Berlin. Seit Tagen verenden in der Oder derzeit Massen an Fischen. Der Schaden ist schon jetzt gewaltig – und droht noch schlimmer zu werden.

In der Oder sterben derzeit Massen an Fischen. Im Osten von Brandenburg waren am Samstag hunderte Helfer damit beschäftigt, die Kadaver der toten Tiere einzusammeln. Etwa 300 Einsatzkräfte waren auf rund 80 Kilometern Länge am Ufer unterwegs. Mehrere Tonnen Fisch dürften bei der Aktion eingesammelt worden sein.

Andernorts verbreiteten die verwesenden Fischleichen einen unangenehmen Geruch. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete zudem von Vögeln, die tote Fische wegtragen. Nun gibt es Befürchtungen, dass das Sterben noch viel schlimmer werden könnte.

Fischsterben in der Oder: Auswirkungen auf Ostsee befürchtet

Das Umweltministerium von Mecklenburg-Vorpommern rechnet unterdessen damit, dass sich die Umweltkatastrophe auf das Stettiner Haff und damit die Ostsee auswirken könnte. Es sei damit zu rechnen, dass die Belastungen die Odermündung nahe Stettin (Polen) abhängig von Wind- und Strömungsverhältnissen bereits am Abend erreichen, schrieb das Ministerium in einer Mitteilung am späten Freitagabend. Im Verlauf des Samstags könnte dann auch der vorpommersche Teil des Stettiner Haffs betroffen sein.

Das Ministerium von Till Backhaus (SPD) rief daher die Anlieger vorsorglich dazu auf, auf das Fischen in und die Wasserentnahme – unabhängig von der Nutzung – aus dem Gewässer zu verzichten. Die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern bereiten demnach aktuell Gewässer- und Fischproben vor.

Die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe (SPD), sprach am Samstag bereits von einer Naturkatastrophe nie dagewesenen Ausmaßes. Der Nationalpark Unteres Odertal habe große Befürchtungen, dass die Auswirkungen so riesig seien, dass sie sich auch über Jahre hinziehen, sagte Hoppe im rbb-Inforadio am Samstag. „Für uns ist diese Vergiftungssituation, die sich jetzt in der Oder aufgebaut hat, eine Umweltkatastrophe von noch nie dagewesenem Ausmaß.“ Auch der Tourismus sowie die Weide- und Fischwirtschaft seien stark beeinträchtigt.

In Brandeburg hilft das THW dabei, tote Fische aus der Oder zu bergen.
In Brandeburg hilft das THW dabei, tote Fische aus der Oder zu bergen. © Patrick Pleul/dpa

Fische sterben in der Oder: Quecksilber als mögliche Ursache

Warum so viele Fische in der Oder sterben, ist aktuell noch unklar. Bisherige Laboranalysen brachten noch keinen genauen Aufschluss über die Belastung des Wassers. Vermutet wird auf deutscher Seite, dass der Fluss in Polen verunreinigt wurde. Dort hat Vize-Innenminister Maciej Wasik am Samstag eine hohe Belohnung für Hinweise auf den Verursacher ausgelobt: Rund 210.000 Euro winken dem, der dabei hilft, „die Verantwortlichen dieser Umweltkatastrophe zu finden“.

Nach Angaben von Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel weist die Oder „sehr stark erhöhte Salzfrachten“ auf. Das sei „absolut atypisch“, sagte der Grünen-Politiker am Freitagabend im RBB-Fernsehen. Vogels Ministerium erklärte, die gemessenen Salzfrachten könnten im Zusammenhang mit dem Fischsterben stehen. „Nach jetzigen Erkenntnissen wird es jedoch nicht ein einziger Faktor sein, der das Fischsterben in der Oder verursacht hat“, hieß es in einer Mitteilung. Der Begriff Salzfrachten bezeichnet im Wasser gelöste Salze.

Die Ergebnisse seien aber „noch nicht voll aussagefähig und nicht abschließend“, hieß es. Weitere Untersuchungsdaten soll es in der kommenden Woche geben. Mit Blick auf Quecksilber-Funde sagte Vogel, das werde weiter überprüft.

Fischsterben: Polens Regierung in der Kritik

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki räumte unterdessen ein, am „9. oder 10. August“ informiert worden zu sein, obwohl es bereits Ende Juli erste Hinweise auf eine Gewässerverschmutzung und tote Fische gegeben hatte. „Es ist eindeutig, dass ich zu spät davon erfahren habe. Die betroffenen Behörden hätten mich früher informieren müssen“, sagte Morawiecki vor Journalisten im westpolnischen Gorzow Wielkopolski.

Das Ausmaß der Verschmutzung sei „sehr groß, groß genug, um sagen zu können, dass die Oder Jahre brauchen wird, um zu ihrem Naturzustand zurückzufinden“, sagte Morawiecki.

Die nationalkonservative Regierung war in den vergangenen Tagen sowohl im eigenen Land als auch in Deutschland massiv kritisiert worden, weil sie nicht frühzeitig reagiert habe. „Hier bahnt sich eine Umweltkatastrophe an“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

In Slubice (Polen) warnt ein Schild:
In Slubice (Polen) warnt ein Schild: "Achtung Gift – nicht ins Wasser der Oder gehen". © Patrick Pleul/dpa

Auf deutscher Seite hatten die Behörden am Dienstag erste Hinweise auf ein ungewöhnliches Fischsterben erreicht, in der Folge gaben sie in rascher Folge Warnmeldungen an die Bevölkerung heraus und leiteten Gegenmaßnahmen ein. Die Menschen wurden unter anderem aufgerufen, Kontakt mit dem Wasser zu meiden und dieses nicht zu verwenden. Gewässer wie die sogenannte Alte Oder wurden abgetrennt, um verunreinigtes Wasser am Eindringen zu hindern.

Die Behörden in Polen reagierten ebenfalls erst in dieser Woche, als sich die Situation deutlich verschlimmerte und tonnenweise tote Fische auf polnischer Seite an der Oder entdeckt wurden. (pcl/dpa/AFP)