Berlin. Frankreich deckte eine russische Geheimoperation auf. Wie ist die deutsche Spionageabwehr aufgestellt? Verfassungsschutz alarmiert.

Frankreich hat eine russische Geheimoperation aufgedeckt. Sechs Di­plomaten – mutmaßliche Spione – wurden daraufhin ausgewiesen. Seit Beginn des Ukraine-Krieges dürften die EU-Staaten zusammen weit über 150 russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt haben.

Allein in Deutschland waren es 40, vorzugsweise Agenten des Militärgeheimdienstes GRU. Das muss nicht die letzte Ausweisung gewesen sein. Zum einen dürfte ihre Zahl ihrer Mitarbeiter in Deutschland ungleich größer sein: weit über 100. Zum anderen befürchtet das Bundesamt für Verfassungsschutz mehr Attacken denn je.

Russische Spionage: Zwei Warnungen vom Verfassungsschutz

Darauf deuteten zwei Warnungen hin. Auf einer Sicherheitstagung der Wirtschaft schlug die Kölner Behörde Alarm. Die russische Invasion werde durch Cyberangriffe und „Versuche der Einflussnahme“ begleitet. Vor zwei Tagen nun stellte der Verfassungsschutz einen sogenannten Sicherheitshinweis für Politik und Verwaltung auf die Internetseite. Lesen Sie auch: Putins verpfuschter Krieg: Beim Geheimdienst rollen Köpfe

Tatsächlich spricht viel dafür, dass russische Spionage eher zunehmen wird:

  • Weil die Bundeswehr mit Milliardeninvestitionen massiv aufgerüstet und modernisiert wird. Das weckt unweigerlich das Interesse der Russen.
  • Weil die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt wird. Welche, wie viele, wann und auf welchem Wege geliefert werden, ist für Russland kriegsrelevant.
  • Weil als Reaktion auf den Krieg Sanktionen gegen Russland und Präsident Wladimir Wladimir Putin verhängt wurden. Sie zu umgehen oder gar hierzulande zu sabotieren, ist ein fast zwangsläufiger Reflex.

Nach dem (vorläufigen) Ende des Ost-West-Konflikts, des sogenannten Kalten Kriegs, wurde die Spionageabwehr heruntergefahren. Die NSA-Affäre war ein erster Weckruf. Danach hat sich der Verfassungsschutz einen 360-Grad-Blick vorgenommen. Es war das Eingeständnis des Offensichtlichen: Dass auch „Freunde“ ins Visier geraten. Die USA hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abgehört.

Diplomatie als Deckmantel für Spione

Die Russen sind nie aus dem Visier des Verfassungsschutzes geraten. Zumal sie zunehmend aggressiver operierten. So hat der Geheimdienst FSB einen Mord in Auftrag gegeben, der im August 2019 im Kleinen Tiergarten begangen wurde, am helllichten Tag. Gerade im Zuge des Ukraine-Krieges ist die Ausspähung von russischen Oppositionellen zu befürchten, die in Deutschland leben. Bis hin zu neuen Tötungsmissionen?

Die Frage ist allerdings, wie lange die Russen brauchen werden, um den Ausfall durch die 40 Ausweisungen zu verkraften. Offiziell kann man die in der Botschaft und in den Konsulaten frei gewordenen Stellen nicht einfach neu besetzen. Denn die Entsendung neuer „Diplomaten“ bedarf der Zustimmung des Gastlandes. Aber die Russen können natürlich illegal Spione einschleusen – reisende Agenten.

Attacke auf die Ukraine mit Folgen für Deutschland

Die Diplomatie ist eine Legende und ein schützender Deckmantel. Die Agenten können sich frei bewegen und offiziell Kontakte knüpfen. Wenn sie auffliegen, werden sie nur ausgewiesen; als Diplomaten genießen sie Immunität. Inoffizielle Agenten müssen zwangsläufig viel mehr Risiken auf sich nehmen.

Mit Beginn des Ukraine-Krieges nahm die Spionage – paradox – eher ab. Die volle Konzentration galt der Ukraine, Deutschland war nur nachrangig betroffen. Deutlich wurde dies gleich bei Kriegsausbruch.

Spionage: Immer mehr Ermittlungen

Er wurde von einem Ausfall eines Satellitennetzwerks über Europa begleitet. Das Angriffsziel waren sicher die Kommunikationsstrukturen der ukrainischen Streitkräfte. Betroffen waren europaweit aber auch fast 6000 Windkraftanlagen, die zumeist via Satellit überwacht und gesteuert werden. Weil sie zur kritischen Infrastruktur zählen, meldete der Betreiber den Vorfall an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Es spricht viel dafür, dass Westeuropa demnächst stärker ins Visier der Russen geraten wird: Cyberangriffe, Desinformation, Sabotage und Spionage. Seit Jahren steigt beim Generalbundesanwalt die Zahl der Verfahren wegen geheimdienstlicher Aktivitäten.

Spionageabwehr verstärkt?

Noch hüllt sich Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang in Schweigen. Zu erwarten ist, dass die Spionageabwehr personell verstärkt wird. Nach dem Linksextremismus in den 70er- und 80er-Jahren, nach dem islamistischen Terrorismus ab 2001 und dem Kampf gegen den Rechtsextremismus spätestens mit dem NSU-Terror genießt bald die gute alte Spionageabwehr wieder höchste Priorität.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.