Berlin. Der Bund will den Mindestlohn ab Oktober auf 12 Euro anheben. Arbeitgeber warnen vor höheren Preisen. Gewerkschaften halten dagegen.

Es war ein zentrales Wahlkampfversprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): Der Mindestlohn soll auf 12 Euro steigen. Und Scholz Arbeits- und Sozialminister ließ nicht lange auf sich warten.

In der vergangenen Woche legte Hubertus Heil (SPD) einen ersten Referentenentwurf für die Anhebung des Mindestlohns, der seit Jahresbeginn 9,82 Euro beträgt, vor. Zum 1. Oktober soll der Mindestlohn in einem einmaligen Schritt auf 12 Euro angehoben werden. Profitieren würden laut den Regierungsplänen 6,2 Millionen Beschäftigte.

Mindestlohn: Arbeitgeber warnen vor höheren Preisen

Das Vorhaben aus dem Haus von Hubertus Heil polarisiert Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. „Die jetzige Diskussion greift in den Kern der Tarifautonomie ein“, schimpfte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) am Donnerstag auf einer Diskussionveranstaltung.

Andrea Belegante, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS), kündigte an, dass viele gastronomische Unternehmen die höheren Löhne auf die Preise aufschlagen werden. „Es wird eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt werden“, prophezeite sie.

Gewerkschaftsbund verteidigt geplante Anhebung

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher hätten mit höheren Preisen kein Problem, wenn sie sicher sein könnten, dass die Mehrkosten auch tatsächlich bei den Beschäftigten landen würden, hielt Stefan Körzell, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dagegen.

Der Kern des Übels sei die Tarifflucht vieler Arbeitgeber, führte Körzell aus. Daher sei die Anhebung auf 12 Euro richtig.

Wird die Mindestlohnkommission überflüssig?

Nach der geplanten Anhebung soll nach Plänen der Bundesregierung wieder die Mindestlohnkommission über die weiteren Anhebungsschritte entscheiden. Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen Lars Feld gehört der Kommission an – und der Ökonom fürchtet weitere politische Eingriffe. Dann liefe die Kommission Gefahr, zum „Pausenclown für die Jahre, in denen keinen Wahlen stattfinden“, zu werden.

Feld hätte sich mehr Geduld der Politik gewünscht. „Trotz der Auswirkungen der Corona-Krise gibt es eine Anhebung, die über der projizierten Lohnentwicklung liegen wird“, sagte er mit Blick auf den Juli, wo der Mindestlohn regulär auf 10,45 Euro steigen soll. „Wenn man ihn in weiteren Stufen anheben würde, kämen wir sowieso auf einen Mindestlohn von 12 Euro“, sagte Feld.

Frage der Übergangsfrist ist noch ungeklärt

Ein Dorn im Auge der Arbeitgeber ist vor allem die Frage nach der Übergangsfrist. Als der Mindestlohn erstmals im Jahr 2015 mit 8,50 Euro gesetzlich eingeführt wurde, hatten Arbeitgeber zwei Jahre Zeit, um die neue Vorgabe umzusetzen. Im Referentenentwurf von Hubertus Heil fehlt nun eine solche Übergangsfrist.

„Ohne Übergangs- und Anpassungsregeln ist der Eingriff sehr viel tiefer ist als 2015“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter.

Ökonom Feld rechnet unabhängig vom Mindestlohn mit steigenden Löhnen

Befürchtungen, dass sich die Einführung des Mindestlohns negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen könnten, hatten sich 2015 als falsch herausgestellt. Die Arbeitslosenquote ist von 6,4 Prozent im Jahr 2015 auf 5,7 Prozent im Jahr 2021 gesunken – trotz Corona-Krise.

Ökonom Lars Feld will negative Auswirkungen zwar nicht ausschließen, zeigt sich aber „vorsichtig optimistisch“: Aufgrund des demografischen Wandels würden Arbeitskräfte knapper werden, Unternehmen müssten sich darauf einstellen – auch mit höheren Löhnen. „Dann wird der Mindestlohn ab 12 Euro möglicherweise nicht ganz so ungünstige oder auch keine Auswirkungen haben“, sagte Feld. Mit Blick auf die Inflation könne es zwar zu einem Einmaleffekt kommen. Eine „größere Inflationsdynamik“ erwartet Feld mit der Anhebung aber nicht.