Berlin. Annalena Baerbock bekannte sich bei “Lanz“ klar zu einem Sieg der Ukraine – und verteidigte die bisherige Haltung der Bundesregierung.

  • Annalena Baerbock war am Mittwoch bei Markus Lanz zu Gast
  • Überraschend deutlich reagierte die deutsche Außenministerin auf eine Frage des ZDF-Moderators
  • Damit zog Baerbock eine klarere Linie, als es Bundeskanzler Olaf Scholz bislang getan hatte

"Die Ukraine muss gewinnen": So klar äußerte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Mittwochabend bei "Markus Lanz". Der Moderator musste sie zwar ein bisschen dazu drängen. Und doch räumte Baerbock damit letztlich mit Uneindeutigkeiten auf, mit denen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jüngst scharfe Kritik auf sich gezogen hatte. Sie tat dies just an dem Tag, an dem die vom Kanzler Ende Februar ausgerufene "Zeitenwende" möglicherweise so konkret wie nie spürbar geworden ist. Denn am Morgen hatte Scholz der Ukraine die Lieferung "modernster Flugabwehrsysteme" und Mehrfachraketenwerfer zugesichert. Ist die deutsche Politik jetzt aufgewacht?

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Selbst der von Deutschland notorisch enttäuschte ukrainische Botschafter Andrij Melnyk begrüßte die neuen Waffenlieferungen gegenüber dieser Redaktion. Er wies gleichzeitig auf den Zeitdruck hin: "Die letzte Lieferung deutscher Waffen kam am 3. Mai in der Ukraine an." Doch die deutsche Chefdiplomatin Baerbock rechtfertigte die umstrittene Verzögerung schwerer Kriegswaffen im Zuge des Ringtauschs mit den Nato-Verbündeten und beschwor die Bevölkerung um einen langen Atem. "Das Bild, das gezeichnet wird, Deutschland würde nichts tun, ist völlig falsch", sagte Baerbock auf die Kritik des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba.

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Annalena Baerbock, Außenministerin (Grüne)
  • Carsten Linnemann, Vorsitzende der CDU-Grundsatzkommission
  • Anja Maier, Journalistin
  • Christoph Giesen, "Spiegel"-Redakteur
  • Ulf Röller, ZDF-Asienexperte

Baerbock bei "Markus Lanz": "Man muss einen kühlen Kopf bewahren"

Dass schweres Gerät aus deutscher Produktion den Ukrainern wenig bringe, sehe man doch an den gelieferten Panzerhaubitzen, die 40 Tage Lehrzeit erforderten. Daher sei die Bereitstellung sowjetischer Panzer oberstes Gebot – auch nach Aussage der Ukrainer. "Es zerreißt einem das Herz, aber man muss einen kühlen Kopf bewahren."

Baerbock sprach in dem ZDF-Talk auch in anderer Hinsicht Klartext. Die Erdgas-Pipeline Nordstream 2, mit der Deutschland vor Ausbruch des Ukraine-Krieges noch mehr billigen Brennstoff aus Russland importieren wollte, nannte sie zudem "ein absolutes Machtinstrument". Sie stellte die Öffentlichkeit darauf ein, dass auch weiterhin der Gürtel enger geschnallt werden müssen. So sei die militärische Unterstützung für die Ukraine der eine Teil, "die humanitäre Hilfe, Lebensmittel, Medikamente, Wasser", so Baerbock, "der andere große Bereich – und der kostet wahnsinnig viel Geld."

Bundesaußenminister Annalena Baerbock beim G7-Treffen in Weißenhäuser Strand.
Bundesaußenminister Annalena Baerbock beim G7-Treffen in Weißenhäuser Strand. © dpa

"Lanz": Polizeidokumente belegen Chinas Brutalität gegen die Uiguren

Der seit nunmehr 99 Tagen andauernde Krieg Russlands in der Ukraine war nicht das einzige Thema im ZDF-Talk. Die sogenannten Xinjiang Police Files aus China erschüttern seit einer Woche den Westen. Erstmals zeigen geleakte Polizeidokumente, in welcher Dimension und Brutalität die chinesische Regierung gegen die Volksgruppe der Uiguren vorgeht. Bei "Markus Lanz" diskutierten die Gäste, wie bedrohlich Deutschlands wirtschaftlichen Verflechtungen mit China sind.

ZDF-China-Korrespondent Ulf Röller sprach angesichts schockierender Bilder von inhaftierten Uiguren von einer "systematischen Ausrottung einer Kultur". Aus dem Pekinger Korrespondentenbüro nahm er Chinas Machthaber Xi Jinping persönlich in die Verantwortung: "Dieser Präsident kann sich nicht freisprechen vom Völkermord." Zahlreiche geleakte Fotos, die für interne Zwecke der Lagerverwaltung vorgesehen waren, dokumentieren den Missbrauch und die Folter der uigurischen Insassen. Der zum Rechercheteam gehörige Spiegel-Redakteur Christoph Giesen bezeichnete das Datenbündel als "Smoking Gun" und China als "Polizeistaat auf Steroiden".

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Chinas Uiguren-Politik bei "Lanz": Wie verhält sich die deutsche Wirtschaft?

In den Internierungslagern in der westlichen, als rückständig charakterisierten Provinz sitzen laut UN-Schätzung etwa eine Million Unschuldige in den sogenannten "Umerziehungslagern" hinter Gittern – und mittendrin stehen Werke von deutschen Firmen wie VW und BASF. "Und das sind noch nicht einmal wichtige Werke, da werden ein paar Autos zusammengeschraubt", merkte Markus Lanz an. Der VW-Konzern habe das Werk in Xinjiang als "Paket-Deal" bekommen, erklärte Giesen. Der Wolfsburger Autobauer habe das "völlig unrentable, nutzlose Werk" genommen, und dafür als Gegenleistung 32 hochattraktive Produktionsstätten bekommen.

"Lanz": CDU-Vize Linnemann mahnt deutschen Kurswechsel gegenüber China an

CDU-Politiker Carsten Linnemann sprach mit Blick auf die Leaks von "absoluter Barbarei" und mahnte einen Kurswechsel der deutschen und westlichen Politik an. "Wir müssen jetzt verdammt nochmal als gleichberechtigter Partner mit China auf Augenhöhe agieren", forderte Friedrich Merz‘ Stellvertreter. Dabei sei die "Abhängigkeit von China tausendmal schlimmer" als von Russland.

China, "das wir immer noch als Entwicklungsland behandeln", sei vor allem in den Zukunftsmärkten gut aufgestellt. Linnemann rief den Westen zur Vereinigung im Systemwettbewerb auf. "Was kann die Politik tun?", wollte Journalistin Anja Maier wissen, "dass es nicht nur ein emotionaler Moment bleibt?" Hier lobte Linnemann ausdrücklich Wirtschaftsminister Habeck für die Aussetzung der Garantien für vier neue Werke in China.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

„Markus Lanz“ – So liefen die vergangenen Sendungen

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.