Berlin. Die Klimakrise ist real, ihre Folgen sind tödlich. Wirtschaft und Bevölkerung begreifen das langsam – nun muss die Politik handeln.

Regelmäßige Bewegung ist wichtig, so bleibt der Körper gesund. Experten empfehlen drei Mal in der Woche 30 Minuten lang leichtes Anschwitzen. Doch – wer macht das schon? Ein gutes Buch lesen, wenigstens alle paar Wochen, sorgt für eine Tiefe und Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, die den Geist gesund hält. Doch – wer schafft das schon? Der Ex-Liebe nicht mehr hinterherrennen, sie hat ja schon gesagt, sie will wirklich nicht mehr. Den Müll trennen in vier unterschiedlichen Eimern, Bio, Plastik, Papier und Glas – wer hat so viel Platz im Müllfach? Kein Plastik mehr einkaufen, auf Verpackungen achten, das wäre ökologisch – doch wer hält das schon durch?

Man könnte jetzt endlos weitere Beispiele finden – frei nach dem Motto: Wissen, was richtig ist, aber es dennoch nicht tun. So ähnlich verhält es sich mit dem Klimawandel. Und der Klimakonferenz in Glasgow. Wir wissen, dass der Klimawandel passiert. Er sorgt sogar schon jetzt für erhebliche psychische und gesundheitliche Folgen – wäre die Erde ein Mensch, würde man Arterienverkalkung, Übergewicht, zu hohe Cholesterinwerte, Alkoholprobleme, Messietum und immer schlimmer werdende Angstzustände diagnostizieren. Und diese Angstzustände sind sogar begründet: Mal brennt es, mal ist es zu trocken, mal droht die Erde zu ertrinken.

Pflicht muss Neigung werden

Oft ist das, was wir als richtig empfinden, irgendwie auch unangenehm. Rationales Verhalten wird als anstrengend empfunden. Alles, was Spaß macht, geht uns leicht von der Hand. So konsumiert man die Tüte Chips auf dem Sofa, schiebt sich den Schaumkuss in den Mund, schmeißt die Glasflasche in den Restmüll, dreht die Heizung auf und öffnet gleichzeitig das Fenster oder schaut die 24.573. Netflix-Serie in Jogginghose.

Das, was sich mit unserem Verhalten und der Klimakrise offenbart, ist ein Problem, das die Philosophie schon vor Jahrhunderten als Diskrepanz zwischen Pflicht und Neigung beschrieben hat. Die Pflicht ist dabei das, was notwendig wäre, die Neigung das, was vielleicht die Lust und unseren faulen egoistischen Wunsch beschreibt.

Politik-Korrespondentin Diana Zinkler
Politik-Korrespondentin Diana Zinkler © Krauthoefer | Krauthoefer

Trotzdem ist Glasgow wichtig. Es kann mehr als ein Signal sein. Und es muss mehr folgen: Jedes Zehntel Grad weniger Erderwärmung in den kommenden Jahren hat erhebliche positive Effekte auf die Welt und unser Leben. Mehr zum Thema: Ursachen, Folgen und Lösungen: Basiswissen Klimawandel

Die Politik muss handeln

Glasgow ist ein Treffen der Mächtigen. Jede Klimakonferenz bietet daher die Möglichkeit, das Ruder ein bisschen in die andere Richtung zu lenken – oder gar herumzureißen. Eine Berechnung der UN prognostizierte gerade einen Temperaturanstieg um 2,7 Grad Celsius bis 2100. Ein solcher Anstieg würde ganz klar gegen die in Paris gesetzten Ziele von weniger als zwei Grad Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit verstoßen. Und es droht eine Katastrophe: Inselstaaten kämpfen gegen den Anstieg des Meeresspiegels – aus Sorge, dass ihre Inseln im Meer versinken.

Die Wirtschaft handelt bereits: Zalando hat seine CO2-Emissionen in den vergangenen vier Jahren laut einer Erhebung von Statista um 40 Prozent gesenkt. Zudem führt das Online-Geschäft die Liste der Unternehmen an, die es geschafft haben, CO2 zu reduzieren, ohne Umsatz und Produktion einzuschränken. Danach folgen Firmen wie Gardena, Barmenia oder der Elektrospezialist Ceconomy.

Auch die Bürger haben verstanden: In einer neuen Civey-Umfrage im Auftrag der "Welt" gaben 46 Prozent der Deutschen an, sie würden für mehr Klimaschutz ihren Alltag ändern. Jetzt muss die Politik nur noch folgen: die Regeln für unser zukünftiges Klimaprogramm bestimmen und vor­geben – und die Diskrepanz zwischen Pflicht und Neigung aufheben.