Berlin. Ein Staatsrechtler zweifelt an der Rechtmäßigkeit der Mindestlohn-Anhebung auf 12 Euro. Unternehmen könnten gegen Ampel-Pläne klagen.

Die deutschen Arbeitgeber stemmen sich gegen die geplante Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro. „Das Parlament beabsichtigt den aus unserer Sicht grundlegendsten Angriff auf die Tarifautonomie zu beginnen“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), am Montag. Über 100 Tarifverträge würden ausgehebelt werden, kritisierte Kampeter: „Aus Tariflöhnen werden Staatslöhne.“

Möglicherweise werden Unternehmen oder auch Arbeitgeberverbände gegen die Anhebung juristisch vorgehen. Denn es gibt Zweifel, ob die Pläne der Ampel-Koalition überhaupt rechtmäßig sind.

Mindestlohn-Anhebung: Staatsrechtler zweifelt an Verfassungskonformität

Der Göttinger Staatsrechtler Frank Schorkopf jedenfalls hat Zweifel. In einem Gutachten im Auftrag der BDA sieht er in dem Vorhaben die Arbeit der Mindestlohnkommission unterhöhlt. Das Gremium entscheidet alle zwei Jahre über die Anhebung der gesetzlichen Lohnuntergrenze – anhand festgelegter Kriterien, etwa einem Beschäftigtenschutz, aber auch der Wettbewerbsfähigkeit. Lesen Sie hier:12 Euro Mindestlohn: In diesen Jobs gibt es bald mehr Geld

„Wenn sich der Gesetzgeber einmal für ein bestimmtes Modell entscheidet, dann kann er nicht mehr so einfach davon abweichen“, mahnte Schorkopf. Mit der geplanten Anhebung des Mindestlohns von derzeit 9,82 Euro auf 12 Euro zum 1. Oktober würde der Gesetzgeber aber gleich doppelt eingreifen: Zum einen würde er den Maßstab der Mindestlohnfindung beeinflussen, zum anderen die zweijährige Periode, in der der Mindestlohn angepasst wird, verändern, führte Schorkopf aus.

Damit sei sowohl das Bestandsvertrauen der Sozialpartner, als auch das Autonomievertrauen der Arbeitgeberseite in das Mindestlohngesetz verletzt, heißt es in dem Gutachten. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte bereits im vergangenen Jahr gegenüber unserer Redaktion seine Ablehnung zu dem Vorhaben deutlich gemacht.

Mindestlohn: Kann die Kommission ihre Arbeit fortführen?

SPD, Grüne und FDP wollen nach der Anhebung die Arbeit wieder in die Hände der Mindestlohnkommission zu legen. Schorkopf hält das aber nicht für ohne weiteres möglich. „Wenn sich der Gesetzgeber einseitig auf die Seite der Arbeitnehmer stellt, dann weiß die Arbeitgeberseite künftig, dass das immer wieder passieren kann – das würde sich künftig auf den gesamten Prozess der Mindestlohnfindung auswirken“, sagte er. Es entstehe ein Legitimitätsproblem.

Auch fehle es dem Referentenentwurf, der am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet werden soll, an einer Abwägung möglicher Alternativen. „Es liegt ein Fall des grundrechtlichen Abwägungsausfalls vor, der bereits für sich das geplante Gesetz verfassungswidrig macht und zu dessen Rechtfertigung sich der Gesetzgeber nicht auf seinen Einschätzungs- und Prognosespielraum berufen kann“, heißt es in dem Gutachten. Lesen Sie hier: Was eine Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro bringen könnte

BDA sieht Gutachten als „Weckruf“

„Das Gutachten ist ein Weckruf“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter. Die BDA selbst wird nicht vor das Bundesverfassungsgericht ziehen können, das müssten die direkt betroffenen Arbeitgeberverbände oder Unternehmen selbst machen. „Es ist nicht beabsichtigt, in den nächsten Tagen vor das Verfassungsgericht zu ziehen“, sagte Kampeter zwar.

Und doch ist die Wirkung, die sich die Arbeitgeber von dem Gutachten erhoffen, eindeutig: „Wenige Gesetze kommen so aus dem Bundestag heraus, wie sie reingekommen sind“, sagte Kampeter.