Berlin. VW, Ikea, Apple: Viele Firmen stoppen ihre Geschäfte in Russland. Manche Firmen kehren dem Land gleich ganz den Rücken. Eine Übersicht.

  • VW, Ikea und BP: Große Internationale Firmen stellen ihr Geschäft in Russland ein
  • Autobauer wie BWM und Mercedes stoppen die Produktion
  • Die Baumarkt-Kette Obi gibt in Russland auf

Es ist ein Dominoeffekt: Ein Unternehmen nach dem anderen stoppt in Russland die Produktion oder kehrt dem Land nach dem gewaltsamen Angriff auf die Ukraine gleich ganz den Rücken. Die harten Sanktionen, vor allem das Abkoppeln Russlands vom Zahlungssystem Swift, machen das Geschäft westlicher Firmen in Russland derzeit ohnehin kompliziert.

„Darüber hinaus ziehen sich viele große Konzerne auch aus Reputationsgründen zurück“, sagte Ökonomin Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat und damit eine der sogenannten Wirtschaftsweisen, unserer Redaktion. Sie erwartet langfristige Auswirkungen. Der Vertrauensverlust werde zu Risikoaufschlägen führen, die das Geschäft mit Russland für Unternehmen unattraktiver machten.

Für Deutschland sind die Auswirkungen laut Grimm verkraftbar: An Russland hänge weniger als ein Prozent der Wirtschaftsleistung. „Für Russland steht wirtschaftlich mehr auf dem Spiel“, so die Wirtschaftsweise. Denn hinter China sei Deutschland der wichtigste Handelspartner. „Ziehen sich deutsche Firmen zurück, so dürften auch Wirtschaftsstrukturen im Bereich der Zulieferindustrien einbrechen“, sagt Grimm.

Unsere Redaktion gibt eine exemplarische Auswahl von nationalen und internationalen Firmen, die bereits die Reißleine gezogen haben und sich aus Russland zurückziehen oder ihr Geschäft auf Eis legen.

Ukraine-Krieg: Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW stoppen Produktion

Der Druck wurde offenbar zu groß: Nachdem zahlreiche Autobauer ihre Produktionen in Russland gestoppt haben, zog am Donnerstag auch Volkswagen nach. „Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs hat der Konzernvorstand entschieden, die Produktion von Fahrzeugen in Russland bis auf Weiteres einzustellen“, teilten die Wolfsburger mit.

Auch sollen keine Autos mehr aus der VW-Gruppe, zu der auch Marken wie Audi, Skoda oder Porsche zählen, nach Russland exportiert werden. VW fertigt in Russland an den Standorten Nischni Nowgorod und Kaluga. Zuvor hatte der weltgrößte Autobauer Toyota die Produktion in seinem Werk in Sankt Petersburg eingestellt.

Bereits am Dienstag hatte BMW seine Produktion in Kaliningrad eingestellt. Der Konzern trage die Sanktionen gegen Russland mit, teilten die Münchener mit.

Bei Mercedes-Benz stehen die Bänder im 40 Kilometer von Moskau entfernten Werk still. Zur Eröffnung der 250 Millionen Euro teuren Fabrik hatte im Jahr 2019 Wladimir Putin damals noch ein Auto signiert. Die Zeichen standen auf Kooperation, die Produktion der margenstarken E-, S- und EQS-Klassen versprach in Russland einen interessanten Absatzmarkt – eine zehnjährige Steuerfreiheit inklusive. Nun produziert der Stuttgarter Autobauer vorerst nicht mehr in Russland, auch werden keine Pkws und Vans nach Russland geliefert.

