Berlin. Unsere Autorin geht in die Sauna und wundert sich, was sich wegen Corona verändert hat. Nacktsein ist komplizierter und irre geworden.

Während der Corona-Pandemie gerät ja einiges durcheinander. Vieles, was früher normal war, ist jetzt komplizierter – und irrer. Wie ein Sauna-Besuch.

Während in einer neuen großen Sauna nun Badebekleidung zwischen den Gängen getragen werden muss, – Schuld sind die Touristen, die sich über die Deutschen beschwert haben, weil die zu freizügig ihre nackten Körper hin- und her bewegen – gilt in meiner favorisierten Sauna zwar immer noch das Nacktheitsgebot, aber nicht für das Gesicht. Während man also splitterfasernackt durch die Gänge tippeln darf, sogar barfuß! (da wäre nicht nur aus optischen Gründen mal eine Badelatschen-Regel nötig), muss im Gesicht die Maske getragen werden. All das fällt allerdings in der Sauna-Kabine.

Vorsichtig fragt mich ein Mittfünziger: Darf ich mich setzen?

Und wenn es heißt Aufguss-Zeit, dann fällt auch der Abstand. Vorsichtig fragt mich ganz zu anfangs ein Mittfünfziger, als noch kaum ein anderer in dem Sauna-Holzverschlag sitzt, ob er sich in 1,50 Meter-Abstand platzieren dürfe. Ich sage natürlich, ja, sehr gern. Denke aber: WARUM?

Es wird noch schlimmer, es kommen immer mehr Leute herein, es ist, als der Sauna-Meister die Tür schließt, so eng wie früher vor Corona, wir sitzen wie Sardinen in der Dose – nur ohne Öl, ein Glück! Das Handtuch eines anderen berührt meine Füße, ich spüre im Rücken den heißen Atem einer Frau, die gerade noch Weißwein getrunken haben muss, rechts von mir ein Pärchen, das noch unbedingt zusammensitzen wollte, links von mir zwei Spanier, die laut reden.

Schwitzen und staunen- Sauna-Kunst in Japan

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    Als der Sauna-Meister die Klangschalen rausholt, platzen die Spanier

    Doch dann unterbricht der Saunameister alle Gespräche, alle Gedanken, und – er muss es gespürt haben – auch die Corona-Angst vor Nähe – denn: Er holt die Klangschalen raus. Erst kippt er Zitronenmelisse auf die heißen Steine, zischsch… Dann sagt er, jetzt kommen wir alle zur Ruhe und entspannen uns. Der Saunameister ist ein sehr viel älterer Herr. Längst müsste er in Rente sein. Er trägt ein kariertes Handtuch um die Hüften, einen ordentlichen Bauch vor sich her, einen gräulichen Haarkranz am Kopf und eine Brille auf der Nase, in Silber wie einst mein Schuldirektor.

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    Die Brille beschlägt durch den Dampf. Dann schwingt er einen Metallstab an den Rand der Schale: „Ping“ macht es, der Ton schwingt durch die feuchte, heiße Luft. In dem Moment fängt die Holzbank, auf der ich sitze, an zu beben. Es ist einer der Spanier, der versucht, sich zusammenzureißen. Er ist angespannt, sein Rücken biegt sich durch, sein Oberkörper bewegt sich leicht nach vorn, er hält die Hände vors Gesicht. Er atmet schwer. Ich kann durch den Spalt zwischen Händen und Kopf sein Gesicht sehen: Er lacht. Ganz schlimm muss er lachen, dann gluckst er. Der zweite Spanier, offensichtlich sein Freund, zeigt gleiche Symptome. Beide versuchen verzweifelt, ihren Lachanfall zu unterdrücken.

    In ihrer Kolumne schreibt Diana Zinkler über alles, was die Gesellschaft heute und morgen bewegt.
    In ihrer Kolumne schreibt Diana Zinkler über alles, was die Gesellschaft heute und morgen bewegt. © ZRB | ZRB

    Der Sauna-Meister ist völlig unbeeindruckt. Der zweite Aufguss folgt, es wird heißer, noch hysterischer als er das zweite Mal die Klangschale zum Schwingen bringt: Piiinnnnnnggggg. Die Spanier weinen vor Lachen, krümmen ihre nackten Rücken, der eine presst seine Faust in seinen Mund, der andere platzt fast.

    Nach dem dritten Aufguss wird es plötzlich ganz still in der Sauna

    Die Umsitzenden schauen ratlos, ich muss mich zusammenreißen, nicht auch zu lachen. Die beiden sind wie zwei feixende Schuljungs in der letzten Bank.

    Der Meister kippt den dritten Aufguss auf die Steine, und noch eine Extra-Kelle. „Uuuuh“, entfährt es dem Spanier neben mir. Der andere wird auch ganz still. Alle schweigen und ertragen die Hitze, das letzte Mal erklingt der Klangschalen-Ton. Dieses Mal nur kurz. Der Sauna-Meister nimmt seinen Eimer, seine Schale und blickt uns über die Schulter noch einmal an. Alle schwitzen und leiden still. Er grinst genüsslich. Ganz der Schulleiter, der er vor seiner Pensionierung war.