Berlin. Die Schauspieler Moritz Bleibtreu und Lars Eidinger über die Miniserie „Faking Hitler“, die den Skandal der Hitler-Tagebücher erzählt.

Die gefälschten Hitler-Tagebücher, die der „Stern“ 1983 veröffentlichte, waren der größte Medienskandal Deutschlands. Den unglaublichen Fall um den Kunstfälscher Konrad Kujau und den Reporter Gerd Heidemann hat Helmut Dietl schon 1991 in der großartigen Satire „Schtonk!“ mit Uwe Ochsenknecht und Götz George verfilmt. Nun wagt Ufa Fiction eine Neuversion als sechsteilige Miniserie, die noch weitere Kreise zieht. „Faking Hitler“ ist ab 30. November auf RTL plus im Stream zu sehen. Kujau wird von Moritz Bleibtreu, Heidemann von Lars Eidinger gespielt.

Jeder kennt „Schtonk!“ von Helmut Dietl. Überlegt man sich da doppelt, bei einem neuen Film über diese Affäre zuzusagen?

Lars Eidinger: Ich habe „Schtonk!“ nie gesehen und ihn mir in dem Zusammenhang auch gar nicht erst angeschaut. Der ist bestimmt sehr gut. Und sicher ist es Götz George als Gerd Heidemann auch. Ich war aber froh, ihn nicht die ganze Zeit als Referenz im Kopf zu haben.

Moritz Bleibtreu: Ich war sehr gut mit Helmut befreundet. Aber die Zeit, als er sich dieser Geschichte gewidmet hat, war eine ganz andere. Und dann ist auch der Ansatz ganz anders, gerade was Kujau angeht. Helmut und Uwe haben den völlig anders konzipiert. Jemand, der ähnlich wie der junge Hitler darunter litt, als Künstler nicht anerkannt zu werden, um sich dann in diese Figur hineinzudenken und zu dem zu werden. Das war ein geradezu künstlerischer Ansatz. Mein Kujau ist das Gegenteil davon. Der arbeitet höchstens von zehn bis zwölf. Hauptsache, er hat genug Zeit für Frauen und genug Geld zum Saufen. Ich würde ihn aber trotzdem einen Künstler nennen, weil er eine wahnsinnige Begabung hatte. Es fehlte aber das Essenzielle, der Drang nach Ausdruck. Das war sein Widerspruch. Vielleicht ist das jetzt auch übergriffig, ich kannte Kujau ja gar nicht, aber das ist meine Interpretation davon.

Jetzt werden Sie wohl ständig mit Uwe Ochsenknecht verglichen. Ruft man da vorher an und holt sich quasi eine Erlaubnis?

Bleibtreu: Nein. Wir haben letzten Sommer Urlaub auf Mallorca gemacht und ihn zufällig in seiner Bar getroffen. Da sagte er: „Ich hab’ gehört, du spielst mich noch mal.“ Einen Tag später schrieb mir Oliver Masucci (der wiederauferstandene Hitler in „Er ist wieder da“, die Red.): „Ich habe gehört, du bist derjenige, der meine Tagebücher fälscht.“ Es ist lustig, da haben sich viele Kreise geschlossen.

Als der Skandal um die gefälschten Tagebücher 1983 aufflog, galten die Medien noch als seriös. Heute gibt es jede Menge Fake News, alternative Fakten. Schaut man da mit anderen Augen auf den Skandal von einst?

Bleibtreu: Die Parallele zu heute ist offensichtlich. Und man kann wohl schon sagen, dass dieser Skandal einen Anfang gesetzt hat, dass die Deutungshoheit der Leitmedien als solche infrage gestellt wurde. Der „Stern“ war damals noch ein hochpolitisches Magazin. Und das ließ sich so einen Käse andrehen? Da haben wir zum ersten Mal gelernt, dass man vielleicht nicht alles glauben darf, was gedruckt wird. Das hat sich seither stark verändert, heute zirkuliert alles Mögliche, und wir wissen gar nicht mehr, was stimmt. Wo ja auch überall schamlos gelogen wird. Damals war das maßgebende Problem noch, dass nicht genug Informationen vorhanden waren und wir froh waren, wenn wir mal an welche kamen. Heute erleben wir das genaue Gegenteil: Wir haben einen Überfluss an Information, uns fehlt aber der Mediator, der richtig von falsch unterscheiden kann. Das ist viel schlimmer.

