Berlin. Den Titel soll er abgeben, den Dienstwagen, am besten alle Privilegien eines Altkanzlers: Gerhard Schröder steht gerade massiv in der Kritik.

Während der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine derzeit die diplomatische Welt in Atem hält, machte am Freitag eine Personalie die Runde. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) soll in den Aufsichtsrat des staatlichen russischen Gaskonzerns Gazprom aufsteigen.

Es ist nicht der erste hochdotierte Job des ehemaligen SPD-Politikers. Doch dieser Job kommt zur Unzeit – und die Kritik an Schröder nimmt deshalb deutlich an Schärfe zu.

Gerhard Schröder: Lobbyist auf Staatskosten?

Gerhard Fritz Kurt Schröder sitzt derweil zu Hause, kuriert eine Corona-Infektion aus und lässt sie alle reden. Im Laufe seiner bald 78 Jahre legte er sich ein dickes Fell zu. "Ist der Ruf erst ruiniert, schrödert es sich ganz ungeniert" – es ist nicht das erste Mal, dass dieser Spruch in Bezug auf den Altkanzler die Runde macht.

Es ist das Timing, das gerade gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden der Betreibergesellschaft der Ostsee-Pipeline Nord Stream und des Gaskonzerns Rosneft spricht: Mitten in der Ukraine-Krise rückt er mit der Nominierung für Gazprom noch näher an den Kreml.

Viele fordern nun, er möge seinen Titel aufgeben, ersatzweise die Privilegien eines Altkanzlers: Büro, Mitarbeiter, Dienstwagen. Wenn er für die Russen lobbyiert, so der Steuerzahlerbund, dann nicht auf Staatskosten. Der Grüne Konstantin von Notz legte ihm auf Twitter quasi eine Korrektur der Visitenkarte nahe: Nicht Bundeskanzler a. D., sondern "Gazprom-Lobbyist".

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SPD: Schröders Partei geht auf Distanz

Schröder hat einen etwas anderen Blick auf den Ukraine-Konflikt. "Säbelrasseln" attestierte Schröder Kiew zuletzt und nicht etwa seinem Freund, nicht dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der über 100.000 Soldaten und Waffen entlang der Grenze zum Nachbarstaat verlegte.

Sie kenne niemanden in der Partei, der Schröders Auffassungen teilte, bekannte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). „Wir nehmen die Kriegsgefahr, die in Europa droht, sehr ernst. Es ist ganz klar, dass die Aggression von Russland ausgeht", sagte sie der "Rheinischen Post".

Schröders Duzfreund Stoiber hat kein Verständnis

Auf Schröder angesprochen sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) neulich, "wenn ich die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland richtig verstehe, gibt es nur einen Bundeskanzler, und das bin ich". Im Klartext: Kommt mir nicht mit Schröder.

Selbst einem Putin-Versteher wie Edmund Stoiber geht Schröder zu weit: "Für das, was er bezüglich Putin, Rosneft und Gazprom tat und tut, habe ich kein Verständnis. Das habe ich ihm auch selbst gesagt." Stoiber darf das. Er war mal sein Herausforderer, nach der Politik freundeten sich der CSU-Mann und der Sozi aber an, sie sind per Du.

Gerhard Schröders Kreml-Nähe: Der Respekt geht verloren

Stoibers Partei, die CSU, aber auch die FDP-Sicherheitspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatten als erste verlangt, Schröder die Amtsausstattung eines Vizekanzlers zu entziehen. In "Bild" appellierte der Vizepräsident des Steuerzahlerbundes, Michael Jäger, an Schröder, "auf sein staatlich bereitgestelltes Büro, Mitarbeiter und Dienstwagen zu verzichten“. Weitere Abgeordnete von FDP, Grünen und CDU schlossen sich der Forderung an.

Der Verlust an Respekt ist mit Händen zu greifen. Wie Grünen-Politiker von Notz regte auch der FDP-Mann Johannes Vogel via Twitter an, Schröder nicht länger als Altkanzler zu titulieren.

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Im House of Gerd ist immer was los

Schröder schert sich derweil nicht um die Meinung der politischen Klasse. Er will sich nicht als Welterklärer inszenieren oder als elder statesman empfehlen. Zum Sinnbild dieser Unabhängigkeit ist der Instagram-Account seiner Ehefrau Soyeon Schröder-Kim mit einer nach oben offenen Fremdschäm-Skala geworden.

Mal postet sie ein Foto von ihm mit dem Hammer (als Handwerker), mal mit Hagebutten (als Gärtner) in der Hand, mal wie er als Koch mit nackten Armen in einer blauwattierten ärmellosen Jacke die Pfanne mit Bratkartoffeln schwenkt. Seine Freunde, früher nannten sie sich "Frogs" ("Friends of Gerd"), freuen sich mit ihm; sie gönnen dem Rentner wohl auch, dass er im Sommer in den Aufsichtsrat von Gazprom wechseln soll. Es ist immer was los im House of Gerd.