Berlin/Kiew. Lebenslange Haftstrafe für einen russischen Soldaten in der Ukraine: Selbst die Witwe des Opfers könnte mit einer anderen Lösung leben.

Mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr schoss der russische Soldat Wadim Schischimarin auf einen unbewaffneten Zivilisten, der im nordukrainischen Dorf Tschupachiwka auf dem Fahrrad unterwegs war. Der 62-jährige Mann erlitt einen Kopfschuss, seine Ehefrau fand ihn wenige Meter von ihrem Haus entfernt tot auf der Straße. Drei Monate nach der Tat wurde der 21-jährige Soldat am Montag von einem Gericht in Kiew zu lebenslanger Haft verurteilt: Er habe „gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges verstoßen“, so das Gericht.

Dieser russische Soldat hatte vor dem Kiewer Gericht gestanden, in einem ukrainischen Dorf einen unbewaffneten Zivilisten erschossen zu haben. Das Urteil: Lebenslange Haft.
Dieser russische Soldat hatte vor dem Kiewer Gericht gestanden, in einem ukrainischen Dorf einen unbewaffneten Zivilisten erschossen zu haben. Das Urteil: Lebenslange Haft. © dpa | Efrem Lukatsky

Es war der erste Kriegsverbrecherprozess wegen der russischen Gräueltaten im Ukraine-Krieg, viele weitere dürften folgen. Der Soldat Wadim hatte die Tat eingeräumt und bedauert, sich aber auf einen Befehl berufen. Er und seine Panzerkolonne seien unter Beschuss geraten, hätten dann für die Flucht ein Auto gestohlen und befürchtet, der Mann könne sie verraten. Die im Internet übertragene Urteilsverkündung verfolgte der Angeklagte aus einer Glaskabine im Gerichtssaal, mit gesenktem Haupt, aber ohne sichtbare Regung.

Ukraine-Krieg: Regierung in Kiew bemüht sich um Gefangenenaustausch

Viel spricht dafür, dass Mann aus dem sibirischen Irkutsk die Strafe nicht verbüßen muss: Er könnte bald gegen ukrainische Kriegsgefangene in Russland ausgetauscht werden. Die Regierung in Kiew bemüht sich intensiv um einen solchen Austausch. Der Druck ist groß, denn es gibt bereits Berichte über Hinrichtungen von ukrainischen Kriegsgefangenen durch prorussische Separatisten im Donbass, wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärt. Die Ukraine sorgt sich vor allem um das Schicksal der rund 2500 Verteidiger des Stahlwerks Asovstal in Mariupol, die nach ihrer Kapitulation in russische Gefangenschaft gerieten. Präsident Wolodymyr Selenskyj will sie freibekommen: „Die Ukraine braucht lebende ukrainische Helden“.

Ukraine-Krieg: Große Sorge um ukrainische Kriegsgefangene in Russland

Aber nur ein Teil dieser Kriegsgefangenen ist vom Internationalen Roten Kreuz registriert worden, wo sie sich jetzt befinden, ist unklar. Auch Amnesty International sieht Anlass zu großer Sorge: „Kriegsgefangene dürfen weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt werden und sollten umgehend Zugang zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz erhalten“, mahnt die Organisation. Lesen Sie auch: Erdogans Veto gegen Nato-Erweiterung: Das sind die Gründe

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Als kritisch gilt die Lage vor allem für rund 770 Kämpfer des Asow-Regiments, die sich mit als Letzte ergeben hatten. Sie werden von Russland als „Nazi-Verbrecher“ bezeichnet, am Donnerstag entscheidet das Oberste Gericht über die Einstufung des Asow-Regiments als „terroristische Organisation“. Der Vorsitzende der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, erklärt schon, diese Gefangenen dürften nicht an die Ukraine zurückgegeben werden. Untersuchungen zu angeblichen Kriegsverbrechen an Zivilisten sind angekündigt. Es gibt in Moskau Forderungen nach Schauprozessen und der Todesstrafe für die Gefangenen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Wird der verurteilte Kriegsverbrecher gegen Asovstal-Kämpfer ausgetauscht?

Präsident Wladimir Putin hatte den Kämpfern im Stahlwerk Asovstal allerdings für den Fall einer Kapitulation zugesichert, dass sie am Leben bleiben. Lässt Putin die Männer in die Ukraine zurückkehren, käme im Gegenzug wohl auch Todesschütze Wadim Schischimarin auf freien Fuß. Die Witwe des getöteten Zivilisten sagt über das Schicksal des russischen Soldaten: „Wenn er gegen einen von unseren Mariupoler Verteidigern ausgetauscht wird, bin ich nicht dagegen.“ Aus dem Kreml hieß es kurz nach der Urteilsverkündung, Moskau suche nach Möglichkeiten, dem Soldaten zu helfen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagt: „Natürlich besorgt uns das Schicksal unseres Mitbürgers.“ Auch interessant: Ukraine-Krieg: Wladimir Putin benutzt Hunger als Waffe

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.