Berlin. Ermittler durchsuchen Privaträume des SPD-Politikers Johannes Kahrs. Es geht um den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Die Cum-Ex-Affäre zieht immer weitere Kreise. Am Dienstag ließen Kölner Ermittler zwei Objekte in Hamburg von drei Beschuldigten durchsuchen, darunter auch das Wohnhaus des SPD-Politikers Johannes Kahrs, der von 1998 bis 2020 im Bundestag saß.

Mit der Razzia rückt der Skandal nach Einschätzung des Vizechefs der Linken-Fraktion im Bundestag, Fabio De Masi, „an den potenziellen Bundeskanzler heran“. An Olaf Scholz. Das „Handelsblatt“ nennt Kahrs den „wichtigsten Vertrauten“ des Kanzlerkandidaten. Das ist übertrieben. Zu der Kategorie gehören schon eher seine Staatssekretäre Rolf Bösinger und Wolfgang Schmidt. Kahrs ist ein Parteifreund und Weggefährte. Auch interessant: Razzia in Scholz' Ministerium: Was hat FIU im Kampf gegen Geldwäsche verpasst?

Johannes Kahrs hatte engen Draht zur Warburg-Bank

Als Bürgermeister musste Scholz den Chef des SPD-Verbandes Hamburg-Mitte auf der Rechnung haben. Kahrs hatte Zugang zu Scholz und zugleich einen engen Draht zum Banker Christian Olearius und der Privatbank Warburg. Das Hamburger Abendblatt enthüllte 2017, dass die Bank direkt oder über eine Tochtergesellschaft 45.500 Euro der Partei zukommen ließ – den Löwenanteil von 38.000 an den Kreisverband Hamburg-Mitte.

Mit Cum-Ex-Handel machte die Bank Schlagzeilen. Der Trick bei solchen Geschäften ist, sich Erstattungen für Steuern zu erschleichen, die man nicht gezahlt hat. Als die Geschäfte getätigt wurden, war Scholz nicht Bürgermeister – in seine Zeit fällt aber die Entscheidung der Finanzbehörden, nicht gegen die Bank vorzugehen. Dass dem Steuerzahler kein Schaden entstand und das Kreditinstitut nach eigenen Angaben alle Steuerforderungen beglich, liegt an Anweisungen des Bundesfinanzministeriums (vor Scholz) und am Druck durch einen Strafprozess – weniger an der Unerbittlichkeit des Hamburger Fiskus.

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Cum-Ex: Lobbyierte SPD-Politiker Kahrs für die Warburg-Bank?

Im Raum steht bis heute der „Anfangsverdacht der Begünstigung“, wie es in der Begründung der Kölner Staatsanwaltschaft für die Razzia heißt. Kahrs’ Aufgabe war es, so vermutet es De Masi, „Olaf Scholz im Auftrag der Warburg-Bank zu lobbyieren“.

Kahrs war von 1989 bis 1991 persönlicher Referent von Alfons Pawelczyk, heute 88 Jahre alt und für die SPD ehemals Innensenator in Hamburg. Beide gelten als Türöffner, Strippenzieher, Kahrs über die Hansestadt hinaus, weil er der Vorsitzende des rechten Seeheimer Kreises der SPD war und im Bundestag saß, im Haushaltsausschuss.

Durchsuchung auch bei den Hamburger Finanzbehörden

Ein Beleg für die Kontakte zur Bank sind Tagebucheintragungen von Olearius. Nicht belegt ist, dass die Lobbyisten beim Bürgermeister Erfolg gehabt hätten; dass er oder sein Nachfolger – damals Finanzsenator – Peter Tschentscher Einfluss auf die Finanzverwaltung genommen hätten. Beide haben das dementiert, Tschentscher erst gestern. Anfang 2018 notierte Olearius laut „Wirtschaftswoche“ gar, Hilfe von Scholz könne er sich nicht vorstellen. Der würde sich sonst dem Vorwurf der Begünstigung aussetzen. Da war er auf dem Sprung nach Berlin, um Finanzminister zu werden.

Man muss beim Cum-Ex-Skandal drei Punkte auseinanderhalten: das politische Sittengemälde, die Strafwürdigkeit der Geschäfte, die seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes im Juli in Karlsruhe außer Frage steht – und die politische Hypothek. Denn der Kanzlerkandidat wurde immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, im Bundestag, in Hamburg, in den Medien, im direkten Schlagabtausch mit seinen Konkurrenten. De Masi sagt, die jüngste Razzia „straft Olaf Scholz Lügen“.

Durchsucht wurde nicht nur bei Kahrs, sondern auch Räume der Hamburger Finanzbehörden. Bisher hieß es allerdings immer, Scholz werde durch Aussagen von Hamburger Finanzbeamten entlastet. Aber auch die geraten ins Visier der Justiz. Die Ermittler lassen nicht locker.