Paris/Berlin. Emmanuel Macron liegt in der ersten Runde der Wahl deutlich vor Marine Le Pen. Wie dürfte die Stichwahl ausgehen. Eine Analyse.

  • Frankreich hat am Sonntag im ersten Wahlgang über das künftige Staatsoberhaupt abgestimmt
  • Amtsinhaber Emmanuel Macron und die Politikerin Marine Le Pen müssen nun am 24. April in die Stichwahl
  • Wer hat die besten Chancen?

Ganz Europa hielt am Sonntagabend den Atem an. Bei der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl lag der Amtsinhaber Emmanuel Macron am Ende vor Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National. Erste Hochrechnungen kamen auf einen Vorsprung von vier bis fünf Prozentpunkten für Macron. Beide müssen nun am 24. April in die Stichwahl.

Macron hatte alles auf eine Karte gesetzt. Der 24. Februar, der Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, sollte das Datum sein, das über den Ausgang dieser Präsidentschaftswahlen entscheiden sollte – darauf baute er. Sein Kalkül: Die Krise konsolidiere seine Stellung als Präsident. Mitten im Sturm wechsele man nicht den Kapitän, so lautete der Plan im Élysée-Palast.

Macron vor Le Pen: Stichwahl am 24. April

Macron war vermutlich der westliche Staatschef, der am häufigsten mit Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj telefonierte. Turbo-Europäer, Friedensstifter und auch ein bisschen Weltenlenker – so sah sich der Franzose am liebsten.

"Euer Vertrauen ehrt mich, verpflichtet mich und bindet mich": Emmanuel Macron tritt vor seine Anhänger. © dpa

Macron führte einen Wahlkampf auf absoluter Sparflamme. Er beließ es bei einigen Besuchen in der Provinz und einem einzigen großen Auftritt in Paris. Der Krieg war wichtiger als alles andere. Innerhalb einer Woche stiegen die Umfragewerte Macrons um 8,5 Prozent und erreichten Anfang März den Höchstwert von 33 Prozent. Doch der sogenannte „Flaggen-Effekt“, der dafür sorgte, dass sich die beunruhigten Bürger hinter ihrem Staatsoberhaupt versammeln, ließ nach. Die Werte für Macron bröckelten.

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Macron machte Wahlkampf auf Sparflamme, Le Pen tourte durch Frankreich

Ganz anders Macrons große Konkurrentin vom rechtsextremen Rassemblement National, Marine Le Pen. Sie tourte durch das ganze Land, lief über Wochenmärkte, um den Menschen zuzuhören. Le Pen verkaufte sich als die große Kümmerin. Sie wisse, was es bedeute, wenn das Benzin und vieles andere plötzlich wegen des Kriegs so teuer werde, sagte die 53-Jährige. Lesen Sie auch: Frankreich Wahlsystem: Vergleich zu Deutschland

Und dann nahm sie ihre Wähler unaufgefordert in den Arm, ließ Selfies mit sich machen. In den Sozialen Medien präsentierte sie sich als Katzenzüchterin. Das fand Anklang. In den Umfragen kam sie bis auf wenige Prozentpunkte an Macron heran.

Ihre Wahlversprechen waren ein Wunschkonzert: Erhöhung des Mindestlohns, Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Benzin. Le Pen gab sich als „Anwältin der kleinen Leute“. Instinktsicher erkannte sie die Angst vor dem Verlust der Kaufkraft als das große Wahlkampfthema.

Erster Wahlgang in Frankreich: Le Pen musste zunächst noch bangen

Dagegen wirkte Macron für viele als der kaltherzige, abgehobene Mann im Élysée. Er kündigte vor Kurzem zwei Maßnahmen an, die sowohl linke als auch rechte Wähler verprellen konnten. Im Falle seiner Wiederwahl wolle er das Renteneintrittsalter von derzeit 62 auf 65 Jahre erhöhen. Zudem solle die Sozialhilfe künftig nur noch dann voll ausgezahlt werden, wenn ihre Empfänger 15 bis 20 Stunden pro Woche arbeiten. Doch obwohl viele mit Macrons Bilanz unzufrieden waren und im Wahlkampf die große Begeisterung fehlte: In Zeiten von Corona-Pandemie und Krieg setzte eine relative Mehrheit der Franzosen auf Stabilität und damit auf Macron.

Le Pen musste zu Beginn des Jahres noch um die Stichwahl bangen, weil ihr der ultrarechte Journalist Eric Zemmour in den Umfragen Stimmanteile raubte. Aber die Konkurrenz des in schärfsten Tönen gegen Ausländer und Moslems hetzenden Polemikers nutzte Le Pen. Im Vergleich mit dem polternden Zemmour wirkte sie plötzlich gemäßigt. Ihre Strategie der „Entteufelung“ – der Wandel von der giftigen Polarisiererin 2017 zur nahbaren Spitzenpolitikerin heute – ging auf.

Auch mit Blick auf Europa warf sie einigen Ballast ab. Von ihren radikalsten Forderungen wie dem Austritt aus der EU („Frexit“) oder der Eurozone hat sie sich verabschiedet. Aber sie möchte Frankreich aus der militärischen Kommandoebene der Nato lösen. Und sie plant, die Franzosen in einem Referendum über die Frage abstimmen zu lassen, wie viele Einwanderer sie ins Land lassen wollen.

Darüber hinaus schwebt ihr eine Politik der nationalen Präferenz – frei nach Donald Trump ein Kurs des „France First“ – vor. Franzosen bekämen dann bevorzugt Arbeitsplätze, Sozialwohnungen und andere Leistungen angeboten. Die Stichwahl in zwei Wochen wird entscheiden, auf was das Land setzt: mehr Europa mit Macron oder mehr Frankreich mit le Pen.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de