Berlin. Heidi Klum meldete sich aus L.A., Publikum gab es nicht und eine Kandidatin schmiss freiwillig hin. Das GNTM-Finale war ein Desaster.
- Das GNTM-Finale war dieses Jahr an Peinlichkeiten nicht zu überbieten – das lag vor allem an der durch die Corona-Krise radikal veränderten Live-Show
- Auf diese wollte ProSieben nicht verzichten – auch wenn Heidi Klum selbst nicht körperlich anwesend sein konnte
- Als dann die Verkündung der Siegerin Jacky auch noch durch eine gespielte Signalstörung hinausgezögert wurde, war der Spannungsmoment, wenn er denn je da war, dahin
- Für Aufregung sorgte unterdessen der Ausstieg von Lijana, die wegen Hass im Netz und sogar Morddrohungen das Handtuch warf und mit Polizeischutz zum Finale anreisen musste
Die Live-Show ist tot – es lebe die Live-Show. Das haben sich wohl die Produzenten bei ProSieben gedacht, als sie das Finale von „Germany’s Next Topmodel“ als Corona-Edition planten. Denn wie ersetzt man eine Modelmama und das übliche Studiopublikum samt Fanplakaten und stolzen Kandidatinnenfamilien? Die Antwort ist ernüchternd: mit einer Peinlichkeit nach der anderen.
Klar, Momente des Fremdschämens gehören zum Finale der Castingshow wie Essstörungen zum Model-Business. Man erinnere sich nur an Thomas Gottschalk als Ehrengast. Heidi Klum trat diesmal zwar nicht als Zeremonienmeisterin auf, versteckte sich dafür aber auf einem Display in einem Koffer.
GNTM-Finale: Heidi Klum konnte nicht nach Deutschland reisen
Heidi Klum konnte aufgrund der Corona-Pandemie nicht für das Finale aus Los Angeles anreisen und wurde deshalb gezwungenermaßen zum Koffergeist. Während Heidi mit einigen Sekunden Verzögerung per Videoschalte über die Show und ihre „Meeedchen“ herrschen sollte, war Fotograf Christian Anwander einbestellt worden, um die Situation im Studio nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.
Das gelang ihm nur mäßig. Denn gleich bei der ersten richtigen Challenge, dem „Be-yourself-Walk“ stieg eine der vier GNTM-Anwärterinnen aus: Lijana Kaggwa. Sie hatte von allen Kandidatinnen am meisten polarisiert und verzichtete auf die Teilnahme am Finale. Sie leide zu sehr unter Anfeindungen im Netz, sogar Morddrohungen habe sie erhalten.
Topmodel-Kandidatin Lijana steigt wegen Morddrohungen und Cybermobbing aus
Die 24-Jährige kam mit Polizeischutz nach Berlin. „Ich werde nicht mehr das Futter sein für mehr Hass. Denn ab jetzt höre ich nur noch auf mein Herz“, sagte Kaggwa nach einem wilden Headbang-Tanz zu der Ersatz-Jury und Heidi im Koffer. Noch kläglicher wurde die ganze Situation, als klar wurde, dass Heidi das Geschehen nicht in Echtzeit mitkriegte und im Studio auch kein professioneller Moderator anwesend war, der das Ganze mit überlegten Worten hätte retten können.
Die Kandidatinnen im Interview: Lijana erzählt, wie sie attackiert wurde
Glück für die anderen drei Topmodel-Finalistinnen Maureen, Sarah und Jackie: Bei diesem Walk flog zumindest keine von ihnen raus. Dagegen ist Lijanas Ausscheiden ein ziemliches Desaster für die Show-Produzenten: Kein einziger der vorproduzierten Einspieler macht noch Sinn. Schon gar nicht die Aufnahmen vom finalen Fotoshooting, das vor der eigentlichen Show auf einem Ausflugsdampfer auf der Spree stattfand. Mit Abstand und Desinfektionsmittel natürlich.