Eidinger: Da bin ich vorsichtig. Klar, im Titel steckt der Begriff „Fake“. Und es wird versucht, einen zeitgenössischen Kontext herzustellen. Aber mit Fake News hat das meiner Meinung nach nichts zu tun. Eine Fake News ist eine bewusst fingierte Falschnachricht, um Menschen zu manipulieren. Bei unserem Film aber hat jemand Hitler-Tagebücher gefälscht, um von der Faszination zu profitieren, die davon ausgeht. Aber was sagt das über die Gesellschaft aus? Und welchen Anteil haben wir daran, darauf reinzufallen? Der „Stern“ hat dafür Millionen gezahlt. Wollten die auf eine so plumpe Fälschung reinfallen? Wollten sie daran glauben? Ist da nicht eine Sensations- und Skandallüsternheit? Das zu hinterfragen, finde ich viel interessanter.

„Schauspieler müssen nicht Freunde sein und nach der Arbeit noch ein Bier trinken gehen“:  Lars Eidinger (l.) und Moritz Bleibtreu im Hyatt-Hotel.
„Schauspieler müssen nicht Freunde sein und nach der Arbeit noch ein Bier trinken gehen“: Lars Eidinger (l.) und Moritz Bleibtreu im Hyatt-Hotel. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Sie haben nur wenige Szenen miteinander, das aber sind Schlüsselszenen der Serie. Wie war dieses Zusammenspiel? Sie sind so unterschiedliche Schauspieler. Prallten da diametrale Kräfte aufeinander?

Eidinger: Wir kannten uns ja schon, wir haben schon bei Schirachs „Schuld“ zusammen gespielt. Ich genieße es immer, mit Moritz zu spielen. Weil er ein virtuoser Spieler ist. Es ist immer wieder verblüffend, Schauspielern auf der spielerischen Ebene zu begegnen. Ich halte es für einen Irrglauben, Schauspieler müssten Freunde sein und nach der Arbeit noch ein Bier trinken gehen. Ich mache das in den seltensten Fällen, eigentlich nie. Auch nicht mit Leuten, die ich wahnsinnig schätze. Das Verrückte ist, dass die Begegnung vor der Kamera im spielerischen Moment um so vieles intimer ist als irgendwas, was man nach Drehschluss gemeinsam erleben könnte.

Bleibtreu: Lars und ich sind wirklich ganz unterschiedlich, als Mensch wie als Schauspieler. Aber das Tolle am Schauspiel ist ja, dass es, wie in jeder Kunstform, eine Universalität gibt. Etwas, das über alle Geschmäcker oder theoretischen Ansätze hinausgeht: ein natürliches Verständnis. Und gerade wenn zwei gegensätzliche Menschen aufeinandertreffen, setzt das eine sehr positive Kraft frei. Viele Regisseure, mit denen ich gern arbeite, sind komplett anders als ich. Aber genau das macht die Chemie zwischen uns aus. Lars ist sicher einer der begabtesten Schauspieler seiner Generation, und es ist ein Riesenspaß, mit ihm zu spielen. Wie in der Musik: Da kannst du einen israelischen Flötenspieler neben einen Funkbass-Player aus New Orleans setzen, die sich nicht verständigen können und sich auch noch nie gesehen haben. Aber wenn die anfangen, Musik zu machen, dann finden die sich.

Lesen Sie auch: ARD: Radikale Veränderung beim Sender - Wie die Mediathek überzeugen soll