Berlin. Bei “Anne Will“ rechnet eine Expertin mit einem gigantischen Preisschock für Mieter. Kevin Kühnert pariert Attacken von Jens Spahn.

Wladimir Putin hat mit einer weiteren Gewissheit gebrochen: Russland ist, anders als etwa noch die Sowjetunion im Kalten Krieg, kein verlässlicher Energielieferant mehr. Die Drosselung der Gaslieferungen beschäftigte am Sonntagabend auch die Runde bei Anne Will: "Wie hart werden die Folgen?", war die Sendung etwas ungelenk überschrieben.

"Anne Will": Das waren die Gäste:

  • Kevin Kühnert (SPD), Generalsekretär
  • Johannes Vogel (FDP), Stellvertretender Bundesvorsitzender
  • Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
  • Jens Spahn (CDU), MdB, Stellv. Bundestagsfraktionsvorsitzender
  • Anna Mayr, Hauptstadtkorrespondentin "Die Zeit"

"Anne Will": Wie dramatisch ist die Lage?

Bemerkenswert war, dass Claudia Kemfert gleich zu Beginn versuchte, etwas Luft aus der Debatte abzulassen. "Ich sehe kein Horrorszenario", stellte die Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung klar. Bis zum 1. Oktober müssten die Speicher von nun 60 auf dann 80 Prozent gefüllt werden.

"Wir bekommen ja Gas, auch aus anderen Ländern", sagte Kemfert dazu. Dabei habe Deutschland als reiches Land eine gute Position am Markt. "Wir kaufen gerade den asiatischen Ländern das Flüssiggas weg."

Die Politiker in der Runde waren da schon alarmierter. "Niemand kann 100 Prozent kalkulieren, was Putin tun wird", sagte Johannes Vogel mit Blick auf die anstehende Wartung der Pipeline Nord Stream 1. Ziel Russlands sei es, mit der Drosselung eine "zersetzende Debatte" auszulösen, an deren Ende weniger Solidarität für die Ukraine stehe.

Gas-Krise bei "Anne Will": Spahn attackiert Ampel-Koalition

Interessant war die Diskussion auch, als es um das Handeln der Bundesregierung ging. Hat sie genügend vorgesorgt? Jens Spahn äußerte Zweifel. So hätte Deutschland gleich nach Kriegsbeginn die Kohle mehr nutzen und auf Biogas setzen können, kritisierte der CDU-Politiker. Auch hätte man sofort finanzielle Anreize fürs Gassparen schaffen können.

"Robert Habeck hat gesagt: Wir sind gut vorbereitet", fasste Spahn zusammen. "Das habe ich zu Beginn der Pandemie auch gesagt, und das hat mich schrecklich eingeholt."

Unterstützung erhielt Spahn von der Energieexpertin Kemfert, die insbesondere drei Maßnahmen gerne direkt nach dem 24. Februar gesehen hätte: Ein Auktionssystem, mit dem Industriebetriebe, die Gas einsparen, belohnt werden; ein Einbauverbot für neue Gasheizungen; und ein Anreizprogramm für Wärmepumpen. "Jetzt das Duschen zu erwähnen, reicht überhaupt nicht", kritisierte die Energieexpertin mit Blick auf die Verbraucherempfehlungen der Bundesregierung.

"Anne Will": Kevin Kühnert wehrt Spahns Angriff ab

Harte Vorwürfe, die von Kevin Kühnert allerdings durchaus pariert wurden. So erinnerte der SPD-Generalsekretär mit Blick auf Spahn und Kemfert daran, dass die beiden im Frühjahr noch für ein Gasembargo gegen Russland plädiert hatten. Eine Forderung, die schlecht gealtert ist, wenn man bedenkt, wie sehr uns schon eine Drosselung der Gasmengen unter Druck setzt.

"Mir ist das etwas zu leichtfüßig", sagte Kühnert schließlich zu Kemferts Vorschlägen. Man könne sich in Anbetracht der Lage nicht auf Alternativen verlassen, die vielleicht nicht ausreichend funktionieren. Da hatte er durchaus einen Punkt: Bei den Wärmepumpen etwa mangelt es derzeit eher weniger an der Förderung, sondern vielmehr an Geräten und kompetenten Handwerkern.

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"Anne Will": Energie-Expertin fürchtet Vervierfachung der Nebenkosten

Anne Will nennt gegen Ende der Sendung Horrorszenarien, wonach Mieterinnen und Mieter sich auf eine Verdreifachung der Nebenkostenabrechnung einstellen müssten. "Es kann sogar eine Vervierfachung sein", sagte Claudia Kemfert. Die Preise explodierten. Die Gaspreise vervierfachten sich teilweise. "Wenn die durchgereicht werden, ist das wirklich brutal." Im nächsten Winter komme es noch nicht so schlimm. Aber im darauffolgenden müsse man mit enormen Kostensteigerungen rechnen. "1000, 2000 Euro muss man da beiseitelegen", sagte Kemfert.

Das Fazit

Diese Ausgabe von "Anne Will" machte deutlich, dass niemand mit Sicherheit den besten Weg aus der Krise weisen kann. In den kommenden Wochen und Monaten werden wir daher wohl weiter ein Vorantasten sehen, das getrieben ist von dem, was der Mann in Moskau entscheidet. "Wir sind in einem fossilen Energiekrieg", sagte irgendwann Claudia Kemfert. Das ist in diesen Tagen sehr deutlich geworden.

Zur Ausgabe von "Anne Will" in der Mediathek.

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Dieser Text erschien zuerst bei waz.de.