Berlin . Der erfolgreiche Abwehrkampf der Ukraine geht auf einen General zurück, der sie erst seit Juli anführt: Wer ist Walerij Saluschnyj?

Auf Facebook ist er, aber in die Öffentlichkeit drängt es ihn nicht, Kameras überlässt er Präsident Wolodymy Selenskyi. Dabei ist man auf General Walerij Saluschnyj richtig neugierig. Dass die Ukraine sich im Krieg mit Russland so gut schlägt, geht auf ihren Oberbefehlshaber zurück. Wer ist der Mann, der den Invasionstruppen Grenzen aufzeigt?

Nach sieben Wochen zeichnet sich die nächste Phase im Ukraine-Krieg ab. Die Russen ziehen Einheiten und schweres Material im Osten zusammen, greifen aus der Luft strategisch wichtige Verkehrswege und Treibstofflager an lauter Hinweise auf eine Offensive. Nicht zuletzt ernannte Präsident Wladimir Putin mit dem 60-Jährigen Alexander Dwornikow einen neuen Kommandeur. Der zwölf Jahre jüngere Saluschnyj ist das Kontrastprogramm: Die Abkehr vom sowjetischen Erbe des Militärs.

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Als der russische Truppenaufmarsch begann, fackelte Selenskyi nicht lange. Er wechselte im Juli 2021 den Verteidigungsminister und den Armeechef aus. Saluschnyj ist der erste ukrainische Oberbefehlshaber, der nicht in der Sowjetunion ausgebildet wurde. Und er diente seit 2014 in der umkämpften Region Donezk. Kriegserfahren und prowestlich, mit besten Kontakten zur Nato, vor allen zu den USA und Großbritannien all das sprach für ihn.

Saluschnyj: Werden Russen nicht mit Blumen empfangen

Saluschnyj richtete sich auf einen Krieg ein, der für ihn selbst eine Fortsetzung auf breiterer Front war; fortan kämpfte er nicht mehr allein gegen Separatisten, sondern gegen zwei Armeekorps in der ersten Linie und dahinter die gesamten russischen Streitkräfte. Im Januar wurde er in Brüssel gefragt, ob er besorgt sei. Saluschnyj antwortete, dass er einmal besorgt war, "aber nur einmal, im Jahr 2014, als ich zum ersten Mal ein Maschinengewehr und eine kugelsichere Weste erhielt und in den Krieg zog." Danach "war nur noch Arbeit."

Kurz vor Kriegsausbruch ließ er aufhorchen. Man werde die Russen empfangen, sagte er, "nicht mit Blumen, sondern mit Panzer- und Flugabwehrraketen." Und fügte knapp hinzu: "Willkommen in der Hölle". Sein zur Schau getragenes Selbstbewusstsein war begründet.

Oberbefehlshaber trieb Annäherung an Nato voran

Aus der Annektierung der Krim 2014 durch die Russen zog die Ukraine Lehren. Ihr Offizierskorps wurden erneuert und vom Westen geschult in der Koordinierung von Infanterie, Panzerverbänden, Luftabwehr. Gleichzeitig hat die Ukraine neben ihren Streitkräften eine Art Milizarmee aufgebaut. Nicht zuletzt wurde sie aufgerüstet und verfügte noch zu Kriegsbeginn laut Saluschnyj über "genug Panzerabwehrwaffen". Bei einem Manöver vor dem Krieg haben die Ukrainer innerhalb von 36 Sekunden sieben Panzer zerstört. Sie haben geübt, was auf sie zukam.

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Leichtes Spiel, nein, das hatten die Russen wahrlich nicht. Allein, ein zweites Mal lassen sie sich nicht düpieren. Vieles spricht dafür, dass die anstehende Ost-Offensive mit massiven Artillerie-Angriffen beginnen wird. Mit einem Feuerhagel will man sich die Ukrainer auf Distanz halten. Sie sollen gar nicht erst in die Nähe russischer Panzer kommen. Nun dürfte Saluschnyj schmerzhaft bewusst werden, was seinen Truppen fehlt: Schützenpanzer, Kampfpanzer, Artillerie, Luftunterstützung, Mittel- und Langstreckenraketen – all das, was sie allzu gern vom Westen hätten.

Der Offizierssohn, der auf die Militärakademie in Odessa ging, wird das Beste daraus machen. Die ukrainischen Truppen haben ihre Stärken. Ihre Kampfmoral ist beeindruckend. Die Verbände sind flink und flexibel, autonom im Gefecht – anders als die schwerfällige russische Armee.

Abwehr der Ostoffensive – sein größter Kampf

Als Oberbefehlshaber trieb er Reformen und die Annäherung an die Nato voran. In einer Interview auf der Webseite "ukrinform" sagte er stolz, seine Soldaten beherrschten mehr als 300 Nato-Standards. "Ich möchte niemanden kritisieren, aber meines Wissens beherrschten eine solche Menge an Standards nicht alle Streitkräfte der europäischen Länder, die bereits Mitglieder des Bündnisses sind." Vor einem Nato-Beitritt kommt der Kampf. Die Abwehr einer Ost-Offensive wird sein größter Kampf.

Der zweifache Vater war Zugführer, Kompanieführer, Bataillonskomandant, Stabschef einer Brigade, Kommandeur. Ein ukrainischer Offizier erzählte Radio Free Europe, Saluschnyj sei einer, der nicht nur auf dem Papier kämpfe, sondern auch im Feld. Aus diesem Ruf erwachsen Autorität und Akzeptanz. Der General mag außerhalb der Ukraine, gerade für die Russen, ein unbeschriebenes Blatt gewesen sein. Zum Papiertiger lässt sich ein Saluschnyj allerdings nicht falten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.