Berlin . Die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht ist nicht neu. Wen würde die Regelung betreffen? Wie sinnvoll ist sie, was sind Probleme?

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Nato dazugebracht, ihre Ostflanke deutlich aufzurüsten. Die Bundesregierung unter Olaf Scholz (SPD) hat derweil ein Sonderbudget für die Bundeswehr auf den Weg gebracht, um diese besser auszustatten.

Die Kriegssituation im Osten Europas wirft ein Schlaglicht auf den Zustand des deutschen Militärs – nicht nur auf die Ausrüstung, sondern auch auf die personelle Beschaffenheit. Erste Politiker bringen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht ins Spiel. Doch könnte die Bundeswehr damit kurzfristig wieder schlagkräftiger werden? Und was steckt genau hinter dem Pflichtjahr? Ein Überblick.

Worum geht es bei der allgemeinen Dienstpflicht?

Mit der allgemeinen Dienstpflicht ist ein Jahr gemeint, in dem junge Menschen einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen, analog zur früheren Wehrpflicht beziehungsweise dem Zivildienst. Abzuleisten wäre das Pflichtjahr nach der Schulzeit. Der Einsatz könnte im sozialen, ökologischen, militärischen oder kulturellen Bereich erfolgen, beispielsweise in Pflegeeinrichtungen, bei der Feuerwehr, der Bundeswehr oder dem Technischen Hilfswerk.

Allgemeine Dienstpflicht: Ist der Vorstoß neu?

Der Vorstoß kommt nicht von ungefähr: Die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht war 2019 von der früheren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ins Spiel gebracht worden. Sie zielte darauf, dass Männer und Frauen einen solchen Dienst als Pflichtjahr bei der Bundeswehr, aber auch in der Pflege, bei der Feuerwehr oder beim Technischen Hilfswerk absolvieren sollen.

2011 war die Wehrpflicht in Deutschland vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Sie wurde durch einen sogenannten Freiwilligen Wehrdienst ersetzt. Zeitgleich wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt, bei dem sich die Freiwilligen meist zwölf Monate in gemeinnützigen Einrichtungen engagieren. Oft handelt es sich um Kitas, Krankenhäuser, Vereine, Kultureinrichtungen oder Altenheime.

Die nun wieder aktuelle Diskussion um die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht würde das "gemeinnützige Jahr" zu einer Verpflichtung umwandeln. So könnte auch eine Wehrpflicht zumindest teilweise erneut in Kraft treten. Lesen Sie hier: Allgemeine Dienstpflicht in Deutschland - kommt sie wirklich?

Dienstpflicht im zivilen und militärischen Bereich: Welche Probleme gäbe es?

Doch rechtlich ist das nicht so einfach: Denn ohne eine Grundgesetzänderung wäre eine allgemeine Dienstpflicht derzeit wohl nicht möglich. Denn aufgrund der historischen Erfahrung aus der Zwangsarbeit unter dem nationalsozialistischen Regime wurde im Grundgesetz eine Art Sperre eingebaut.

In Artikel 12 heißt es: "Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht."

Als Kramp-Karrenbauer 2019 die Idee einer Dienstpflicht erstmals anregte, wurde unter Rechtsexperten vor allem diskutiert, inwiefern der Grundgesetzartikel unkompliziert angepasst werden könnte. Nach einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung von damals wäre eine Grundgesetzänderung für die Dienstpflicht beispielsweise durch das Streichen des Wörtchens "herkömmlich" oder die Erweiterung des Artikels grundsätzlich möglich gewesen. Allerdings wird dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig.

Aktuell würden also 490 Stimmen für diese Änderung benötigt. Die regierende Ampel-Koalition hat 416 Sitze im Bundestag. Fraglich wäre aber, ob die Grünen-Fraktion einen derartigen Antrag überhaupt mittragen würde, auch bei SPD und FDP gibt es keine Geschlossenheit bei dem Thema. Würden alle Abgeordneten der Regierungsparteien den Antrag allerdings mittragen und gleichzeitig ein Teil der CDU/CSU-Fraktion ebenfalls dafür stimmen, so würde die Grundgesetzänderung zumindest im Bundestag eine Chance haben. Im Bundesrat wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht auf Umwegen allerdings auch schwierig zu erreichen.

Dienstpflicht als Reaktion auf den Ukraine-Krieg: Schnelle Umsetzung möglich?

Ad hoc wird die Bundeswehr die Dienstplicht aber nicht umsetzen können. "Die Strukturen für die Musterung und Ausbildung müssen wieder aufgebaut werden", sagte der Präsident des Reservistenverbands, CDU-Politiker Patrick Sensburg. "Das bekommen wir aber ohne Weiteres wieder hin."

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), erteilte einer bloßen Reaktivierung der Wehrpflicht direkt eine Absage. Sie sprach in dem Zusammenhang gegenüber der "Welt" zufolge von einer "theoretischen Diskussion, die in der aktuellen Situation nicht weiterhilft". In einem Interview mit unserer Redaktion von 2020 sprach sie sich allerdings langfristig dafür aus.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de