Tatort heute mit Til Schweiger als Nick Tschiller: So gut ist "Tschill Out"
ARD-Krimi
„Tschill out“: So wird der neue „Tatort“ mit Til Schweiger
| Lesedauer: 7 Minuten
Fabian Hartmann
Drei Dinge, die man über Til Schweiger wissen muss
Drei Dinge, die man über Til Schweiger wissen muss
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Hamburg/Berlin.Til Schweiger ist als Nick Tschiller zurück am „Tatort“ – und er macht vieles anders als sonst. Warum genau das ein Erfolg werden kann.
Bislang war der „Tatort“ mit Til Schweiger nicht gerade bekannt für seine ruhige Atmosphäre. Mal stürmen Terroristen direkt zu Beginn ins „Tagesschau“-Studio, ein andermal explodiert direkt zu Beginn eine Autobombe unter dem Wagen des Kommissars, in aller Regelmäßigkeit gab es jede Menge Peng, Bumm und viele Tote, wenn Kommissar Nick Tschiller ermittelte. Und nun? Heißt es „Tschill out“. Und der Name des neuen Falls weist schon ein wenig darauf hin: Schweiger befindet sich dieses Mal nicht im Rambo-Modus.
Etwas Ruhe, etwas Erholung. Im Wattenmeer vor Cuxhaven, auf der Insel Neuwerk, weit entfernt von Hamburg, wartet Nick Tschiller auf den Ausgang eines Disziplinarverfahrens. Der Kommissar hatte es mal wieder übertrieben – und mit einem Alleingang seine Vorgesetzten gegen sich aufgebracht.
Der früher so betont lässige Cop Tschiller ist aus dem Verkehr gezogen. Das ist zumindest das, was die Zuschauer zu Beginn dieser „Tatort“-Folge sehen, die heute (5. Januar 2020, 20.15 Uhr) in der ARD ausgestrahlt wird.
Til Schweiger in „Tschill Out“: Ein Kommissar im Wartemodus
Um die Zeit abseits des Polizeidienstes zu überbrücken, hat sich Tochter Lenny, gespielt von Schweigers eigener Tochter Luna, eine Beschäftigungstherapie ausgedacht: Auf der Insel gibt es ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Hier soll Tschiller aushelfen.
Gesagt, getan.
Der nuschelnde Kommissar steht plötzlich nicht mehr Kiez-Ganoven gegenüber – sondern jungen Erwachsenen, die vom Weg abzukommen drohen. Präventionsarbeit im besten Sinne also.
„Tschill Out“? Nicht möglich, das Verbrechen ist nicht weit
Und so wie Tschiller mit den Jugendlichen auf dem Deich joggen geht, mit ihnen im Garten frotzelt, in der Küche aushilft, könnte man meinen, er wäre nur eine Nebenfigur in dieser „Tatort“-Folge. Doch natürlich ist das Verbrechen auch in „Tschill Out“ nicht weit.
Während Tschiller auf der Insel über sich und das Leben nachdenkt, sind seine Kollegen in Hamburg der organisierten Drogenkriminalität im Darknet auf den Fersen. Genauer gesagt: den Hintermännern. Der Vertrieb des Rauschgifts läuft über zwei Brüder, beide Mitglieder einer linksradikalen Punkband – zumindest sieht es zu Beginn danach aus.
Schweiger-„Tatort“ nimmt schnell an Fahrt auf
Aus dieser Prämisse entwickelt sich die Story, die schnell Fahrt aufnimmt. Und natürlich dauert es nicht lange, bis Tschiller wieder im Mittelpunkt des Geschehens steht. Auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen kommt es zu einem Anschlag, bei dem Eddi, einer der Brüder, erschossen wird. Tschillers Kollege Yalcin Gümer (Fahri Yardım) beschließt, Tom – den anderen Bruder – zu Tschiller auf die Insel zu bringen.
Tschiller ist davon nicht begeistert, doch er willigt ein. Schon bald deutet sich im Film eine Wendung an. Die beiden Brüder, die als Kronzeugen aussagen sollten und unter dem Schutz der Polizei standen, haben nicht nur mit Drogen gehandelt. Der beim Anschlag getötete Eddi steckte tief im kriminellen Sumpf – viel tiefer, als es sein Bruder lange wahrhaben wollte.
Dieser Til-Schweiger-„Tatort“ verzichtet auf Rambo-Szenen
Drogen, Cyber-Kriminalität, Familiendramen: Das Drehbuch behandelt diesmal ernste Themen. Der „Tatort“ nimmt sich die Zeit, Konflikte zu erzählen, ohne dabei überfrachtet zu wirken. Auf die für Schweiger-„Tatorte“ in der Vergangenheit so typischen Rambo-Szenen wurde komplett verzichtet. „Tschill Out“ wirkt dadurch wieder wie ein klassischer Krimi – und nicht wie ein Action-Film.
Und auch der Kommissar wird von einer anderen, sanften Seite gezeigt. Tschiller hadert noch immer mit der Vergangenheit, dem plötzlichen Tod seiner Frau. Beim Skypen mit Tochter Lenny mimt er den verletzlichen Familienvater. Die eigene sexuelle Attraktivität auf Frauen, die Schweiger in seinen Filmen so gern herausstellt, fehlt allerdings auch diesmal nicht – wenn auch mit anderem Ausgang. Kurz bevor es zum Sex mit der Heimleiterin kommt, zieht er sich zurück. „Ich kann nicht“, sagt Tschiller. Ein Satz, den man sonst selten von ihm hört.
An einigen Stellen wirkt „Tschill out“ zu effekthascherisch
Schade nur, dass die Drehbuchautoren offenbar auch so manches Klischee bedienen wollten. Der linke Musiker Tom, der mit Tschiller auf der Insel ausharrt, erzählte dem Kommissar, dass die Brüder nur „softe Drogen“ verkauft hätten – und die Einnahmen für politische Aktionen nutzten. „Lass mich raten: Ihr habt Mollis gekauft?“, erwidert Tschiller. Nein, sagt Tom, das Geld sei für die Opfer von Polizeigewalt vorgesehen. Und seine eigene Mutter sei übrigens an einer Überdosis Heroin gestorben, als er 16 war.
Ein Drogendealer, dessen eigene Mutter an Rauschgift zugrunde ging. Ein Linker, der Geld – natürlich – für die Opfer von Polizeigewalt sammelt. Und ein Kommissar, der mehr oder weniger Terror dahinter vermutet. Das wirkte dann doch etwas übertrieben – und damit unglaubwürdig. Man könnte auch sagen: zu effekthascherisch.
Nick Tschillers Zwangspause scheint vorbei zu sein
Trotz leichter Schwächen hat der NDR eine gute „Tatort“-Folge produziert. Erst am Ende, als der Plot auf der Insel auf einen Höhepunkt zuläuft, sich Gut und Böse gegenüberstehen, kommt es doch noch zum Einsatz von Schusswaffen. Die Ballerei früherer Tschiller-Einsätze steht also nicht mehr im Vordergrund – gut so! Es sieht ganz so aus, als wäre dem Hamburger „Tatort“ mit „Tschill Out“ der geplante Neuanfang geglückt.
„Ich brauche dich auf dem Festland“, sagt LKA-Mann Gümer in einer der letzten Szenen zu Tschiller. Die Zwangspause scheint damit vorbei zu sein. Und wenn die „Tatort“-Macher das Niveau dieser Ausgabe halten, ist das eine gute Nachricht.
• Diese Fotostrecke zeigt Bilder aus Til Schweigers bekanntesten Filmen: