Berlin. Die Schwesterparteien CDU und die CSU wollen mehr Harmonie wagen. Doch die erste Bewährung für die neue Freundschaft steht bald bevor.

Die Kulisse, die CSU-Chef Markus Söder und sein baldiger CDU-Amtskollege Friedrich Merz für ihr Treffen gewählt haben, ist beeindruckend. Am oberbayerischen Kirchsee, der den Blick auf die schneebedeckten Alpen freigibt, proben die beiden Unionspolitiker die Wiederannäherung ihrer entfremdeten Schwesterparteien. Der Himmel ist grau, doch Merz und Söder machen auf gut Wetter. Die Fotopresse ist eigens geladen, um diese Augenblicke festzuhalten. Doch wie belastbar ist diese neue Männerfreundschaft wirklich?

„Neustart. CDU und CSU schließen sich wieder eng zusammen“, kommentiert Söder auf Twitter eines der Bilder. Endlich, dürften viele Mitglieder und Anhänger der Union an dieser Stelle gesagt haben. Denn das Klima zwischen CDU und CSU war in den zurückliegenden Monaten bekanntlich äußerst frostig.

Zwischen Söder und Laschet ist alles gesagt

Was das persönliche Verhältnis zwischen Söder und dem scheidenden CDU-Chef Armin Laschet angeht, wird es wohl dauerhaft so bleiben. Nach dem verkorksten Wahlkampf der Union und der historischen Schlappe bei der Bundestagswahl herrscht dem Vernehmen nach weitgehende Funkstille zwischen Söder und dem gescheiterten Unionskanzlerkandidaten Laschet. Es sei alles gesagt, heißt es.

Und bald hat Laschet ohnehin nichts mehr zu sagen in seiner Partei. Am nächsten Wochenende will die CDU auf einem Online-Parteitag Friedrich Merz zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen. Die Christdemokraten schlagen damit ein neues Kapitel auf. Es trägt die Überschrift „Opposition“ – nach 16 Regierungsjahren im Bund.

Merz gilt vielen in der CDU als Hoffnungsträger, der der Partei wieder zu schärferem Profil verhelfen soll. Der hochgewachsene, 66 Jahre alte Wirtschaftsexperte mit dem zackigen Auftreten strahlt jenen Führungsanspruch aus, den viele bei Laschet vermisst haben. Merz hat fortan die Aufgabe, die krisengeschüttelte Partei zurück in die Erfolgszone zu führen.

Und dort ist die CDU bekanntermaßen immer dann gut angekommen, wenn es zwischen ihr und der selbstbewussten bayerischen Schwesterpartei CSU einigermaßen harmonierte. So wie jetzt offenbar zwischen Merz und Söder. Oder trügt das Bild?

Harmonie solange sie den Parteichefs nützt

Wer in die Union hineinhorcht, hört genau diese Sorge. Dass es nämlich zwischen den beiden Alpha-Männchen am Ende doch nicht so rundlaufen könnte. Gewiss, Merz habe beim ersten Mitgliederentscheid in der CDU-Geschichte gezeigt, dass er als Kandidat für den Vorsitz mit 62,1 Prozent Zustimmung klar die Mehrheit der Partei hinter sich hat. Seine Wahl auf dem Parteitag gilt nur noch als formelle Bestätigung des Mitgliedervotums.

Grundsätzliche Erleichterung gibt es auch darüber, dass Merz und Söder das Verhältnis zwischen CDU und CSU nach den zurückliegenden schwierigen Monaten kitten wollen. Doch Begriffe wie Freundschaft, Sympathie oder gar Harmonie fallen nicht, wenn es darum geht, die Beziehung der beiden Vorsitzenden zu beschreiben. Vielmehr erwarten viele in der Union, dass Merz und Söder nur so lange für alle sichtbar an einem Strang ziehen, wie es ihnen auch selbst nützt. Lesen Sie hier: Geschönte Niederlage: CDU unterstützt Steinmeier

Söder oder Merz: Die K-Frage könnte sich am Fraktionsvorsitz entscheiden

Schon Ende April könnte das neue Zweckbündnis auf die Probe gestellt werden. Dann muss die gemeinsame Bundestagsfraktion von CDU und CSU über eine Fortsetzung der Amtszeit ihres aktuellen Vorsitzenden Ralph Brinkhaus entscheiden. Es dürfte ein Schlüsselmoment im Verhältnis zwischen Merz und Söder werden. „Dass der Vorsitz der CDU und die Führung der Unionsfraktion in einer Hand liegen sollten, ist ein prinzipieller Satz, der gilt“, hatte Merz Mitte Dezember im Interview mit unserer Redaktion gesagt, wenige Tage bevor die CDU-Abstimmung zu seinen Gunsten ausging.

Viele Unionsabgeordnete gehen fest davon aus, dass der machtbewusste Merz versuchen wird, den 53-jährigen Brinkhaus von der Fraktionsspitze zu verdrängen, um selbst den Vorsitz zu übernehmen. Er wäre damit erneut Oppositionsführer im Bundestag, genauso wie zwischen 2000 und 2002, als er das Amt schon einmal innehatte. Auch interessant: CDU: Karin Prien fordert Maaßens Parteiausschluss

Sollte ihm das trotz des erwartbaren Widerstands von Brinkhaus gelingen, wäre Merz unangefochten die Nummer eins in der Union – und damit ihr natürlicher Kanzlerkandidat. Genau das dürfte der nicht minder machtbewusste Söder verhindern wollen. Der bayerische Ministerpräsident hatte bereits 2021 im Wettbewerb mit CDU-Chef Laschet das Nachsehen in dieser Frage. Dass er bei der nächsten Bundestagswahl wieder einem CDU-Mann kampflos den Vortritt lässt, ist schwer vorstellbar.

Brinkhaus wäre die friedliche Lösung

Spannend wird daher, wie sich die CSU-Abgeordneten bei einer Kampfkandidatur zwischen Merz und Brinkhaus verhalten. Stimmen sie für Brinkhaus, stärken sie indirekt Söder. Wählen sie dagegen Merz, erhöhen sie dessen Kanzlerchancen. Die neuen guten Beziehungen zwischen den Parteichefs könnten rasch wieder abkühlen.

Für wahrscheinlicher gilt aber, dass Brinkhaus vorerst weitermacht. Denn Mitte Mai finden in Nordrhein-Westfalen, dem Heimatland von Merz und Brinkhaus, Landtagswahlen statt. Streit macht sich da nicht gut. Der Konflikt könnte daher vertagt werden. Es würde auch Merz und Söder nützen: Die gute Stimmung zwischen CDU und CSU wäre nicht gleich wieder dahin.

Mehr zum Thema: Merz schließt Zusammenarbeit mit AfD kategorisch aus