Washington. Trumps Vize Mike Pence nennt den Ex-Präsidenten “unamerikanisch“ und distanziert sich. Doch die Republikaner folgen ihm nicht.

Zwei historische Momente für die USA und die Republikaner an einem Tag: Ex-Vize-Präsident Mike Pence hat seinem früheren Chef offiziell den Fehde-Handschuh hingeworfen. Er bezeichnete ihn indirekt als "unamerikanisch"; eine kleine politische Sensation.

Zeitgleich hat die "Grand Old Party" (GOP) eine der wuchtigsten Lügen Trumps zum Partei-Dogma erhoben. Die wenigen noch verbliebenen Dissidenten wurden mit einer beispiellosen politischen Inquisition überzogen.

Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence spricht auf der Jahrestagung der Federalist Society in Florida.
Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence spricht auf der Jahrestagung der Federalist Society in Florida. © dpa

Pence nutzte die Bühne der extrem konservativen "Federal Society" in Florida, um eine von Trump seit über einem Jahr penetrant wiederholte Behauptung abzuräumen.

Danach habe Pence das verfassungsmäßige Recht gehabt, am 6. Januar 2021 während des blutigen Umsturzversuchs am Kapitol in Washington die offizielle Beglaubigung des Wahlsieges von Joe Biden zu verhindern.

Historiker und Verfassungsrechtler haben diese Lesart mehrfach zurückgewiesen. Sie wiesen auf die in einschlägigen Gesetzen festgelegte Funktion eines lediglich beobachtenden Zeremonienmeister hin, die dem Vize-Präsidenten bei der Zertifizierung der Stimmen aus dem Wahlmänner-Gremium ("electoral college") zuteil wird.

Pence verteidigt sein Verhalten beim Sturm aufs Kapitol

Pence hatte, auch um Trump nicht zu verprellen, der ihn vor dem 6. Januar öffentlich angebettelt hatte, zu intervenieren, bisher immer nur kommod abgewunken. Pence verteidigte sein Verhalten als staatsmännisch und patriotisch. Wütende Trump-Anhänger wollten ihn am jenem 6. Januar nach dem Einbruch in den Kongress töten.

Am Freitag sagte der 62-Jährige klipp und klar: "Präsident Trump liegt falsch. Ich hatte kein Recht, die Wahl zu kippen." Allein die Idee, eine einzelne Person könne den Wahlausgang korrigieren und den Präsidenten auswählen, sei "unamerikanisch". Als "unamerikanisch" hat bisher noch niemand von Rang in der "Grand Old Party" (GOP) den früheren Präsidenten bezeichnet.

Mit dieser schroffen Zurückweisung ist klar, dass - sollte Trump 2024 ein drittes Mal für das Weiße Haus kandidieren - der tief religiöse Pence nicht auf dem Vize-Ticket sein wird. Eher geht er selbst als Aspirant für den Spitzenposten ins Rennen und wird zu Trumps Rivalen.

Trump wiederholt Lügen über US-Wahl - und wettert gegen Pence

Dessen Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. In einer Stellungnahme erklärte er, sein einst bis zur Selbstverleugnung treuer Wegbegleiter habe sich seinerzeit zu einem "automatischem Fließband" gemacht, um Biden so schnell wie möglich ins Amt zu bringen.

Da es "offensichtliche Anzeichen für Wahlbetrug oder Unregelmäßigkeiten" gegeben habe, wäre es "angemessen gewesen", strittige Stimmzettel an die Parlamente der einzelnen Bundesstaaten zurückzugeben und dort überprüfen zu lassen, behauptete Trump. 60 Gerichtsurteile haben nach der Wahl im November 2020 ergeben, dass es keine substanziellen Irregularitäten beim Urnengang und der Auszählung gegeben hat.

Pence warnte seine Partei davor, die zum Wahlverfahren eindeutigen Vorgaben der Verfassung in Zweifel zu ziehen. "Wir verlieren sonst unser Land." Auch die demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris werde Anfang 2025 keinerlei Mandat haben, das Wahlergebnis nachträglich zu korrigieren, wenn es an ihr ist, die Stimmenauszählung für die Zertifizierung des 47. US-Präsidenten zu beaufsichtigen.

RNC-Tagung: Rüge für zwei Abgeordnete

Pence´ Auftritt spielte sich parallel zur Winter-Tagung der republikanischen Parteispitze (RNC) in Salt Lake City/Utah ab. Dort wurden die Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger in einem in dieser Form beispiellosen Akt offiziell gerügt.

Begründung: Sie beteiligten sich durch ihre Arbeit im parlamentarischen Untersuchungs-Ausschuss, der die Hintergründe des tödlichen Aufstandsversuchs am 6.1.2021 beleuchtet, an einer von den Demokraten lancierten "Verfolgung einfacher Bürger". (Derzeit sind 700 Gerichtsverfahren anhängig, erste Urteile endeten mit zum Teil mehrjährigen Haftstrafen - d. Red.).

US-Republikaner: Sturm auf das Kapitol war bloß "Meinungsäußerung"

Die gewalttätige Erstürmung des Kongressgebäudes, bei der 150 Polizisten teils schwer verletzt wurden und in deren Gefolge fünf Menschen starben, charakterisierte die Parteispitze als "legitime politische Meinungsäußerung".

Parteisprecherin Ronna McDaniel korrigierte später mündlich, dass sich diese Formulierung nicht auf Gewalttäter bezogen habe. Ungeachtet dessen wurde die Abgeordnete Cheney, Tochter des früheren Vize-Präsidenten Dick Cheney, de facto zur Unperson erklärt. Die Parteispitze wandte nach eigenen Angaben zum ersten Mal eine Regel an ("Rule 11"), nach der die Bundesspitze die parteiinterne Gegenkandidatin Cheneys bei der Wahl im September im Bundesstaat Wyoming finanziell massiv unterstützen darf.

Liz Cheney: Republikaner haben sich zu Trumps Geisel gemacht

Cheney sagte, ihre Partei habe sich zur "Geisel" Trumps gemacht: Einem Mann, der bis heute die Legitimität der Biden-Präsidentschaft nicht anerkenne. Und der die verurteilten Gewalttäter vom 6. Januar begnadigen wolle, falls er wieder Präsident werden sollte. Die Rüge gegen Cheney und Kinzinger, der aus eigenem Antrieb keine Wiederwahl mehr anstrebt, erfolgte fast einstimmig.

Was den früheren Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney zu einer Breitseite gegen seine Partei veranlasste. Leute "mit einem Gewissen" wie Cheney und Kinzinger abzustrafen, weil sie nach der Wahrheit suchten, sei eine "Schande", sagte der Senator aus Utah. Michael Steele, ehemals Parteivorsitzender erklärte, Cheney und Kinzinger seien gerügt worden, "weil sie das Land vor einem Irren schützen". Gemeint ist Donald Trump.

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