Berlin . Seine Truppen gelten als sehr brutal, er selbst ist ein loyaler Gefolgsmann Wladimir Putins: Das müssen Sie über Ramsan Kadyrow wissen.

Ramsan Kadyrow gilt als korruptes Oberhaupt der autonomen russischen Provinz Tschetschenien und als Handlanger von Wladimir Putin. Im Ukraine-Krieg soll er im Auftrag des Kreml tschetschenische Kämpfer einschleusen und den Kampfgeist der russischen Truppen motivieren. Wer ist der Mann, den westliche Medien gerne als "Putins Bluthund" stilisieren?

Auch wenn es zuletzt ruhiger um ihn geworden ist, ist Ramsan Kadyrow ein Mann der großen Worte. Auf seinem Telegram-Kanal verbreitet er russische Kriegspropaganda und Videobotschaften von sich selbst. Jüngst berichtete aber das ukrainische Nachrichtenportal "Obozrevatel" unter Berufung auf den Geheimdienst, dass Kadyrow "schwer" erkrankt sei und im Koma liege.

Kadyrow weist Berichte über schlechten Gesundheitszustand zurück

Diese Berichte über seinen schlechten Gesundheitszustand wies er nun selbst als "Lügen" zurück. Dazu veröffentlichte der enge Verbündete von Putin Videoaufnahmen bei denen der 46-Jährige lächelnd in die Kamera schaut. Er trägt Kapuze, sein Gesicht ist aufgedunsen.

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Auf einem weiteren Video, dass er auf seinem Telegram-Kanal veröffentlicht spricht Kadyrow zunächst Tschetschenisch und sagt dann auf Russisch: "Treibt Sport". Wann genau die beiden Videos entstanden sind, ist derzeit nicht überprüfbar.

Im vergangenen Jahr nutze Kadyrow seinen Kanal unter anderem bereits, um in einem Video mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung und einer russischen Offensive auf Mariupol so wie andere ukrainische Städte zu drohen.

Ramsan Kadyrow ist Machthaber der russischen Provinz Tschetschenien. Ukrainische Nachrichtenportale berichteten, dass sein Gesundheitszustand in Frage steht.
Ramsan Kadyrow ist Machthaber der russischen Provinz Tschetschenien. Ukrainische Nachrichtenportale berichteten, dass sein Gesundheitszustand in Frage steht. © -/AP/dpa

Kadyrows Truppen sollen im Osten der Ukraine im Einsatz sein

Kadyrow arbeitet eng mit Putin zusammen und gilt nicht als vertrauenswürdige Quelle im russischen Angriffskrieg. Immer wieder hatte es Berichte gegeben, wonach Kadyrows Truppen besonders im Osten der Ukraine im Einsatz sind.

So sollen tschetschenische Truppen im März 2022 in der Hafenstadt Mariupol eingefallen sein, nachdem Kadyrow dort "Säuberungen" angekündigt hatte. "Vielleicht sind wir bereits in Kiew und warten nur auf die nötigen Befehle?", hatte er vorher auf seinem Telegram-Kanal gedroht. Das tschetschenische Staatsoberhaupt als Handlanger Putins? Dahinter steckt eine lange gemeinsame Vergangenheit.

Putin unterstützte Kadyrow bei der Präsidentschaftswahl

Ramsan Achmatowitsch Kadyrow ist seit 2007 Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, einer autonomen russischen Provinz im Nordkaukasus an der Grenze zu Georgien. Schon sein Vater Achmat Kadyrow war tschetschenischer Präsident, er starb 2004 bei einem Bombenattentat in der Hauptstadt Grosny. Nachdem Putin Ramsan Kadyrow zum "Helden der Russischen Föderation" ernannt und ihn als Präsidentschaftskandidaten für die Tschetschenien-Wahl 2007 aufgestellt hatte, trat dieser in die politischen Fußstapfen seines Vaters. Lesen Sie auch: Russischer Milliardär Abramowitsch will FC Chelsea verkaufen

Zu dem Zeitpunkt hatten Kadyrow und Putin bereits eine Bindung auf der Grundlage politischer Gefälligkeiten aufgebaut: Putins Unterstützung ermöglichte Kadyrows Macht. Der russische Präsident erhoffte sich dagegen, Kadyrow bringe tschetschenische Separatisten unter Kontrolle und die Region nach zwei Kriegen wieder ins Gleichgewicht. Nur: Die Mittel, mit denen Kadyrow dieses Gleichgewicht durchsetzte, sind geprägt von Gewalt, Folter und Entführungen.

Kadyrow gilt als einer der brutalsten Machthaber im russischen Einflussgebiet. Aus Tschetschenien gibt es Berichte über Folter und Ermordung von LGBTQ-Personen. Mehr als 150 Menschen soll Kadyrows Polizei seit 2017 verhaftet, ins Gefängnis gebracht und gefoltert haben, berichtet das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR). Und auch diejenigen, die gegen das Terrorregime aufbegehren, werden zu Staatsfeinden erklärt und verfolgt: Immer wieder verschwinden in der Region Oppositionelle oder flüchten ins Ausland.

