Berlin. Welche Einschränkungen im Privaten müssen wir hinnehmen? Die Runde bei Lanz diskutierte leidenschaftlich – und fand keinen Konsens.

Angesichts rasant steigender Infektionszahlen diskutiert Deutschland über neue Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Am Mittwoch stellen die Bundesregierung und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten ihren neuen „Wumms“, ihre neue „Bazooka“ vor, mit dem die zweite Welle verlangsamt werden soll. Auch bei Markus Lanz ging es um diese neuen Mittel – genauer gefragt: Wie stark darf die Politik in unser Privatleben eingreifen? Lanz‘ Gäste diskutierten angeregt über Kontaktbeschränkungen, Restaurantschließungen und die Angst vor der Vereinsamung. Lesen Sie hier: Diese drastischen Corona-Regeln sollen ab 4. November gelten

„Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlandes
  • Thea Dorn, Autorin
  • Manfred Lütz, Psychiater
  • Elmar Theveßen, Journalist
  • Christine Dahlke, Virologin

Ministerpräsident Hans will Fokus auf private Kontakte richten

Vor allem Tobias Hans (CDU), der Ministerpräsident des Saarlandes, und die Autorin Thea Dorn waren sich uneins. Denn Hans bezeichnete die aktuelle Corona-Lage als „Wendepunkt“ in der Bekämpfung der Pandemie. „Im Sommer haben sich die Deutschen an eine gewisse Normalität gewöhnt. Deshalb müssen wir uns in der nächsten Zeit auf große Herausforderungen einstellen“, sagte Hans.

Der Länderchef priorisiert die Wirtschaft. Die Menschen müssten weiterhin zur Arbeit gehen können, weshalb auch Kitas und Schulen so lange wie möglich geöffnet bleiben sollten. Die wichtigste Waffe im Kampf gegen die Ausbreitung der Pandemie sei weiterhin, die privaten Kontakte zu beschränken.

Thea Dorn fordert andere Form des Corona-Diskurses

Autorin Thea Dorn zielte mit Kritik auf andere Punkte. Es sei unmenschlich, einer Rentnerin erzählen zu wollen, sie dürfe nun zu niemandem mehr Kontakt haben. Außerdem stelle die Regierung viele Beschränkungen derzeit als „alternativlos“ dar – Dorns Meinung zufolge ein großes Problem, da so kritische Stimmen schnell ausgeschaltet würden.

„Der Umgang mit kritischen Köpfen ist in Deutschland an einem Punkt, an dem man versuche, dieser Kritiker zum Zurückrudern zu bewegen, um den ‚Wirrköpfen‘ keine Munition zu geben“, beschwert sich Thea Dorn über die aktuelle Diskussion. „Im kritischen Diskurs müssen auch Meinungen einer Minderheit einen Platz haben“.

Ein Psychotherapeut als Lichtblick der Debatte

Glücklicherweise bestand die Runde bei Markus Lanz nicht nur aus Hans und Dorn – beide zeigten sich weitgehend erwartbar in ihrer Argumentation. Ein echter Lichtblick war hingegen der Psychotherapeut Manfred Lütz.

Lütz stimmte Thea Dorn zwar prinzipiell zu, dass kritische Stimmen in jeder Debatte gehört werden müssten, dazu aber auch jemand wie Karl Lauterbach (SPD) gehöre, der immer wieder schärfere Maßnahmen im Kampf gegen das Virus fordert.

„Die Regeln der Politik müssen immer unlogisch sein“

Allen recht machen könne man es sowieso nicht, findet Manfred Lütz. „Die Regeln der Politik müssen immer unlogisch sein, weil sie generalisierend sind.“ Eigentlich bräuchte man in Deutschland 83 Millionen verschiedene Regeln. Der Psychologe wirkt während der gesamten Debatte zu den durch Sars-CoV-2 nötig gewordenen Einschränkungen hellwach und engagiert. Eigentlich, so merkt Lütz an, müsse sich jeder und jede noch mehr einschränken, als es die aktuellen Maßnahmen forderten.

Lütz pocht auf Solidarität statt Spaltung

Das Engagement aller Menschen sei der wichtigste Weg, um Druck von der Regierung zu nehmen, nicht mehr so stark ins Privatleben einzugreifen, sagt Lütz. „Denn wenn Ordnungsamt und Polizei in unseren Wohnzimmern stehen, geht es mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bergab.“

Doch eine positive Entwicklung kann Lütz auch noch feststellen: „Ich habe gemerkt, dass viele Menschen durch die Beschränkungen eher in der Gegenwart leben. Sie überlegen, wen sie in welchem Maße treffen oder wen sie mal wieder anrufen könnten.“ Die Krise als Chance sehen wolle er jedoch nicht, sagt Lütz. Aber das beste Mittel gegen Vereinsamung sei nach wie vor „Mitmenschlichkeit und Solidarität“.

Polizei in Freising auf der Suche nach Maskenmuffeln

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    „Lanz“ kann mit weiteren Themen nicht punkten

    Andere Themen der Sendung? Leider nicht der Rede wert. Und sonst? In den ersten zehn Minuten der Sendung durfte Tobias Hans über den Machtkampf in der CDU sprechen – die Zeit hätte sich die Redaktion sparen können, da Hans weder neue Erkenntnisse noch unerwartete Einsichten lieferte. Die Union müsse zusammenstehen und dürfe sich nicht in Basis und Establishment spalten, so Hans.

    Zum Schluss schaltete sich noch Elmar Theveßen aus Washington D.C. in die Sendung, um über die heiße Phase des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes zu berichten. Auch diesen Teil der Sendung hätte es nicht gebraucht, da das Thema derzeit auf nahezu allen anderen Kanälen läuft und nur Zeit von der vorherigen, zum Schluss noch recht spannenden Diskussion über die Corona-Einschränkungen wegnahm.

    Und ein Talk ist ja bekanntlich immer dann am stärksten, wenn die Gäste die Sendung durch gute Diskussionen tragen. Und die wurden – auch durch den Moderator – in der heutigen Ausgabe leider größtenteils verhindert.