehen einander politisch nah.“

„Zeichen für Durcheinander bei der SPD“

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn forderte Schulz am Mittwoch im Deutschlandfunk auf, eine klare Position zu beziehen und Konzepte etwa zur inneren Sicherheit vorzulegen. Die Entscheidung, dass nicht Sigmar Gabriel, sondern Schulz die SPD in den Wahlkampf führen soll, sei „ein Zeichen für das Durcheinander bei der SPD“. Aktuell müsse die SPD entscheiden, ob sie fortan als Regierungspartner oder als Opposition agieren wolle. Eine Neuauflage der großen Koalition strebe die Union ausdrücklich nicht an, sagte Spahn.

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    Auch für die Haltung der Grünen zur SPD hat die Personalentscheidung keine Konsequenzen. „Für uns ändert sich durch die Entscheidung der SPD nichts“, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. „Wir ziehen eigenständig in den Wahlkampf und reden über Inhalte, statt Koalitionsdebatten zu führen.“

    Geteiltes Echo auf die Personalie

    Einen klaren Kurs der SPD kann Göring-Eckardt mit Schulz aber auch nicht erkennen. „Acht Monate vor der Bundestagswahl ist mit der Entscheidung für Martin Schulz völlig unklar, wofür die SPD steht“, sagte sie unserer Redaktion.

    „Mister Europa“ Martin Schulz in Fotos

    Er steht für das Projekt Europa, nun zieht es ihn nach Berlin. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kandidiert für den Bundestag. Das Foto zeigt Schulz an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt.
    Er steht für das Projekt Europa, nun zieht es ihn nach Berlin. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kandidiert für den Bundestag. Das Foto zeigt Schulz an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt. © REUTERS | REUTERS / NTB SCANPIX
    Europa ist für den Mann aus Aachen, der nahe der Grenze zu den Niederlanden aufwuchs, ein Herzensanliegen.
    Europa ist für den Mann aus Aachen, der nahe der Grenze zu den Niederlanden aufwuchs, ein Herzensanliegen. © dpa | Stephanie Lecocq
    Zusammen mit dem EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker (re.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU.
    Zusammen mit dem EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker (re.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU. © dpa | Axel Heimken
    SPD-Mitglied Schulz wechselt nun in die Bundespolitik – doch welche Ämter er in Berlin anstrebt, ist noch offen.
    SPD-Mitglied Schulz wechselt nun in die Bundespolitik – doch welche Ämter er in Berlin anstrebt, ist noch offen. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Es wurde spekuliert, Schulz solle als Kanzlerkandidat der SPD für die Wahl 2017 in Stellung gebracht werden.
    Es wurde spekuliert, Schulz solle als Kanzlerkandidat der SPD für die Wahl 2017 in Stellung gebracht werden. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
    In der Flüchtlingspolitik engagierte sich Schulz besonders. Das Foto zeigt ihn im November 2015 in Athen beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft.
    In der Flüchtlingspolitik engagierte sich Schulz besonders. Das Foto zeigt ihn im November 2015 in Athen beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft. © imago | ZUMA Press
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“.
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“. © imago | Agentur Baganz
    Im September 2015 empfing Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg.
    Im September 2015 empfing Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – natürlich begrüßt von Hausherr Martin Schulz.
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – natürlich begrüßt von Hausherr Martin Schulz. © REUTERS | REUTERS / POOL
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments.
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Die Nummer eins will Martin Schulz demnächst in NRW sein – jedenfalls auf der Landesliste für die Bundestagswahl 2017.
    Die Nummer eins will Martin Schulz demnächst in NRW sein – jedenfalls auf der Landesliste für die Bundestagswahl 2017. © dpa | Michael Kappeler
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London.
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London. © REUTERS | REUTERS / STEFAN WERMUTH
    Die drei von der SPD: Parteichef Sigmar Gabriel, Noch-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz – wird Schulz Nachfolger von einem der beiden?
    Die drei von der SPD: Parteichef Sigmar Gabriel, Noch-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz – wird Schulz Nachfolger von einem der beiden? © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Das „Projekt Europa“ will Schulz künftig von Berlin aus begleiten, kündigte er in Brüssel an.
    Das „Projekt Europa“ will Schulz künftig von Berlin aus begleiten, kündigte er in Brüssel an. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
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    SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte am Dienstag verkündet, dass er dem früheren EU-Parlamentspräsidenten Schulz sowohl den Parteivorsitz als auch die Kanzlerkandidatur überlassen will. Der überraschende Wachwechsel war auf ein geteiltes Echo gestoßen.