Ukraine-Krieg: Kadyrows Truppen sollen Terror verbeiten

Gilt Kadyrow im Westen als Handlanger Putins, so hat das tschetschenische Oberhaupt für die Gewalt im Nordkaukasus wiederum eigene Handlanger: Er befehligt die Miliz der Kadyrowzy ("Kadyrows Anhänger"), eine einst paramilitärische Truppe, die mittlerweile in Teilen zum russischen Staatsapparat gehört. Die Truppe soll Tausende Kämpfer umfassen, genaue Zahlen geben das russische und tschetschenische Regime nicht heraus.

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Schon im Zweiten Tschetschenienkrieg kämpften die Kadyrowzy als Russland-Unterstützung gegen die tschetschenischen Separatisten. Auch in dem Zusammenhang sollen sie schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben.

Dass die Kadyrowzy Russland nun auch in der Ostukraine zur Seite stehen, ist dabei weder überraschend noch neu: In den prorussischen Separatistenregionen der Ostukraine sollen Berichten zufolge schon seit 2014 Kämpfer der Kadyrowzy zugange sein. Kadyrow hatte das zunächst dementiert. Im aktuellen Krieg aber prahlt das tschetschenische Staatsoberhaupt nun ganz offen mit den Einsätzen seiner Truppen im Osten des Landes und droht mit weiterer Gewalt.

Kadyrow-Clan lässt Gegner auch in Deutschland jagen

Selbst in anderen Ländern sind die Gegner des aktuellen tschetschenischen Regimes nicht zwingend sicher vor den Angriffen Kadyrows und seines Clans. Anfang des Jahres veröffentlichte der "Spiegel" eine Recherche, nach der ein Cousin Kadyrows die Tötung des Dissidenten Mochmad Abdurachmanow befohlen haben soll. Abdurachmanow lebt in Deutschland und sollte dem Bericht zufolge auch hier ermordet werden.

Brisant ist der Fall außerdem, weil der mutmaßliche Attentäter, selbst ein Tschetschene, zeitweise als V-Mann für den Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet haben soll. Der Generalbundesanwalt hat Anklage erhoben.

Putin schweigt zu Kadyrows brutaler Herrschaft

Auch in Tschetschenien werden Dissidenten brutal verfolgt. Exemplarisch dafür steht der Fall des ehemaligen Richters Sajdi Jangulbajew und seiner Familie. Kadyrow hält zwei Söhne des Ex-Richters für Drahtzieher eines regimekritischen Telegram-Kanals, schreibt das Magazin "Dekoder". Daraufhin kündigte der tschetschenische Politiker Adam Delimchanow – Kadyrows Cousin – an, der Familie des ehemaligen Richters die Köpfe abzuschneiden.

Dalimchanow ist nicht irgendein Lokalpolitiker: Seit 2007 sitzt er für Wladimir Putins Partei "Einiges Russland" im russischen Parlament, der Duma. Dort schweigt man sowohl über die menschenverachtenden Äußerungen Delimchanows als auch zu den Verbrechen Kadyrows in Tschetschenien selbst.

Dafür äußert man sich aber an anderer Stelle über die Geschehnisse im Nordkaukasus: 2020 haben die USA wegen der andauernden Gewaltvorwürfe Sanktionen gegen Kadyrow verhängt: Es gebe Informationen, dass Kadyrow für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sei, die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen, hatte das damalige US-Außenministerium gesagt. Kadyrow und einige seiner Familienmitglieder dürften nicht mehr in die USA einreisen. Die russische Regierung hatte sich hinter Kadyrow gestellt und angekündigt, sich im Gegenzug Gegenmaßnahmen für die USA zu überlegen.

Ein Tschetschenischer Soldat sitzt auf einem Fahrzeug. Darauf abgebildet ist das Portrait des ehemaligen tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow.
Ein Tschetschenischer Soldat sitzt auf einem Fahrzeug. Darauf abgebildet ist das Portrait des ehemaligen tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow. © Alexander NEMENOV / AFP

Kadyrow lässt sich die Loyalität von Putin bezahlen

Dafür bezahlt Putin die Kadyrow-Familie hervorragend. Noch im Januar 2022 sagte Kadyrow, dass Tschetschenien ohne das Geld aus Moskau nicht überlebensfähig sei: "Ich schwöre zum allmächtigen Allah, wir würden keine drei Monate durchhalten – nicht mal einen Monat", zitiert die "Moscow Times" Kadyrow. Russland würde pro Jahr etwa 3,4 Milliarden Euro nach Tschetschenien überweisen. Das russische Medium "RBC" geht indes eher von 1,4 Milliarden Euro aus.

Kadyrow und der Kreml, so schreibt "Dekoder", kämpfen gegen einen gemeinsamen Feind: "Gegen die, die Korruption und Menschenrechtsverletzungen aufdecken". Die Beziehung zwischen Putin und Kadyrow ist also eine klassische Win-Win-Situation: Putin versorgt Kadyrow mit Geld, Kadyrow setzt die russischen Interessen in Tschetschenien und in der Ukraine durch – wenn nötig auch mit Gewalt. Eben doch fast so, wie wenn man sich einen besonders aggressiven Wachhund zulegt. (mit dpa/reba)

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.