Berlin . Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einordnen. Das Kölner Urteil und die Folgen für die Partei.

Für das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz ist die Alternative für Deutschland (AfD) ein "Verdachtsfall" auf Rechtsextremismus. Seit einem Jahr streiten beide Seiten vor dem Verwaltungsgericht. Am Dienstag kam es zum Showdown. Die Kölner Richter bestätigten den Verfassungsschutz: Es gebe „ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei“. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Was darf der Geheimdienst jetzt, was erhofft er sich?

Mehr Handlungsfreiheiten. Bisher sammelt er offen zugängliches Material. Bei einem Verdachtsfal, kann die Kölner Behörde V-Leute in den Reihen der AfD führen oder Mitglieder abhören lassen.

Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ist die neue Qualität. Indes müssen Maßnahmen stets verhältnismäßig sein. Abhöraktionen etwa müssen von der G-10-Kommission des Bundestages genehmigt werden. Die rechtsstaatlichen Hürden sind hoch.

Was befürchtet die Partei?

Dass sich Anhänger und Mitglieder abwenden, gerade Beschäftigte im öffentlichen Dienst, von denen ein besonderes Treuverhältnis zu Staat und Verfassung erwartet wird. Die Stigmatisierung ist ein Handicap. Bei Landtagswahlen könnte die Einstufung die Partei empfindlich treffen.

Sie hat sich denn auch stets zur Wehr gesetzt, juristisch mit beachtlichen Anfangserfolgen. Nach der Niederlage am Dienstagabend in Köln dürfte sie jetzt nach Karlsruhe ziehen und Verfassungsklage einreichen.

Was ist der zentrale Vorwurf gegen die AfD?

Rassismus. Das Bundesamt wirft ihr die „fortwährende Agitation gegen Muslime“ und die Darstellung von Migranten als „Invasoren" vor. Weit verbreitet sei die Auffassung, dass die Bevölkerung Deutschlands in ihrer derzeitigen ethnischen Zusammensetzung erhalten werden müsse. Zu den hinreichend gewichtigen Anhaltspunkte für eine „verfassungsfeindliche Ausrichtung“ der AfD gehören vor allem zwei Punkte.

Erstens Verstöße in Programmatik und Praxis gegen die Menschenwürde und das Demokratieprinzip. Da rächt sich, dass die AfD-Bundestagsfraktion im November Coronaleugner als „Gäste“ eingeladen hat, die am Rande der Debatte zum Infektionsschutzgesetz Abgeordnete bedrängt haben.

Zweitens muss klar sein, dass es nicht um radikale Einzelstimmen geht. Für das Kölner Bundesamt steht fest, ­­­­dass der radikale „Flügel“ um Björn Höcke fast die Hälfte der Anhänger hinter sich bringen kann und einen prägenden Einfluss auf die Gesamtpartei ausübt. Und das obwohl der „Flügel“ sich offiziell aufgelöst hat.

Was war juristisch der springende Punkt?

Eine Überwachung von Parteien ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts "nur ausnahmsweise zu rechtfertigen". Für den Verfassungsschutzes war der Rücktritt von Parteichef Jörg Meuthen die beste Argumentationshilfe. Er trat aus Protest zurück. Sein Vorwurf: Größere Teile der Partei hätten sich zu einem radikaleren Kurs entschieden. Faktisch war er, ein Insider, der Kronzeuge des Verfassungsschutzes.

Wie argumentierte das Gericht?

Zwar sei der sogenannte Flügel der Partei formal aufgelöst worden, seine Protagonisten übten aber weiter maßgeblichen Einfluss aus. Auch Aktivitäten der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) seien in die Bewertung eingeflossen. Sowohl im Flügel als auch in der JA sei ein ethnisch verstandener Volksbegriff ein zentrales Politikziel. Danach müsse das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand erhalten und müssten „Fremde“ möglichst ausgeschlossen werden. Das stehe im Widerspruch zum Volksbegriff des Grundgesetzes.

Wie geht der Verfassungsschutz prinzipiell vor?

Im Umgang mit mutmaßlichen Verfassungsfeinden geht der Inlandsgeheimdienst stufenweise vor. Zunächst war die AfD ein Prüffall.

Zwei Jahre lang hat das Kölner Bundesamt Material über die Partei gesammelt. Nachdem sich der Verdacht erhärtet hat, dass die AfD verfassungsfeindlich sein könnte, wurde sie zum Verdachtsfall. Das hat das Gericht jetzt bestätigt.

Auch dafür gibt es noch eine Steigerung. In der nächsten Stufe kann der Verfassungsschutz die AfD für erwiesen verfassungsfeindlich erklären.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de