    In den eigenen Reihen wurde die Personalie erwartungsgemäß positiv aufgenommen. „Glückwunsch Martin Schulz! Unsere Unterstützung hast Du“, schrieb Hannelore Kraft, NRW-Ministerpräsidentin und stellvertretende SPD-Vorsitzende, noch am Abend auf Twitter. Dabei war Kraft, die Mitte Mai eine Landtagswahl zu bestehen hat, lange Zeit für Gabriel gewesen.

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    Schulz gibt sich kämpferisch

    Die Union hielt sich erstmal zurück. Kanzlerin Angela Merkel sagte zunächst gar nichts, CSU-Chef Horst Seehofer warnte die eigenen Leute, dass es jetzt nicht einfacher geworden sei: „Eigentore dürfen keine passieren, jetzt noch weniger.“

    Schulz gab sich kämpferisch. „Dieses Land braucht in diesen schwierigen Zeiten eine neue Führung“, sagte er am Dienstagabend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gabriel. „Die SPD hat den Führungsanspruch in diesem Land.“ Allerdings liegen die Sozialdemokraten in Umfragen weit abgeschlagen hinter der Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

    „Keine Hatz gegen Minderheiten mit mir“

    Schulz kündigte eine harte Auseinandersetzung mit Populisten und Extremisten an: „Ich sage in dieser auseinander driftenden Gesellschaft allen Populisten und den extremistischen Feinden unserer Demokratie und unserer pluralen Werteordnung hier entschieden den Kampf an.“ Er fügte hinzu: „Mit mir wird es kein Bashing gegen Europa geben. Mit mir wird es keine Hatz gegen Minderheiten geben.“

    Darum ist Sigmar Gabriels Rückzug stillos

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      Schulz war seit 1994 im Europaparlament und zuletzt dessen Präsident. Bundesfamilienministerin und SPD-Vizechefin Manuela Schwesig sagte der „Rheinischen Post“: „Mit ihm haben wir die Möglichkeit, einen engagierten, lebendigen Wahlkampf zu führen. Einen Wahlkampf für Gerechtigkeit“.

      Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry bezeichnete Schulz auf Twitter hingegen als „Symbol für EU-Bürokratie und ein tief gespaltenes Europa“. FDP-Chef Christian Lindner äußerte Kritik am Rückzug Gabriels, der viele unerledigte „Baustellen“ hinterlasse. Die Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, betonte, ihre Partei werde Schulz an seinen Taten messen. Die Grünen zeigten sich vorsichtig positiv.

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      „Martin Schulz hat bessere Chancen“

      Nachdem Gabriel Schulz in der SPD-Fraktionssitzung vorgeschlagen hatte, nominierte das SPD-Präsidium den 61-Jährigen einstimmig als Herausforderer von Merkel und künftigen Vorsitzenden. „Es kann sein, dass ich die besten Chancen habe, für die SPD die Bundestagswahl zu gewinnen. Und das ist genau der Grund, warum ich diese Aufgabe übernehme“, sagte Schulz.

      Auch Gabriel erklärte, er habe Schulz den Vortritt gelassen,

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      Schulz erhält seit Wochen in den Umfragen wesentlich bessere Werte als Gabriel. „Er ist jemand, der Brücken bauen kann, der Menschen zusammenführt.“ Dass er und Schulz befreundet seien, sei wichtig, aber nicht ausschlaggebend gewesen, sagte Gabriel und bezeichnete Schulz als „großen Sozialdemokraten“.

      Kabinettsumbildung wohl noch in dieser Woche

      Der 57-jährige Gabriel will nun Außenminister werden und Vizekanzler bleiben. Die frühere Justizministerin Brigitte Zypries (63) soll seine Nachfolgerin an der Spitze des Wirtschaftsressorts werden. Schulz soll wahrscheinlich im März auf einem vorgezogenen Parteitag zum SPD-Chef gewählt werden und dann Kanzlerin Merkel bei der Bundestagswahl am 24. September herausfordern. Gabriel war dann siebeneinhalb Jahre SPD-Vorsitzender.

      Das Kabinett wird voraussichtlich noch in dieser Woche umgebildet. Schon am Freitag könnten Gabriel und Zypries vereidigt werden. Der bisherige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) tritt am 12. Februar bei der Bundespräsidentenwahl als Kandidat der großen Koalition an – an seiner Wahl gibt es keinen Zweifel.

      Zunächst hatten das Magazin „stern“ und „Die Zeit“ über Gabriels Verzicht berichtet. (rtr/dpa)