Essen. Die ZDF-Reportage „Nur das Heute zählt“ begleitet Demenzkranke und ihre Partner. Die Geschichte eines Paares ist besonders berührend.

Die meisten Menschen denken bei Demenz oder Alzheimer an betagte Herrschaften, die sich vielleicht noch gut an ihre Kindheit erinnern können, aber vergessen haben, was gestern war; und die ihre Brille gern mal im Kühlschrank deponieren. Doch Demenz muss nicht erst im Alter auftreten.

Filmemacher Jens Niehuss stellt in seiner mit knapp dreißig Minuten viel zu kurzen „37 Grad“-Reportage zwei Frauen und einen Mann vor, die zum Teil deutlich unter sechzig waren, als die Krankheit diagnostiziert wurde.

„37 Grad“ zu Demenz: Wie Angehörige damit umgehen

Der Film mit dem treffenden Titel „Nur das Heute zählt“ handelt jedoch nicht von Einzel-, sondern von Doppelschicksalen: Stärker noch als die Betroffenen stehen die jeweiligen Lebensgefährten im Mittelpunkt. Eine der beiden erkrankten Frauen, Jenny, hat ohnehin ein Stadium erreicht, in dem sie fast apathisch im Bett liegt.

Auch mit Joachim ist eine Unterhaltung im Grunde nicht mehr möglich, weil er nur einsilbig antwortet. Zwischendurch schaut er auch mal verwirrt Richtung Kamera, als frage er sich, wer die fremden Menschen in seinem Haus sind.

1,7 Millionen Deutsche an Demenz erkrankt – und es werden mehr

Niehuss konzentriert sich auch deshalb auf die Ehepartner, weil sie kein eigenes Leben mehr führen können. Kurze Alltagsszenen genügen, um dies zu verdeutlichen: Bei Joachim, Mitte fünfzig, ist vor fünf Jahren Demenz diagnostiziert worden. Seinen Beruf hat er längst aufgeben müssen. Mittlerweile ist er derart auf seine Frau Andrea fixiert, dass er sie keine Sekunde aus den Augen lässt. Wenn sie einkaufen geht, wirft sie immer wieder mal ein Blick auf ihr Tablet: In der Wohnung sind überall Kameras installiert.

In Deutschland leben rund 1,7 Millionen Demenzkranke; in den nächsten dreißig Jahren wird sich diese Zahl vermutlich verdoppeln. Niehuss zeigt, wie unterschiedlich sich die Krankheit entwickeln kann. Er hat die drei Paare mehrere Monate lang regelmäßig besucht und Betroffene ausgewählt, die sich in verschiedenen Stadien befinden.

Christa zum Beispiel wirkt auf den ersten Blick ganz gesund. Sie war sechzig, als sie vor acht Jahren die Diagnose Alzheimer erhielt. Sie antwortet auf Fragen und macht sogar Scherze über die Krankheit. Den klassischen Test besteht sie jedoch nicht: Sie kann zwar ein Zifferblatt malen, aber es gelingt ihr nicht, die Zeiger so einzufügen, dass sie eine bestimmte Uhrzeit anzeigen.

Schuldgefühle: Jennys und Peters rührende Geschichte

Am erschütterndsten sind jedoch die Bilder von Jenny. Sie ist 63 und hat Demenz im letzten Stadium; ihre Diagnose ist erst vor acht Jahren gestellt worden. Ihr Mann Peter ist siebzig und kann es sich nicht leisten, seinen Beruf als Bauingenieur aufzugeben und in Rente zu gehen: Er muss jeden Monat zusätzlich zum Pflegegeld 2500 Euro für Jennys Unterbringung verdienen. Diese Ebene des Films ist auch deshalb so berührend, weil Peter erst lernen musste, mit seinen Schuldgefühlen umzugehen: weil er im Gegensatz zu seiner Frau nach wie vor ein Leben hat.

Gerade wegen solcher Aussagen wird dieser Film über einen Abschied auf Raten seine Zuschauer wehmütig und betroffen zurücklassen. Das ändert nichts am Respekt vor den drei Paaren und ihren Angehörigen, die sich für diese wichtige Reportage zur Verfügung gestellt haben.

„37 Grad“-Reportage „Nur das Heute zählt“, am 3.12. im ZDF

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Verschiedene Faktoren beeinflussen das Risiko, an Demenz zu erkranken: Inwiefern Stress dauerhaft zu Demenz führen kann und wie Sie sich am besten vor Demenz schützen. Pflegende Angehörige tragen viel Verantwortung: Was sie bei der Gabe von Medikamenten beachten müssen. Die Politik will ihrer Arbeit stärker wertschätzen, Arbeitsminister Hubertus Heil will pflegende Angehörige entlasten.