Berlin. Weil Fallzahlen sinken, wünschen sich viele Deutsche weitere Corona-Lockerungen. Doch Virologen raten zur Vorsicht. Was das RKI rät.

Deutschland atmet auf: Die Fallzahlen sinken, das Impftempo steigt. Die Bundesbürger lechzen nach einem unbeschwerten Sommer mit Urlaub, Shopping und Partys.

Werden die Corona-Beschränkungen absehbar aufgehoben? Ein Papier des Robert Koch-Instituts (RKI) erlaubt einen Ausblick, wie sich die Situation in Deutschland in den nächsten Monaten entwickeln könnte.

Der RKI-Leitfaden soll der Politik dabei helfen, Stufenkonzepte zur Öffnung zu entwickeln. Das nun in aktualisierter Form veröffentlichte zwölfseitige Strategiepapier trägt den Titel „ControlCOVID“.

RKI legt Vier-Stufen-Plan vor

Grundsätzlich, stellt das RKI fest, seien Maßnahmen gegen das Coronavirus solange weiter notwendig, bis der für eine flächendeckende Immunität erforderliche Impfschutz in der Bevölkerung erreicht ist. Das übergeordnete Ziel sei, die Zahl der schweren Erkrankungen, Langzeitfolgen und Todesfälle durch Covid-19 zu minimieren und eine Überlastung des Gesundheitssystems nachhaltig zu vermeiden. Lesen Sie hier die wichtigsten Infos zu Schutz und Wirkung der Corona-Impfung.

Die zentralen Punkte aus Sicht des RKI: Reduktion von Neuinfektionen, Unterbrechung der „diffusen Zirkulation“ des Virus in der Bevölkerung, Vermeidung eines Wiederanstiegs der Fallzahlen, effektive Testung und Kontaktpersonennachverfolgung, umfassende Impfungen und besonderer Schutz gefährdeter Personengruppen.

Wann Corona-Beschränkungen wie die Maskenpflicht komplett aufgehoben werden, ist noch nicht absehbar.
Wann Corona-Beschränkungen wie die Maskenpflicht komplett aufgehoben werden, ist noch nicht absehbar. © dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Das „ControlCOVID“-Modell sieht vier Lockerungsstufen vor. Diese sind an Voraussetzungen geknüpft – allerdings nicht ausschließlich an die Höhe des Inzidenzwerts. Bislang knüpfen die Bundesregierung und die Länder umfassendere Lockerungen an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35 pro 100.000 Einwohner. Die Inzidenz reicht dem RKI zufolge aber als einziger Indikator für die Abbildung des komplexen Infektionsgeschehens nicht aus.

Das Robert-Koch-Institut plädiert daher für drei weitere Indikatoren, die zu beachten seien, um die epidemische Lage lokal einschätzen zu können: der Anteil intensivmedizinisch behandelter Corona-Fälle an der Gesamtzahl der betreibbaren Intensivbetten, die wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle unter den über 60-Jährigen sowie der Anteil der Kontaktpersonen, die nachverfolgt werden können.

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RKI: So könnte gelockert werden

In der höchsten „Intensitätsstufe 3“ liegt der Inzidenzwert bei mehr als 50, die Intensivbetten sind zu mindestens zwölf Prozent ausgelastet. Das RKI empfiehlt bei diesem Szenario unter anderem Treffen in Innenräumen nur mit der Familie, geschlossene Lokale und Geschäfte sowie Distanzunterricht oder Schulschließungen.

Auf Intensitätsstufe 2 liegt der Inzidenzwert zwischen 50 und 35, die Intensivbettenauslastung bei zwölf bis fünf Prozent. Auf dieser Stufe schlägt das RKI vorsichtige Öffnungen mit Schutzkonzepten und Auflagen im Kultursektor und im Einzelhandel vor, Lokale sollten weiterhin geschlossen bleiben. Drinnen sollten sich weniger als zehn Menschen treffen dürfen.

Intensitätsstufe 1 und die unterste, sogenannte Basisstufe, unterscheiden sich nur durch unterschiedliche Vorgaben für Treffen in Innenräumen und unter freiem Himmel. Auf Intensitätsstufe 1, bei einer Inzidenz zwischen 35 und zehn, empfiehlt das RKI Zusammenkünfte von weniger als 50 Menschen in Innenräumen und weniger als 500 draußen.

Auf der Basisstufe, bei einer Inzidenz von unter zehn, könnten sich unter 100 Menschen drinnen und unter 1000 im Freien treffen.

Corona-Beschränkungen sollten überprüft werden

Die Ziele des RKI sind ambitioniert: Eine Sieben-Tage-Inzidenz von zehn und ein Anteil von Corona-Intensivpatienten an der Intensivbetten-Kapazität von weniger als drei Prozent sind für die Basisstufe der „ControlCOVID“-Strategie vorgesehen.

Nur dann könne die Kontaktpersonen-Nachverfolgung, das Ausbruchsmanagement und eine Entlastung der Intensivstationen kontinuierlich gesichert werden, heißt es beim RKI.

Grundsätzlich müssten sämtliche beschränkenden Maßnahmen fortlaufend auf Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit überprüft werden.

Aktuell liegt die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei unter 21 – dem „ControlCOVID“-Papier nach also in der Intensitätsstufe 1. (fmg)