Berlin. Der Mittelstand fürchtet steigende Beiträge für Firmen und Beschäftigte. Der Unternehmerverband plädiert für weniger Klinikbetten.

In jeder Corona-Welle schlugen die Mediziner Alarm: Neben dem Personal fehle es an Krankenhausbetten, klagten sie. Die Hospitalisierungsrate, also die Zahl der Krankenhauseinweisungen pro 100.000 Einwohner, wurde zu einem der wichtigsten Faktoren zur Bekämpfung der Pandemie.

Während sich die Politik bereits auf eine erneute Corona-Welle im Herbst einstellt, überrascht nun der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) mit einer Forderung: Deutschlands größter Unternehmerverband will die Zahl der Krankenbetten reduzieren. „Auch wenn es politisch nicht opportun ist, für ein effizientes Gesundheitssystem hat Deutschland nachweisbar schlicht zu viele Krankenbetten, die letztendlich zu viel Geld verschlingen“, sagte BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz unserer Redaktion.

Corona-Pandemie: Mittelstand warnt vor finanzieller Last

Er warnte vor einer immer größer werdenden finanziellen Last: „Laut neusten Berechnungen droht den Krankenkassen bis 2040 ein Defizit von über 200 Milliarden Euro, allein im nächsten Jahr beträgt das Minus schon jetzt genau absehbar 17 Milliarden Euro.“ Finanzieren müssten dieses Loch in der Kasse die Unternehmen und Angestellten mit ihren Beiträgen.

„Nähert sich der Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen weiter der 20-Prozent-Marke, müssten Arbeitgeber für jeden Euro Lohn bald noch mal 10 Cent für die Krankenversicherung ihrer Angestellten oben draufbezahlen“, sagte Völz. Es könne keine Lösung sein, die finanzielle Last den Unternehmen zu überlassen.

Fachkräftemangel verschärft sich: Es fehlen 50.000 Intensivpfleger

Das Gesundheitsressort von Minister Karl Lauterbach (SPD) verschlingt mittlerweile das zweitmeiste Geld im Bundeshaushalt. 64 Milliarden Euro sind für dieses Jahr an Ausgaben vorgesehen, nur das Arbeits- und Sozialministerium erhält noch mehr Geld.

Trotzdem ist der Fachkräftemangel groß – und hat sich während der Pandemie noch verschärft. Allein in der Intensivpflege fehlen laut einer Berechnung der arbeitnehmernahen Hans-Böckler-Stiftung derzeit 50.000 Vollzeitkräfte. Und in den Kinderklinken warnen Ärzte gar vor einem Kollaps – weil diese kaputt gespart würden.

Zeitarbeitsfirmen locken Pflegekräfte mit höheren Gehältern

Offenbar ziehen Kliniken im Gehaltspoker um Fachkräfte zunehmend den Kürzeren. Das zumindest legt eine Untersuchung unter rund 14.550 Gehaltsdaten der Bewertungsplattform Kununu nahe, die unserer Redaktion vorliegt.

Im Durchschnitt verdienen demnach vollzeitbeschäftigte Krankenpfleger aktuell 35.500 Euro im Jahr brutto. Wer dagegen bei einem Jahresbruttoverdienst von mindestens 50.000 Euro liegt, arbeitet in sieben von zehn Fällen bei einer Zeitarbeitsfirma, heißt es in der Untersuchung. Insgesamt verdienen Krankenpfleger bei Zeitarbeitsfirmen im Schnitt 8.300 Euro brutto im Jahr mehr als in Kliniken.

Die Krankenhäuser wiederum müssen immer öfter Fachkräfte bei Zeitarbeitsfirmen einkaufen, um ihre Personaldecke zu halten – und zahlen dafür einen Aufpreis.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.