Hamburg. Magazine zur Einordnung: Am 2. Januar 1978 starteten ARD und ZDF mit „Tagesthemen“ und „Heute Journal“ neuartige Informationsformate.

Heute wäre so etwas kaum mehr möglich: Da starten zwei Sender, die in direkter Konkurrenz zueinander stehen, am exakt demselben Tag nahezu identische Nachrichtensendungen.

Vor 40 Jahren war das kein Problem: Am 2. Januar 1978 gingen sowohl die „Tagesthemen“ der ARD als auch das „Heute Journal“ des ZDF auf Sendung. Durch die erste Ausgabe der„Tagesthemen“ führte der 2002 gestorbene Klaus Stephan, die „Heute Journal“-Premiere moderierte Dieter Kronzucker.

Mit Beginn des Jahres 1978 änderten sich die Programmschemata

Wie es genau dazu kam, ist wegen der schlechten Quellenlage schwer zu recherchieren. Sicher ist nur, dass die beiden neuen Informationsformate im Zuge einer Änderung der Programmschemata beider Sender zum 1. Januar 1978 starteten. ARD und ZDF informierten sich damals gegenseitig über die Umstellungen im Programm – und wohl auch über ihre Pläne für neue Nachrichtensendungen. Man war halt unter sich.

Das Privatfernsehen gab es noch ebenso wenig wie das Internet. Die Presse wunderte sich denn auch nicht über den zeitgleichen Start der verwandten Formate. Interessanter fand sie es, dass Nachrichtensprecher Karl-Heinz Köpcke in der allerersten „Tagesthemen“-Sendung mit dem Papier raschelte und sich räusperte – aus Verdruss darüber, dass er nicht mehr allein im Nachrichtenstudio saß, wie TV-Kritiker damals glaubten.

Es ging um „eine Sendung neuen Typs“

Tatsächlich boten „Tagesthemen“ und „Heute Journal“ eine Alternative zu dem halbamtlich wirkenden Stil, in dem bei „Tagesschau“ und „Heute“ Nachrichten verlesen wurden. Es handele sich beim „Heute Journal“ um „eine Sendung neuen Typs“, schrieb der damalige ZDF-Chefredakteur Reinhard Apel im ZDF-Jahrbuch 1977. Mit seiner Einführung „sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es dem durchschnittlichen Nachrichten-Konsumenten in einer komplizierter werdenden Welt immer schwerer fällt, die Fakten richtig einzuordnen“.

Wesentlich anders klingt es auch nicht 40 Jahre später, in denen die Welt noch komplexer geworden ist, wenn Caren Miosga, Erste Moderatorin der „Tagesthemen“, ihre Aufgabe erläutert: „Es ist wichtig“, sagt sie, „dass wir weiterhin hintergründig bleiben und unsere Geschichten so erzählen, dass sich die Zuschauer ein Urteil erlauben können.“

Heute sind beide Magazine täglich zu sehen

Falsch wäre es jedoch, zu glauben, dass sich in den vier Jahrzehnten nichts geändert habe. Ursprünglich liefen die „Tagesthemen“ nur von Montag bis Donnerstag und das „Heute Journal“ von Montag bis Freitag. Heute sind beide Magazine an jedem Tag der Woche zu sehen. Früher waren die Beiträge länger. Das Nachrichtengeschäft hat sich beschleunigt. „Weil die Politik schneller geworden ist, müssen wir auch schneller reagieren“, sagt Miosga.

Verantwortlich für die Beschleunigung ist vor allem das Internet. „Bei uns gilt immer mehr das Prinzip Online first“, sagt Claus Kleber, Moderator des „Heute Journals“. „Wenn etwas fertig ist, stellen wir es sofort ins Netz.“ Meistens handelt es sich dabei um Interviews mit Politikern, die vor der Sendung aufgezeichnet wurden. Bei den übrigen Beiträgen lässt sich die Redaktion dagegen gern Zeit. „Wir sind Last-Minute-Tiere“, weiß ihr Moderator. Genauso arbeiten auch die „Tagesthemen“.

Nur zwei Journalisten moderierten beide Sendungen

Beide Magazine wurden von Moderatoren-Legenden geprägt. Im Falle der „Tagesthemen“ war das Hanns Joachim Friedrichs. Dessen Nachfolgerin Miosga erinnert sich noch an die Sätze, mit denen er die Sendung am Tag des Mauerfalls einleitete: „Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten; sie nutzen sich leicht ab. Aber heute Abend darf man einen riskieren: Dieser 9. November ist ein historischer Tag.“

Was Friedrichs für die „Tagesthemen“ bedeutete, war Wolf von Lojewski für das „Heute Journal“, den dessen heutiger Moderator Kleber bereits vor seinem Wechsel zum ZDF verehrte. Von Lojewski und Klaus-Peter Siegloch sind bis heute die einzigen TV-Journalisten, die sowohl das „Heute Journal“ als auch die „Tagesthemen“ moderierten.

Das ZDF-Team präsentiert die Nachrichten im virtuellen Studio

Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den Formaten? „,Heute Journal‘ und ,Tagesthemen‘ sind zweieiige Zwillinge“, findet Kleber. „Sie sind Moderatoren-Magazine mit Einordnung und Haltung.“ Doch dann fallen ihm noch einige Unterschiede ein. Er zitiert eine Studie, nach der die Zuschauer seine Sendung eher als „angenehm und erzählend“, die „Tagesthemen“ dagegen als „kühler und sachlich“ wahrnehmen.

Kleber und seine Kollegin Marietta Slomka moderieren in einem virtuellen Studio, in dem all das, was der Zuschauer außer den Moderatoren wahrnimmt, auf einen grünen Hintergrund projiziert wird. Die Videowand, vor der Miosga und ihre Kollegen Pinar Atalay und Ingo Zamperoni moderieren, ist hingegen real.

Kleber hätte gern das große Korrespondentennetz der ARD

Wenn man „Heute Journal“-Moderator Kleber fragt, worum er die „Tagesthemen“ beneidet, antwortet er: „Manchmal um die größere Manpower der ARD.“ Sein Sender, das ZDF, sei nicht einmal so groß wie der WDR. Entsprechend überschaubarer ist auch das Korrespondentennetz des Senders im Vergleich zu dem von ARD-Aktuell.

Miosga hätte wiederum „gern den Sendeplatz des ,Heute Journals’“. Das läuft bereits um 21.45 Uhr und kommt wohl auch deshalb im Schnitt auf 3,8 Millionen Zuschauer. Die „Tagesthemen“, die erst um 22.15 Uhr ausgestrahlt werden, schauen sich dagegen nur 2,5 Millionen Menschen an.

Zum Jubiläum moderieren Miosga und Zamperoni gemeinsam

Am Dienstag werden beide Magazine auf unterschiedliche Weise an ihr Jubiläum erinnern. Während im „Heute Journal“ Marietta Slomka lediglich einen Beitrag in eigener Sache ansagen wird, begehen die „Tagesthemen“ ihren Jahrestag mit einer Premiere. Erstmals wird es dort eine Doppelmoderation geben: Caren Miosga und Ingo Zamperoni führen gemeinsam durch die Sendung. Sie werden zudem einige ihrer Vorgänger im Studio begrüßen können. Anne Will, Thomas Roth und Ulrich Wickert haben bereits zugesagt.