Berlin. Der Corona-Massenausbruch bei Tönnies dominierte auch am Mittwoch die Talkshow. Ein Landrat berichtete von der Situation vor Ort.

Der Fall Tönnies hat wortwörtlich weite Kreise gezogen: Der Corona-Ausbruch in der Belegschaft der Fleischfabrik hat nicht nur für Gütersloh, sondern auch für den Nachbar-Kreis Warendorf zu einem erneuten Lockdown geführt. Dort ist die Empörung über das Verhalten der Firma Tönnies groß, wie der Auftritt des Landrats Olaf Gericke (CDU) bei Markus Lanz am Mittwoch zeigte.

Die Zahl der Corona-Infektionen bei Tönnies-Mitarbeitern steigt weiter – inzwischen gibt über 1500 bestätigte Fälle. Alle Angestellten stehen unter Quarantäne. Dass sich das Virus in Schlachthöfen in solch großem Ausmaß verbreitet, liegt unter anderem an der Unterbringung der Arbeiter. Die meisten stammen aus Osteuropa, werden über Subunternehmen angestellt und in Sammelunterkünften untergebracht. Teilweise werden bis zu neun Personen in eine Dreizimmerwohnung gepfercht. Lesen Sie hier: So erkennt man Fleisch und Produkte von Tönnies

Markus Lanz – das waren die Gäste:

  • Helge Braun, Kanzleramtschef (CDU)
  • Robin Alexander, stellvertretender „Welt“-Chefredakteur
  • Olaf Gericke, CDU-Politiker, Landrat des Kreises Warendorf
  • Prof. Alexander Kekulé, Virologe
  • Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington
  • Sandra Navidi, Juristin

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Markus Lanz: Nachverfolgung von Corona-Fällen ist Mammutaufgabe

Diese Zustände sind katastrophal – und machen den Warendorfer Behörden jetzt das Leben schwer: „Es sind mehrere Hundert Wohnungen, in denen die 1300 Angestellten bei uns wohnen. Das ist also eine logistische Mammutaufgabe.“ Man versuche derzeit, auch mit Hilfe der Polizei, die Personen und Wohnungen zu überprüfen.

Auf Mithilfe von Tönnies könne man nicht hoffen. Gericke wirft dem Unternehmen zudem mangelnde Prävention vor: „Eine Firma, die sich vor einigen Wochen noch gerühmt hat, alles im Griff zu haben, hat leider versäumt, in der Hauptverwaltung eine Liste mit den Adressen der Mitarbeiter zu haben“, sagte der Landrat mit bitterem Sarkasmus. Lesen Sie hier: Coronavirus: Kann sich der Erreger durch Fleisch übertragen?

Corona-Infektionen: Landrat wirft Tönnies Schlampigkeit vor

Die Warendorfer Verwaltung hätte zwar am Mittwochmorgen der vergangenen Woche die Ergebnisse aus Gütersloh erhalten – aber erst am Donnerstagabend eine Liste mit Angestellten, die die Gesundheitsbehörde benötigte, um Maßnahmen einzuleiten. So sei wertvolle Zeit verloren gegangen. „Mittlerweile haben wir mehr als fünf Listen bekommen, zum Teil nur mit Namen, ohne Wohnanschrift“, berichtete der CDU-Politiker bei Lanz. Tönnies habe seiner Meinung nach „schlampig“ gearbeitet.

NRW-Behörden ordnen Corona-Lockdown in Kreisen Gütersloh und Warendorf an

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    Der Virologe Alexander Kekulé sieht deshalb für die Nachverfolgung der Infektionen schwarz: „Selbst wenn ein lokales Gesundheitsamt hundert Fälle hat, sprechen wir schon fast von einer Überforderung. Und jetzt geht es hier um eine Zahl, die quasi weltweit historisch ist.“

    Lockdown: Virologe dämpft Erwartungen zur Wirksamkeit

    Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) betonte in der Talkshow, dass deshalb auch die strengen Corona-Maßnahmen in Warendorf und Gütersloh so wichtig seien: „Wir machen einen Lockdown, um die Situation erstmal zu beruhigen und die Zeit zu haben, die ganzen Tests durchzuführen, um uns ein Bild zu verschaffen. Ist das begrenzt auf die Mitarbeiter der Firma Tönnies oder hat das schon seinen Weg in die Bevölkerung gefunden?“

    Am Wochenende beginnen in Nordrhein-Westfalen die Sommerferien. Olaf Gericke hofft darum, dass der Spuk dank Lockdown und Massentests binnen einer Woche wieder vorbei sein wird. Kekulé dämpfte die Erwartungen: „Ich bin da nicht so optimistisch. Denn wir wissen ja grundsätzlich, dass die Inkubationszeit bis zu zwei Wochen dauern kann. Deshalb ist das Standardprozedere, dass wir die Leute diese zwei Wochen beobachten“, erklärte der Virologe.

    Angehörige der Bundeswehr stehen vor dem Kreishaus in Warendorf. Die Bundeswehr unterstützt vor Ort und koordiniert die Einsatzkräfte für die Corona-Tests in mehreren Orten des Landkreises.
    Angehörige der Bundeswehr stehen vor dem Kreishaus in Warendorf. Die Bundeswehr unterstützt vor Ort und koordiniert die Einsatzkräfte für die Corona-Tests in mehreren Orten des Landkreises. © dpa | Guido Kirchner

    Warendorf und Gütersloh: Lockdownn ist Zumutung für Bewohner

    Für die Bewohner der Kreise Warendorf und Gütersloh ist der erneute Shutdown eine Zumutung: „Die Enttäuschung ist deshalb bei uns so groß, weil wir in den letzten Monaten immer sehr unterdurchschnittliche Infizierten-Zahlen hatten. Wir sind wunderbar durch die Zeit durchgekommen, weil unsere Bürgerinnen und Bürger sich genau an die Regeln gehalten haben“, erklärte Olaf Gericke. Durch ein singuläres Ereignis im Nachbarkreis sei nun ein „Scherbenhaufen“ entstanden. Lesen Sie hier den Kommentar: Tönnies-Ausbruch zeigt: Die Corona-Krise schwelt weiter

    Zu dem Scherbenhaufen gehört auch, dass der Kreis aktuell nicht nur die Kosten für die Tests für alle Bürger und Bürgerinnen, sondern auch die für die medizinische und Lebensmittelversorgung für die Tönnies-Angestellten trägt. Letzteres wollte eigentlich der Konzern übernehmen – dieser hätte sich aber bisher nicht gemeldet. „Irgendwer wird die Rechnung am Ende schon zahlen“, stellte Gericke ernüchtert fest.

    Die ganze Folge „Markus Lanz“ sehen Sie hier.

    So wurde die Corona-Krise bisher bei „Markus Lanz“ diskutiert: