Berlin . Binnen 24 Stunden sollen zwei russische Oligarchen ihre Familien getötet und Selbstmord begangen haben. Die Parallelen sind unheimlich.

Die Ermittler wundern sich. Ein Mann bringt seine Frau, seine Tochter und am Ende sich selbst um – und obwohl er nichts zu verlieren hat, achtet der Täter sorgsam darauf, keine Spuren zu hinterlassen. Keine Fingerabdrücke an den Waffen, keine Blutspuren, kein Abschiedsbrief.

Der Tod einer russischen Familie am Dienstag in Lloret de Mar an der Costa Brava gibt den Sicherheitsbehörden in Spanien Rätsel auf. Zumal, als ihnen die Parallelen zu einem Fall am Vortag in Russland auffielen: Sechs Tote binnen 24 Stunden, jedesmal starb die gesamte Familie, in beiden Fällen begingen Oligarchen dem Anschein nach Selbstmord.

Rätselhaft: Kein Abschiedsbrief, keine Blutspuren

Tatort Moskau: Die 26-jährige Anastasia Avayev kann ihre Familie nicht erreichen. Sie fährt zum Elternhaus und macht eine grausige Entdeckung: Vater Vladislav Avayev ist tot, ebenso Ehefrau Yelena und die erst 13 Jahre alte Tochter Maria. Sie weisen Schussverletzungen auf. Die Polizei folgert, dass er die Frauen erschoss, ehe er die Waffe gegen sich selbst richtete. Avayev war früher Vizepräsident der Gazprombank.

Tatort Lloret de Mar: Ein 22-jähriger Russe versucht in Frankreich, seine Eltern in Spanien zu kontaktieren. Weil niemand rangeht, alarmiert er die Polizei. Als die im Herrenhaus in der Straße Aiguablava Nr. 20 mit großen Grünflächen und einem Wachturm eintrifft, findet sie den 55-jährigen Sergej Protosenja tot im Garten. Es sieht aus, als ob sich der Golffan und Manager der Energiefirma Novatek – geschätztes Vermögen: 400 Millionen Euro – selbst erhängt hat. Vorher soll er seine Frau Natalya (53) und Tochter Maria (18) im Schlaf erschlagen und erstochen haben. Die Polizei stellt eine blutverschmierte Axt sowie ein Messer sicher.

Auch die spanische Polizei verfolgt eine Selbstmord-Theorie, schließt aber ein Verbrechen nicht aus. Sie sucht und findet DNA-Spuren und überprüft die Bilder der Überwachungskameras. Zwei Details machen laut der katalanischen Zeitung "El Punt Avui" stutzig: An Protosenjas Leiche sind keine Blutspuren. Offenbar benutzte er Socken als Handschuhe.

Rätselhaft: Oligarchen im Visier des Kreml?

Die Todesdramen belegen womöglich auch, unter welchem Druck russische Oligarchen im Ukraine-Krieg geraten sind. Nicht jeder billigt ihn, aber viele spüren die westlichen Sanktionen. Fast zeitgleich zu den Morden fordert der russische Milliardär Oleg Tinkow auf Instagram ein Ende des "irrsinnigen Krieges" und beklagt das "Massaker" in der Ukraine. Es gibt allerdings auch andere Stimmen. So hat der Milliardär Roman Abramowitsch versucht, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln.

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Es sind nicht nur die westlichen Sanktionen, die ihnen hart zusetzen. Auch daheim droht Ungemach. Zuletzt hatte Kremlchef Wladimir Putin gegen die Oligarchen gewettert. Er verurteile nicht die Villa in Maimi. Bloß: "Das Problem ist, dass sie gedanklich dort sind und nicht in Russland.“

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

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