Berlin. Die Corona-Zahlen steigen: Muss ich auf Urlaub verzichten? Nein, wer sich vernünftig verhält, kann mit gutem Gewissen Ferien machen.

Muss ich mich schämen, wenn ich trotz steigender Corona-Zahlen jetzt in den klassischen Sommerurlaub fliege? Mit Hotelfrühstück, kalten Drinks am Pool und dem abendlichen Restaurantbesuch mit der Familie?

Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen, deren gebuchter Urlaub bevorsteht und die spüren, wie sie im Freundes- oder Kollegenkreis unter einen seltsamen Rechtfertigungsdruck kommen. Wie kannst Du nur? Ist so eine Reise nicht zu gefährlich? Aber deine Kinder sind ja gar nicht geimpft…

Eineinhalb Jahre Corona-Einschränkungen mit über 90.000 Toten, Lockdowns und einem babylonischen Regelwirrwarr haben bereits ihre Spuren hinterlassen und ein unbefangenes Leben tatsächlich unmöglich gemacht. Das reicht bis hinein ins Unterbewusstsein. Selbst wenn es erlaubt ist, in die Ferne zu düsen, ruft bei vielen das Gewissen: Lass es doch! Bleibe lieber zu Hause! Von den neunmalklugen Corona-Ratgebern auf allen Kanälen mal ganz zu schweigen.

Unbefangen Urlaub machen – geht das jetzt noch?

Jörg Quoos meint, niemand muss sich rechtfertigen, wenn er jetzt in den Urlaub fährt – auch wenn die Corona-Zahlen steigen.
Jörg Quoos meint, niemand muss sich rechtfertigen, wenn er jetzt in den Urlaub fährt – auch wenn die Corona-Zahlen steigen. © Dirk Bruniecki

Aber wie bei vielen anderen Entscheidungen im Leben gibt es bei der Frage nach dem Urlaub kein richtig oder falsch. Wie bei allen Lebensrisiken müssen jetzt auch bei Corona Risiken mit dem individuellen Nutzen abgewogen werden. Diese ganz persönliche Entscheidung nehmen uns Jens Spahn und Karl Lauterbach zum Glück nicht ab.

Wenn Reisen erlaubt sind, sollte man sie auch ohne schlechtes Gewissen antreten können. Wem der Lockdown schon zu schaffen gemacht hat, der tut auch gut daran, dieses Risiko einzugehen. Lesen Sie auch: Corona-Risiko: Ist Urlaub im Hochinzidenzgebiet vertretbar?

Sogar die übervorsichtige Kanzlerin gönnt sich Richard Wagner bei den Bayreuther Festspielen, um nicht dem Berliner Corona-Blues zu verfallen. Erholung und Tapetenwechsel sind nämlich kein lässlicher Firlefanz. Es ist ein wichtiger Treibstoff für die Seele, die im Lockdown bei vielen gefährlich verkümmert ist.

Vor allem Kinder und Jugendliche brauchen den Urlaub

Besonders Kinder und Jugendliche profitieren mit ihrem großen Bewegungsdrang und der Sehnsucht nach neuen Sinneseindrücken von den Ferien außerhalb der eigenen vier Wände. Für sie waren die Lockdown-Monate extrem hart. Die Praxen der Kinderpsychiater sind voll und wenn ein toller Badeurlaub mit der Familie die Kinderseele wieder ins Lot bringt, hat sich das Risiko sicher gelohnt.

Am Ende hat es jeder Urlauber auch selbst in der Hand, wie ernsthaft er den Schutz vor dem gefährlichen Virus für sich und andere auch in den Ferien handhabt. Hier zählt besonders Rücksichtnahme – wie auch im Straßenverkehr: Wer mit Tempo 250 in den Urlaub rast, gefährdet sich und andere auch mehr als derjenige, der ganz entspannt mit 130 sein Ziel ansteuert. Und wer sich auf Mallorca ins Partygetümmel schmeißt, riskiert eher eine Ansteckung mit dem Virus als derjenige, der den Tag mit einem gemütlichen Strandspaziergang ausklingen lässt. Auch interessant: Hochinzidenzgebiete in Europa: Wo Corona am heftigsten wütet

Leben ist nie frei von Risiko – wir sind verantwortlich

Das Leben ist immer gefährlich. Das gilt für zu Hause wie in Spanien oder in Griechenland. Es kommt besonders in Corona-Zeiten aber darauf an, dass man sich überall der Gefahren bewusst ist und sich entsprechend verhält. Wo der staatliche Ordnungsrahmen endet, muss die eigene Vernunft einsetzen – und das ist auch gut so.

Mag man dem Bangen um den diesjährigen Sommerurlaub am Ende doch noch etwas Positives abringen, dann lässt sich vielleicht sagen: Noch nie war uns Urlaubern so bewusst, wie wertvoll diese paar Tage der Erholung sind. Und wenn wir sie durch Corona bewusster, nachhaltiger und auch vernünftiger genießen, kann das ein Gewinn sein, der über die Pandemie hinaus wirkt.