Wladimir Putin signierte zur Eröffnung des Mercedes-Benz-Werkes im Dezember 2019 ein Fahrzeug.
Wladimir Putin signierte zur Eröffnung des Mercedes-Benz-Werkes im Dezember 2019 ein Fahrzeug. © imago images / ITAR-TASS | Mikhail Klimentyevvia www.imago-images.de

Obi stellt Russlandgeschäft ein

Die Baumarkt-Kette Obi stellte ihr Geschäft in Russland Anfang März ein. Wegen des Krieges in der Ukraine gebe es keine andere Möglichkeit, teilte das Unternehmen am Montag in Wermelskirchen mit. Obi hat in Russland nach eigenen Angaben 27 Baumärkte und 4900 Mitarbeiter, die Firma gehört zur Tengelmann-Gruppe. Gemessen an der Gesamt-Belegschaft macht Russland etwa ein Zehntel aus: Obi hat insgesamt 48 000 Beschäftigte und 670 Märkte in elf Staaten, Schwerpunkt ist Deutschland.

Apple

Vorerst gibt es iPhones in Russland nicht mehr zu kaufen. Der US-Konzern Apple kam damit einer Bitte des ukrainischen Vizepremierministers Mychajlo Fedorow nach, der an Apple-Chef Tim Cook appelliert hatte, einen Verkaufsstopp in Russland durchzusetzen. Apple stoppte den Verkauf sämtlicher Produkte in Russland – neben den iPhones gibt es damit beispielsweise auch keine iPads, MacBooks und Airpods oder Smartwatches mehr zu kaufen.

Zudem schränkte der Technikriese seine Bezahlservices wie etwa Apple Pay ein. Außerhalb Russlands können in den App Stores für Apple-Geräte die Apps der russischen Staatssender RT und Sputnik nicht mehr heruntergeladen werden. Um die Ukrainer zu schützen, hat Apple zudem in seinem Kartendienst die Anzeige des Verkehrsaufkommens und die aktuellen Unfallmeldungen deaktiviert.

Internetnutzer griffen bereits bei Plattformen wie Google Maps und Tinder auf ungewöhnliche Mittel zurück, um Russinnen und Russen zu informieren.

Vorerst gibt es keine iPhones mehr in Russland zu kaufen.
Vorerst gibt es keine iPhones mehr in Russland zu kaufen. © imago images/ITAR-TASS | Artyom Geodakyan via www.imago-images.de

BP, Exxon Mobil, Eni

Als einer der ersten Konzerne kündigte der britische Ölriese BP seinen Rückzug aus Russland an. BP hält fast 20 Prozent am russischen Ölförderer Rosneft, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist. Rosneft bescherte den Briten jüngst regelmäßig Milliardengewinne. Der Rückzug wird für BP nun teuer: Auf bis zu 25 Milliarden Dollar (rund 22,6 Milliarden Euro) beziffern die Londoner die Abschreibungen im ersten Quartal.

Der US-amerikanische Ölkonzern Exxon Mobil will sich schrittweise aus dem Betrieb eines großen Ölfeldes in Russland zurückziehen und nicht mehr in neue Projekte in Russland investieren. Der italienische Ölkonzern Eni will seine 50-prozentigen Anteile an der Blue-Stream-Gaspipeline zwischen Russland und der Türkei abstoßen.

BP zieht sich aus Russland zurück – und nimmt milliardenschwere Abschreibungen in Kauf.
BP zieht sich aus Russland zurück – und nimmt milliardenschwere Abschreibungen in Kauf. © picture alliance / dpa | Yuri Kochetkov

Wintershall Dea, Shell, OMV

Jahrelang wurde über die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 gestritten – nun scheint die fertig gebaute Röhre Geschichte zu sein, bevor auch nur das erste Gas geströmt ist. Die Betreibergesellschaft ist laut den Schweizer Behörden zahlungsunfähig, laut dem Unternehmen selbst sei noch kein Insolvenzantrag gestellt worden – den 140 Mitarbeitern wurde aber bereits gekündigt.

Die fünf internationalen Firmen, die an dem Projekt beteiligt sind, scheinen die Pipeline nun wohl endgültig aufzugeben. Der deutsche Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea schreibt seine Finanzierung in Höhe von rund einer Milliarde Euro ab und will keine neuen Projekte zur Öl- und Gasförderung mehr in Russland beginnen.

