Berlin. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kam ins Straucheln. Ein Virologe ermunterte die Deutschen dazu, Urlaub zu machen.

  • Bei „Markus Lanz“ war unter anderem Berlins Bürgermeister Michael Müller zu Gast
  • Dabei konnte Müller mit seinem Auftritt nicht gerade punkten – im Gegenteil
  • Auch Thema des ZDF-Talks: der Corona-Ausbruch bei Tönnies

Berlins Regierender Bürgermeister kam etwas ins Straucheln. In Neukölln und Friedrichshain gibt es in einzelnen Wohnblöcken größere Corona-Ausbrüche. Bei „Markus Lanz“ konnte Michael Müller (SPD) zwar nicht das Haus auf dem eingespielten Foto erkennen, wusste aber genau, dass „Berlin vom Lockdown weit entfernt“ sei.

Etwa 60 Neuinfektionen verzeichnet die Hauptstadt aktuell pro Tag. Die zuständigen bezirklichen Gesundheitsämter hätten die Situation im Griff, so Müller: 80 bis 85 Prozent der Bewohner und Bewohnerinnen der betroffenen Wohnblöcke wurden schon getestet.

Der Kolumnist der Berliner Morgenpost, Hajo Schumacher, widersprach laut und heftig: Man wisse doch gar nicht genau, wie viele Menschen in diesen Häusern lebten. Beruhigend wirkte das alles nicht.

Markus Lanz: Das waren die Gäste

  • Michael Müller, Regierender Bürgermeister Berlin (SPD)
  • Hajo Schumacher, Journalist
  • Merlind Theile, Journalistin „Die Zeit“
  • Prof. Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe
  • Ciro Krauthausen, Journalist

Jenseits dieses Disputs wirkte „Markus Lanz“ am Donnerstag allerdings insgesamt eher wie eine laue Sommer-Laberei unter Journalisten: Drei von fünf Gästen plus Moderator arbeiteten im Medienbereich. Viel ging es darum, wer sich womit wohlfühle und wobei nicht. Jeder durfte zu jedem Thema etwas sagen und alle waren sich im Grunde einig: Corona sei wie ein Brennglas, unter dem lang bekannte Probleme endlich verdeutlicht und nicht mehr verdrängt werden könnten.

Zum Beispiel, unter welchen Bedingungen in diesem Land Fleisch produziert wird. „Zeit“-Redakteurin Merlind Theile, die auch zum jüngsten Skandal recherchiert hatte, machte erst einmal klar: „Wir sind bei der Fleischproduktion ein Billigland. Tönnies ist da nicht alleine, es ist das Sub-Sub-Sub-Unternehmer-System, durch das osteuropäische Billigarbeiter ausgebeutet werden.“ Die Werkverträge, die das ermöglichen, sollen 2021 verboten werden. „Wer weiß aber, ob die Lobbyisten bis dahin nicht noch Schlupflöcher finden.“

„Markus Lanz“ zu Corona-Ausbruch bei Tönnies: „Sklavenarbeit“ und Isolation

Welche Dramen sich „auf der anderen Seite des Bauzauns“, in den abgesperrten Wohnsilos der Gütersloher Fleischfabrik abspielten, konnte dieser Talk allerdings nicht ergründen – obwohl es Markus Lanz spürbar ein Bedürfnis war, mehr zur sozialen Situation der Tönnies-Arbeiter und -Arbeiterinnen zu erfahren. Niemand in der Talkrunde hat in letzter Zeit mit ihnen gesprochen, wie es schien. Mehr lesen: Wo ist Tönnies-Fleisch drin und wo wird es verkauft

Merlind Theile konnte immerhin berichten, dass Tönnies-Arbeiter und -Arbeiterinnen maximal 1.700 Euro brutto für 270 Stunden Arbeit erhalten, abzüglich Miete von 250 bis 300 Euro. Verlieren sie den Job, dann auch das Bett. Der Grund, weshalb sich niemand über die offensichtliche „Sklavenarbeit“ zu beschweren traue.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„Es mag zynisch klingen“, gab Theile zu, „aber das Gute daran ist, dass die Arbeiter so isoliert leben. Dadurch ist es wenig wahrscheinlich, dass sie Menschen aus der Umgebung angesteckt haben.“

Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, erklärte, warum es gerade in Schlachtbetrieben so häufig zu Superspreader-Ausbrüchen komme: „Die Umstände wirken wie ein Inkubator“: Kälte, hohe Luftfeuchtigkeit, Enge helfen mit, dass sich das Virus wohlfühlt und schnell und heftig ausbreitet.

Virologe über das Fliegen während Corona: Es ist sicher

Das sei im Flugzeug weniger das Problem, vor allem auf Kurz- und Mittelstrecken bis zu acht Stunden, erklärte Schmidt-Chanasit: „Die Luftfilter filtern auch das Virus raus, so sicher wie in unseren Labors, wo wir an Ebola forschen.“ Deshalb könne man in den Ferien beruhigt und angstfrei verreisen, empfahl er, „um Corona zu vergessen.“ Hintergrund: So sicher ist die Urlaubsreise per Flugzeug

Aufs Stichwort per Skype zugeschaltet, berichtete Ciro Krauthausen, Chefredakteur der „Mallorca Zeitung“, dann noch kurz von der aktuellen Situation auf der Insel, die seit letztem Sonntag wieder für den Tourismus freigegeben ist: Statt der üblichen 1000 Flieger pro Wochenendtag landeten momentan etwa 30 bis 40 Maschinen in Palma. Lesen Sie hier: Urlaub auf Mallorca – Das sind die fünf größten Probleme der ersten Mallorca-Urlauber während Corona

Und die Strände auf Mallorca wirkten so leer wie in den 70er Jahren: „Es gibt Abstandsregeln“, erklärte er, „vier Quadratmeter pro Person.“ Obwohl natürlich niemand diesen Abstand messen würde. „Aber es gilt: Wir müssen alle gemeinsam wachsam sein“, appellierte Krauthausen. Damit das Virus nicht wiederkommt.

Corona-Talk bei Lanz – Das waren die vergangenen Sendungen