„Germany’s Next Topmodel“: Fotoshooting musste vor der Final-Show stattfinden
Dort mussten sich die „Mädels“ im Pin-Up-Style á la Dita von Teese in einem überdimensionalen Cocktailglas räkeln, während Spaziergänger vom Ufer aus gafften. Es sind nicht die einzigen knappen Outfits in der Sendung. Grundsätzlich sind die angehenden Models selten in mehr als Dessous zu sehen. Manchmal steckt man ihnen noch Flügel oder eine Schleppe an.
Dass vor wenigen Monaten das Aus für die legendäre Victoria’s-Secret-Show bekannt gegeben wurde, aus finanziellen Gründen und wegen Sexismus-Vorwürfen, ist bei GNTM noch längst kein Grund, keinen Abklatsch der „Engel in Dessous“-Masche zu produzieren. Auch glitzernde BHs können aber nicht davon ablenken, dass das Finale in etwa so langweilig ist wie die gesamte Staffel. Vielleicht ist das der Grund weshalb immer wieder Rückblicke aus den vergangenen Jahren gezeigt wurden?
GNTM- Wer schon alles in der Jury saß
GNTM-Finale mit alten Bekannten: Gisele, Micaela Schäfer und Klaudia zu Gast
Die Nostalgie geht so weit, dass Heidi all die Kandidatinnen eingeladen hat, die ihr besonders im Gedächtnis geblieben sind. Mit dabei: Gisele Oppermann, bekannt für ihre Tränenausbrüche, Erotikmodel Micaela Schäfer und Klaudia Giez, für alle GNTM-Zuschauer nur „Klaudia mit K“. Letztere hatte sogar ihr überdimensionales rotes „K“ dabei. Eigentlich fehlte in der Runde nur noch „Honey“ – der Reality-TV-Teilnehmer Alexander Keen, der es als Ex-Freund einer Teilnehmerin zu zweifelhaftem Ruhm gebracht hat.
Micaela Schäfer hielt sich in der Sendung ungewöhnlich bedeckt: „Meine Brüste sind in Quarantäne“, sagte das Erotikmodel in Anspielung auf ihr Kleid, das zumindest die Oberweite und alles ab der Hüfte abwärts verhüllte.
Topmodel-Finale: Designer Philipp Plein so unsympathisch wie eh und je
Auch wenn Jackie während ihres Walks mehrfach über ihre Schleppe stolperte, musste Maureen als Nächste gehen. Die Arme wurde von Designer Philipp Plein hinausbegleitet. Plein hatte sich mit seinem Auftritt als Gastjuror sowohl bei den Teilnehmerinnen als auch den Fans von GNTM keine Freunde gemacht.
Immerhin, Plein gelingt eine Punktlandung für den Kommentar der Show, der am meisten daneben ging: „Ich hatte noch nie so viele 15-Jährige auf meinem Instagram“, sagte der Designer mit einem unangenehmen Lächeln in Bezug auf den Shitstorm. Topmodel der Herzen Tamara, die wenigstens den „Personality Award“ gewann, hatte in ihrer Rede zumindest eine versteckte Botschaft an Plein: „Bleibt schön disgusting.“
„Germany’s Next Topmodel“: Jackie aus Hessen gewinnt Castingshow
Am Ende gewann Jackie den Topmodel-Titel, die Abbildung auf dem Cover der deutschen Harper’s Bazaar und Vertrag mit der durchaus umstrittenen Agentur „ONEeins“. Vorher musste Heidis Koffer aber noch richtig positioniert werden und die Juroren Fotograf Christian Anwander und Thomas Hayo mussten sich ein bisschen mit Champagner anschickern. Als dann die Verkündung auch noch durch eine gespielte Signalstörung hinausgezögert wurde, war der Spannungsmoment, wenn er denn je da war, dahin.
Das Konfetti flog zwar von der Decke, Jackie jubelte kurz, Christian Anwander feierte wie bei einer Fußball-Weltmeisterschaft und auch das gefakte eingespielte Studioklatschen erschallte – doch in den Armen liegen, gratulieren oder trösten durfte sich dieses Jahr niemand.