Auch Shell teilte die Absicht mit, seine Beteiligung an Nord Stream 2 zu beenden. Der niederländisch-britische Ölriese will zudem seine Zusammenarbeit mit Gazprom und dessen verbundenen Unternehmen beenden. Shell-Chef Ben van Beurden nannte Russlands Angriff einen „sinnlosen Akt militärischer Aggression, der die europäische Sicherheit bedroht“.

Der österreichische Energiekonzern OMV überprüft seine Beteiligung an Nord Stream 2. Eine Beteiligung an einem großen Gasfeld von Gazprom will der teilstaatliche Konzern aufgeben.

Die Ostseepipeline Nord Stream 2 wird wohl nicht in Betrieb genommen.
Die Ostseepipeline Nord Stream 2 wird wohl nicht in Betrieb genommen. © dpa | Stefan Sauer

Siemens, Daimler Truck und MAN

Auf eine bislang lange Tradition auf dem russischen Markt blickt der Industriekonzern Siemens zurück. Nun stoppte der Mischkonzern das Neugeschäft. Auch der Energietechnikkonzern Siemens Energy legte sein Neugeschäft auf Eis.

Als eines der ersten deutschen Unternehmen hatte Daimler Truck seine Aktivitäten in Russland gestoppt. Der weltgrößte Lastwagenbauer stellte dabei auch eine Kooperation mit dem russischen Panzerwagenhersteller Kamaz ­vorübergehend ein. Die VW-Tochter MAN stoppte die Lieferung von Lastwagen und Ersatzteilen nach Russland.

Siemens stoppt sein Neugeschäft in Russland.
Siemens stoppt sein Neugeschäft in Russland. © picture alliance / dpa | Alexander Ryumin

Airbus und Boeing

Die beiden Flugzeugbauer Airbus und Boeing sind scharfe Konkurrenten – im Ukraine-Krieg ziehen sie aber am selben Strang. Sowohl die Europäer als auch die Amerikaner werden keine Lieferungen mehr an russische Fluggesellschaften ausführen, teilten beide Unternehmen mit. Damit erhalten russische Fluggesellschaften keine Ersatzteile mehr, auch technisch sollen sie nicht mehr unterstützt werden.

Playmobil, Disney, Warner

Auch bei Spielwaren und Unterhaltung gibt es in Russland Einschränkungen. Die Mutterfirma von Playmobil, die Horst Brandstätter Group, wird ihre Marken Playmobil und Lechuza nicht mehr nach Russland liefen. Damit werden die menschenähnlichen Spielfiguren aus Bayern nicht mehr erhältlich sein.

Neue westliche Filme werden in Russland ebenfalls nicht mehr gezeigt. Disney hatte sich entschieden, bis auf Weiteres keine Titel mehr in Russland zu veröffentlichen. Warner zog nach, Filme wie „The Batman“ oder der nächste Teil aus dem „Harry Potter“-Prequel „Phantastische Tierwesen“ werden in russischen Kinos nicht zu sehen sein.

H&M, Ikea, Volvo

Viele schwedische Unternehmen stellten ihr Geschäft ebenfalls ein. Das Bekleidungsunternehmen H&M gab am Donnerstag bekannt, alle Geschäfte in Russland schließen zu wollen. Bereits am Montag hatte der Auto- und Nutzfahrzeugbauer Volvo seine Bänder im Werk in Kaluga gestoppt.

Auch der Möbelriese Ikea stellt seinen Betrieb in Russland und Weißrussland vorübergehend ein und stoppte alle Ex- und Importe in die beiden Länder. Das gab der Konzern am Donnerstag bekannt. Betroffen seien demnach 15.000 Ikea-Beschäftigte.

Aldi, Rewe, Netto, Penny, Edeka

Im deutschen Einzelhandel wird es bisweilen keine russischen Produkte mehr geben. Aldi, Rewe, Edeka, Netto und Penny wollen keine russischen Produkte mehr in ihren Regalen führen. Aldi listete bereits russischen Wodka aus.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.